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Ein weißer Hintergrund, vor dem BLumen liegen. Rechts ist eine lila Katze mit einem trans pride Halsband, die eine Tastatur in der Pfote hält und mit der anderen den Mittelfinger zeigt.
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Ohne praktische Solidarität läuft’s nicht

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Eine bekannte linke Losung heißt: „Solidarität ist unsere Waffe“, und so richtig das auch ist, heißt es leider nicht, dass damit schon alles getan ist. Wenn wir von Solidarität sprechen, dann beziehen wir uns auf ein breites Feld an möglichen Interpretationen, was Solidarität bedeutet oder bedeuten kann. Für manche heißt Solidarität, sich zu organisieren und politische Arbeit zu machen. Für andere heißt es, ein ästhetisch ansprechendes Insta-Sharepic zu teilen oder einen Tweet zu schreiben. Wie gesagt – es ist ein breites Feld. In den nächsten Abschnitten werde ich mich auf dieses breite Feld wagen und es näher erkunden. Dabei durchlaufe ich insbesondere den Bereich zur Solidarität mit trans Personen.

Beginnen möchte ich mit meiner Erkundungstour auf Instagram. Spätestens seit dem letzten Jahr ist es dort immer populärer geworden, in der Insta-Story bunte Share-Pics mit Informationen zu teilen. Meistens haben diese die gleiche Struktur. Es wird ein politisches Ereignis beschrieben, damit zusammenhängende Machtverhältnisse angeschnitten und anschließend folgt der „Das-kannst-du-tun“-Abschnitt, in dem Ressourcen geteilt und auf Petitionen aufmerksam gemacht werden. Die Ästhetik der Designs dieser Posts erinnert oft an fröhlich-pastellfarbene Werbebilder. Bevor ich nun anfange, das Ganze auseinanderzunehmen, möchte ich anmerken, dass ich es prinzipiell gut finde, Wissen zugänglich zu machen. Gerade über Social Media können viele Personen erreicht werden und das nicht zu nutzen, wäre ein Fehler für eine linke Bewegung.

Und jetzt kommt das aber: Meistens bleibt es beim Teilen dieser netten Bildchen. Es erfolgt keine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema. Es erfolgen keine tatsächlichen Handlungen. Das wäre wohl auch zu viel verlangt, dann müsste schließlich mehr gemacht werden, als die eigene Reflektiertheit aufzuzeigen. Wenn ich dann am 31. März, dem Trans Day of Visibility sehe, wie Personen, die sonst aktiv trans Personen aus feministischen und linken Kontexten ausschließen, süße Share-Pics teilen, möchte ich gerne etwas gegen die Wand werfen.

Social Media bietet für viele Personen (gerade während der Pandemie, während der nicht mehr so gut in Kneipen am Tresen angegeben werden kann) einen idealen Ort zur Darstellung des Selbstbildes. In vielen linken Selbstbildern ist eingeschlossen, dass man (als nicht-betroffene Person) selbst nicht sexistisch, nicht rassistisch oder eben auch nicht transfeindlich sei. Schließlich hat man ja am TDOV zwei Sharepics – auf denen etwas so bahnbrechendes wie „Trans People Are Valid“ steht – geteilt, oder nicht?

Auf Twitter, wo ein etwas rauerer Wind weht, stechen mir dann immer wieder Posts von cis Personen ins Auge, in denen es heißt „Kill all TERFs“ oder Ähnliches. Manchmal wird auch mit transfeindlichen Personen (egal ob klar steht, dass diese ihre Positionen noch ändern würden oder nicht) diskutiert und es fliegen ordentlich die Fetzen. Das wird dann, wie die Insta-Sharepics, als Zeichen der Solidarität mit trans Personen gewertet.

So weit, so der kleine Erkundungsgang auf dem Feld, was einige cis Personen als Solidarität mit trans Personen verstehen. Und versteht mich bitte an dieser Stelle nicht falsch: Ich nehme alles, was ich kriegen kann. Mitten in einem internationalen Backlash gegen die Rechte von trans Personen klammere ich mich an jeden Grashalm, den ich finde.

