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Ein weißer Hintergrund, vor dem BLumen liegen. Rechts ist eine lila Katze mit einem trans pride Halsband, die eine Tastatur in der Pfote hält und mit der anderen den Mittelfinger zeigt.
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Queere Identität ist kein akademisches Hobby

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Anlässlich des 1. Mais geht es heute um queere Identität und ihr (vermeintliches) Verhältnis zum Klassenkampf. Immer wieder tauchen die wildesten bis (scheinbar) vernünftigen Positionen hinsichtlich der These, dass queere Identität eine rein akademische Geschichte sei, auf. Weit entfernt vom Klassenkampf und allem, was dazu gehört. Vielleicht habe es noch was mit Subkultur oder Tumblr zu tun, aber irgendwo müsse dann auch mal Schluss sein.

Zuerst will ich nicht bestreiten, dass queere Räume und Diskurse durchaus akademisch gesprägt sein können. Dies kann die Zugänglichkeit erschweren. Das bedeutet aber auch nicht, dass Klassenkampf kein Thema ist. Zu erklären, Arbeiter*innen können auf keinen Fall eigenständig Theorie lesen, wird ironischerweise häufiger in akademischen Kreisen vertreten. Anstatt zu schauen, was die Zugänglichkeit zu Diskussionen verbessern könnte, bleibt es häufig bei dieser falschen und paternalistischen Behauptung.

Vokabular ist nicht gleich Vokabular

Und wenn dann nun über akademisches Irgendwas gesprochen wird, wird häufig nicht erwähnt, was für ein „akademisch“ gemeint ist. Meistens ist damit Politikwissenschaft gemeint (vergessend, dass queere Themen auch dort nicht unbedingt zum Standradprogramm gehören). Akademisch kann aber  auch ein Studium, in dem queere Identität nie Thema ist, sein.
Damit einhergehend ignoriert die Kritik, dass das kritisierte Vokabular viel mehr queeres als akademisches Vokabular ist. Eben dieses queere Vokabular ist nicht einfach vom Himmel gefallen und queere Personen haben kein automatisches Wissen darüber. Es ist Vokabular, das in zahlreichen queeren Kämpfen für ein selbstbestimmtes Leben entstanden ist. Dadurch stellt es einen notwendigen Teil von Selbstbestimmung dar. So ein Vokabular ist notwendig, wenn wir über Macht- und Herrschaftsverhältnisse sprechen wollen. Vor großen Analysen gilt es, die Verhältnisse benennen zu können. Hier ist oft ein großer Unwillen zu erkennen, wenn es darum geht, die eigene positive Betroffenheit zu erkennen. Dies zeigt sich, wenn Menschen mal wieder cis als slur bezeichnen. Oder sich beispielsweise über den Ausdruck Allosexualität lustig machen. Diese Liste könnte ich natürlich noch endlos weiter führen.

Akademisch qua Identität.

Damit kommen wir zum nächsten Punkt. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass queere Identität bereits an sich etwas mit Dekonstruktion, mit Kritik von Cis-Heteronomativität und Ähnlichem zu tun habe. Quasi per Existenz eine akademische Angelegenheit sei. Das ist falsch. Als queere Person zu existieren, heißt zunächst vollkommen unabhängig von akademischen Kontexten zu existieren. Unsere Identitäten sind vielseitig, aber sie sind in dieser Existenz unabhängig. Es gab sie schon lange vor dem akademischen Interesse daran. Wer alles Queeres als akademisches Irgendwas abtut, negiert das die Existenz queerer Arbeiter*innen. Diese sind Teil queerer Kämpfe und Klassenkämpfe.

Stonewall war Klassenkampf!

Sowohl heute als auch in der Vergangenheit sind und waren queere Personen Teil von Klassenkämpfen. Und zwar nicht nur in der Rolle solidarischer Genoss*innen, sondern als ganz expliziter Teil der Kämpfe. Arbeiter*in und queer zu sein schließt sich nicht aus. In der Geschichte hat sich gezeigt, dass queere Identität häufig Einfluss auf den eigenen Stand in der Klassengesellschaft genommen hat. Und bis heute nimmt. Wenn wir an den Stonewall-Aufstand 1969 denken, sehen wir nur zu deutlich, dass es nicht nur queerer Kampf, sondern auch Klassenkampf war, der sich gegen herrschende Verhältnisse richtete. Stonewall keine Ausnahme, sondern lediglich ein Fall unter vielen. Bereits drei Jahre vorher gab es einen Aufstand von trans Frauen und Drag Queens in Compton’s Cafeteria (San Francisco’s Tenderloin) gegen die tägliche Schikane der Cops.

Um die beiden Punkte zu verknüpfen, bleibt anzumerken, dass die Aussage, queeres Vokabular sei zu akademisch, mal so eben unter den Tisch wirft, dass auch nicht-akademische queere Personen dieses Vokabular lernen. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass ich es lange vor meinem Studium gelernt habe. Als ich versuchte, meine sexuelle und geschlechtliche Identität zu verstehen und aus Solidarität mit anderen queeren Personen. Queeres Vokabular kann auch aus einem akademischen Kontext stammen. Dabei muss jedoch stets daran gedacht werden, dass auch an akademischen Schauplätze Kämpfe um queere Selbstbestimmung ausgetragen wurden. Selbstbestimmte Forschung ist Teil dessen.

Klassenkampf gegen Queerfeindlichkeit!

Wenn wir nun als Linke Klassenkampf machen (wollen), dann reicht es nicht abstrakt zu sagen: „Wir müssen queere Menschen miteinbeziehen!“. Wir sind schon seit langer, langer Zeit Teil dieser Kämpfe. Stattdessen gilt es gemeinsam zu handeln und Zugänglichkeit zu schaffen. Zu dieser Zugänglichkeit gehört dann zum einen, Inhalte auf vielfältige Weise zu vermitteln und keine rein-akademischen Zirkel zu bilden. Dazu gehört ebenso, sich selbst mit der eigenen Queerfeindlichkeit zu beschäftigen und aktiv solidarisch mit queeren Genoss*innen zu sein. Das Verhältnis von queerer Identität und Klasse gilt es theoretisch zu untersuchen, um dann eine Praxis des Klassenkampfes, der den Kampf gegen Queerfeindlichkeit miteinschließt, zu entwickeln. Viele queere Personen machen das übrigens schon ganz schön lange.

Um es mit Dog Park Dissidents zu sagen:

Queer lib is class struggle

Unless you’re livin’ in an airtight bubble

Seize the means on the double

If you got the money, honey, you’re in trouble

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