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IQ Test misst die Intelligenz – ein Mythos

Ich habe nun das letzte Mal darüber gesprochen, dass die Diagnose „Hochbegabung“ Kindern häufig mehr schadet, als dass sie nutzt. Dabei habe ich bereits angedeutet. IQ-Tests sind eigentlich Unsinn, jedenfalls wenn man sie nutzen will um das zu tun, was sie versprechen: Intelligenz messen. Mehr noch: Eigentlich war der Test dafür nie gedacht. Bis ein Rassist ihn einsetzte, um nicht-weiße, behinderte und arme Menschen zwangssterilisieren zu lassen.

Fangen wir mit der Geschichte des IQ-Testes an. Denn dieser begann in Frankreich. 1905, um genau zu sein. Dort suchte man nach einer verlässlicheren Methode als „Alter“, um zu bestimmen, wann ein Kind am besten eingeschult werden sollte. Und so erfand der Psychologe und Pädagoge Alfred Binet mit einem Kollegen zusammen den ersten Test. Der eben genau dies einordnen sollte: Ist ein Kind bereit die Grundschule zu besuchen? Etwas später wurde der Test erweitert, um eine möglichst objektive Methode zu haben, Kinder in verschiedene Klassen einzuteilen. Leistungsstarke Kinder sollten mit anderen leistungsstarken Kindern zusammen eine Klasse besuchen. (Dass dies erwiesenermaßen schädlich ist, lassen wir außen vor.)

Kurz darauf fand jedoch der amerikanische Psychologe und Eugeniker Henry Goddard diesen Test und änderte ihn um. So dass er – so behauptete er zumindest – damit die Intelligenz messen könne. Allerdings dauerte es nicht lange, ehe er ein anderes Potential darin erkannte. Man konnte den Test auch so abändern, dass damit bestimmte Menschen besser abschneiden. Zum Beispiel reiche, weiße Menschen. Ein wunderbares Werkzeug, um damit andere Menschen als „feeble minded“ zu erklären. Und zur Sterilisation zu zwingen, wie es damals in den USA noch üblich war.

Doch auch, wenn wir über diese Geschichte Bescheid wissen. Goddards Test wird bis heute in nur leicht abgewandelter Form weiterhin benutzt. Und ja, das ist ein riesiges Problem.

Habt ihr schon einmal davon gehört, dass Rassisten den IQ gerne als Begründung nutzen? Also dass weiße und ostasiatische Menschen wissenschaftlich bewiesen „besser“ seien, als alle anderen. Immerhin schneiden sie ja gut bei IQ-Tests ab. Doch natürlich ist es so, dass dieser ohnehin mit einem Bias entwickelte Test eben dieses sehr bestimmte Wissen abfragt. Und nicht die Intelligenz. Wissen, das vor allem in bestimmten Schulen vermittelt wird. In anderen dagegen nicht.

Wer sich einen IQ-Test anschaut, der wird schnell feststellen, dass diese einen Bias für den MINT-Bereich haben. Ein Großteil der Fragen sind im Bereich Rechnen, Zahlenerkennung, Logik, Mustererkennung und räumliches Denken. Diese Bereiche machen bei vielen Tests 60-80% aller Punkte aus. Die restlichen Fragen sind meistens im Bereich des Sprachverständnisses und Wortschatzes, sowie in einer Form von Memory (also Dinge auswendig lernen). Allerdings sind auch im Bereich des Rechnens häufig Textaufgaben zu finden.

Ich denke, das Problem ist offensichtlich. Zum einen braucht man ein gutes Sprachverständnis für diese Tests. Ein Sprachverständnis, dass Kinder aus Akademikerfamilien eher mitbringen, als Kinder aus einem anderen Hintergrund. Zum anderen ist dort eben ein starker Fokus auf MINT. Und seien wir mal ehrlich. Wollen wir Kinder, die einfach nur in Mathe nicht gut sind, deswegen als weniger intelligent bezeichnen? Oder Kinder, die vielleicht eher eine sprachliche oder kreative Begabung haben?

Natürlich ist der Fokus auf MINT aus einer Perspektive verständlich. Bei MINT ist es leicht, eine Frage zu erfinden, bei der es ein klares „richtig oder falsch“ gibt. Jedenfalls, wenn wir es auf Basis der Schulmathematik betrachten. (Ich habe bereits das letzte Mal erwähnt: Viele Antworten der IQ-Tests sind aus Betrachtung der höheren Mathematik falsch.)