Und jetzt wieder ein aber: Aber es reicht nicht aus. Solidarität mit trans Personen muss nämlich mehr als ein bisschen „online auf dicke Hose machen“ beinhalten. Solidarität wird erst dann schlagkräftig, wenn es sich um praktische Solidarität handelt. Trans Personen, denen von Rechten, von TERFs, vom Staat und leider auch von Linken tagtäglich Feindlichkeit in verschiedenen Formen entgegenschlägt, brauchen mehr als zwei Tweets gegen TERFs und ein Insta-Sharepic pro Kampftag für trans Personen. So stehen zum Beispiel trans Personen, die eine medizinische Transition anstreben, in Deutschland vor den entwürdigenden und kostspieligen Hürden des deutschen Staates. Um diese abzuschaffen, bräuchte es eine praktische Solidarität, die sich nicht nur im Internet abspielt. Und die sich nicht um Selbstdarstellung dreht, sondern sich darauf fokussiert, positive Veränderungen für trans Personen zu bewirken. Ein Tweet gegen TERFs zeigt vielleicht allen, was für ein krasser Typ du bist, ändert für trans Personen aber erstmal nicht wirklich was. Ebensowenig ein niedliches Sharepic. Es ist eher so das absolute Minimum dessen, was nötig ist – cool, du willst also nichts mit Personen zu tun haben, die ein Problem mit der Existenz von trans Personen haben. Einen winzigen Schritt weiter zu gehen, anstatt sich und die cis Friends für dieses Minimum abzufeiern, wäre zum Beispiel stattdessen einfach mal zu schauen, was trans Personen zu sagen haben. Meistens nämlich sehr viel, und meistens ist das auch etwas weiter gedacht als „Fuck TERFs“. Oder der Bestätigung, dass trans Personen valide sind. Eine wirkliche Veränderung fordert dann noch viel mehr.

Es fordert von solidarischen Linken, sich aus der eigenen Wohlfühlzone herauszugeben, transfeindlichen und cis-sexistischen Friends und Genoss*innen Widerworte zu geben und für trans Personen aktiv zu werden. In der Geschichte hat sich gezeigt, dass wirkliche Veränderungen sich nur durch Organisierung und Aufstände erwirken lassen. Ob Petitionen teilen, spenden, auf die Straße gehen oder Militanz, praktische Solidarität ist ein weites Feld, auf dem sich notwendigerweise ausgetobt werden muss.

Diese Notwendigkeit ist kein Konsens in linken und feministischen Kreisen. Gerade im letzten Monat wurde dies anhand verschiedener Diskussionen deutlich. Anstatt (potenzielle) Gemeinsamkeiten in feministischen und transfeministischen Kämpfen hervorzuheben, kam es an vielen Stellen zu Transfeindlichkeit und Cis-Sexismus gegen trans Personen. An manchen Stellen wurde infolgedessen auf Fehlerfreundlichkeit gepocht. Fehlerfreundlichkeit, würde ich an dieser Stelle gerne einwerfen, beinhaltet jedoch nicht, dass Ignoranz hingenommen werden muss.

Einer der Lieblingsbegriffe von Linken in derartigen Diskussionen ist die sogenannte „kritische Solidarität“. Man sei „kritisch solidarisch“, was meistens heißt, man versucht sich keinen allzu großen Stress zu machen, aktiv solidarisch zu sein und betont gerne die eigene Kritik. Dabei fällt dann unter den Tisch, dass eine tatsächliche kritische Solidarität eine radikale Inklusivität erfordert. Es ist noch lange keine Solidarität, lediglich auf den vermeintlichen Fehlern von trans Personen rumzureiten und dann (wenn überhaupt) am TDOV ein zwei Beträge von trans Personen zu teilen. Eine tatsächliche (meinetwegen auch kritische) Solidarität würde erfordern, dass es solidarische Aktionen gibt. Wenn ich nun weiter über das breite Feld der Solidarität laufen würde, gäbe es sicherlich noch mehr dazu zusagen. Jetzt habe ich erstmal genug, im Frühjahr plagt mich bei solchen Ausflügen leider meine Allergie. Vielleicht wird es ja im Laufe des Jahres besser, mit meiner Allergie, und mit der praktischen Solidarität. Beides würde ich auf jeden Fall sehr begrüßen

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