An dieser Stelle sei natürlich gesagt, es gibt mittlerweile eine Vielzahl von unterschiedlichen IQ-Tests. Häufig legen diese auch unterschiedliche Schwerpunkte. Es kann sein, dass jemand in einem IQ-Test einen IQ von 140 (überdurchschnittlich) hat. Im nächsten wiederum einen IQ von 90 (unterdurchschnittlich). Irgendetwas geht dort offensichtlich nicht mit rechten Dingen zu.

Doch auch andere Dinge zeigen sich deutlich: Menschen aus ärmeren Verhältnissen schneiden in der Regel schlechter ab, als reiche Menschen. Dies gilt besonders für Kinder. Bei diesen lässt sich auch beobachten, dass Kinder mit alleinerziehenden Eltern häufig schlechter abschneiden, als Kinder mit zwei Elternteilen. All dies spricht dagegen, dass es eine inhärente Intelligenz gibt. Andere Studien stärken diese These. Bei mehreren Studien wurde Studierenden eine finanzielle Belohnung für eine hohe Punktzahl im IQ-Test angeboten. Das Ergebnis: Die Studierenden, denen die finanzielle Belohnung angeboten wurde, schnitten im Schnitt 20 Punkte besser ab, als die Studierenden, denen diese Belohnung nicht angeboten wurde.

Darüber hinaus gibt es jedoch noch einen weiteren Faktor, der gegen die Validität von IQ-Tests spricht. Man kann für IQ-Tests üben. Es gibt eine bestimmte Art von Fragen, die sich durch alle IQ-Tests zieht und auf diese kann man sich vorbereiten. So ist es bei mir nicht verwunderlich, dass ich im Verlauf meiner Jugend mit jedem IQ-Test besser abgeschnitten habe. Ich hatte einfach mehr Übung. Und anders gesagt: Wer jetzt wirklich „hochbegabt“ sein will, bspw. um bestimmte Förderungen zu bekommen… Nun, der kann sich auch einfach wie auf jede schulische Prüfung auf den IQ-Test vorbereiten.

Soll heißen: IQ-Tests messen nicht die Intelligenz. Sie messen vor allem mathematisch-logische Fähigkeiten und einen gewissen Bildungsstand, sowie die Förderung, die Kinder im Elternhaus erhalten. Andere Begabungen werden aber nicht gemessen, auch weil sie nicht so leicht gemessen werden können.

Wie soll ein Test gestaltet werden, der spezifisch Sprachgefühl testet? Oder taktisches Denkvermögen? Wie will man Problemlösefähigkeiten messen? Oder Kommunikationsfähigkeit? Was ist mit emotionaler Intelligenz? Und was ist mit Kreativität? Sind all diese Themen nicht eigentlich auch ein Teil von „Intelligenz“?

Letzten Endes bringt einen das Thema IQ-Tests zu einem Ergebnis: Das gesamte Konzept „Intelligenz“ ist fragwürdig. Denn wie will man diese überhaupt definieren? Was ist „Intelligenz“? Aktuell wird „Intelligenz“ in Form von IQ vor allem benutzt, um das Trugbild der Meritokratie aufrecht zu erhalten. Die Vorstellung, dass unsere Gesellschaft Fähigkeiten belohnt. Und damit reiche Menschen es verdient haben, reich zu sein und arme Menschen es verdient haben, arm zu sein. Meritokratie wird durch den IQ-Test gestützt. Reiche Menschen schneiden dort besser ab, als arme Menschen. Da marginalisierte Menschen häufiger arm sind, sie also von denselben psychologischen Hindernissen, aber auch von einem Mangel an Förderung betroffen sind, schneiden auch sie bei IQ-Tests häufig schlechter ab.

Genau deswegen ist es wichtig, dass wir uns vom Konzept des „IQ“ abwenden. Er bringt uns weder als Personen, noch als Gesellschaft weiter. Er misst nicht die Intelligenz und wird stattdessen eingesetzt, um Unterdrückung zu begründen. Schluss damit, sage ich. Überdenkt das System neu. Intelligenz ist kein reales Konzept.

Gezeichnet,

Eine Person, die beim letzten IQ Test 152 Fantasiepunkte erreichte.

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