Ich habe gelesen. Ich habe am Wochenende dieses Buch auf den Tisch geschoben bekommen. Von einer Person, die ich bewundere und schätze. Für seinen Mut, für seine politische Arbeit, für seine Widerständigkeit. Für seine Zärtlichkeit, passende Namen zu geben.
Das war am Sonntag, heute ist Dienstag. Ich habe gelesen, ich habe dieses Buch gelesen, verschlungen, es kratzte auf dem Knochen und ging unter die Haut. Ich bin fertig geworden, ich habe es zur Seite gelegt. Neben den Laptop, neben mir schnurrt eine Katze, ansonsten ist es still. Nur meine Finger klackern auf der Tastatur, während ich schreibe. Das Buch heißt "Baby Butch" und es ist beeindruckend.
Die Geschichte ist schnell zusammengefasst, ich zitiere den Klappentext, um nicht zu spoilern:
Was hat das Einhorn mit der Jungfrau Maria zu tun und Feminismus mit Waffenexporten? Gibt es die unbefleckte Empfängnis wirklich, hilft BDSM gegen Polizeigewalt und was können trans Menschen erwidern, wenn sie mal wieder gefragt werden: „Was bist du?“
Spätsommer 2015, Berlin.
Während in Heidenau und Freital rassistische Mobs Geflüchtete angreifen, planen Steph, eine linksradikale Baby Butch, und Maria, eine kommunistische trans Frau, zusammen ein Kind zu bekommen. Mit Erfolg: Steph ist schwanger! Was als alternative Familiengründung geplant war, ist jedoch schnell ein Chaos aus Beziehungsgeflechten und Existenzängsten. Zwischen Demonstrationen, Polizeigewalt, Transition und Wohnungslosigkeit versucht eine Gruppe junger, impulsiver Queers, Kontrolle über ihr Leben zu behalten, während um sie herum die politische Lage längst außer Kontrolle geraten ist.
Erschienen ist es November 2019, Edition Assemblage.
Linke Zerrissenheit, die Gratwanderung zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen, Überforderungen und Kommunikationsverhalten. Scheiße sein - ohne es zu wollen, es trotzdem zu dürfen, geliebt zu werden und von Schuldgefühlen zerfressen. Politische Diskussionen, die unter die Haut gehen und zwischen die Beine treffen. Verzweiflung an Sonntagen und das Bedürfnis, die Welt sofort verändern zu wollen; Resignation und Ausgebrannt sein.
Wer sich in diesen Konstrukten wiederfindet, sollte dieses Buch lesen.
Die Charaktere sind nicht (nur) nett zueinander, sie sind menschlich, sie sind politisch, sie ziehen Grenzen. Trösten sich nicht, wenn es nur um Befindlichkeiten, eigene Privilegien geht. Das kann hart sein zu lesen, weil es wehtut, weil es der Protagonist_in damit im ersten Moment nicht gut geht. Aber es ist gleichzeitig ein Punkt, an dem sowohl die Reflektion von Lesenden, als auch der Protagonist_in angestoßen wird. Ohne, dass diese Trostlosigkeit, bewusste Empathielosigkeit die Beziehung der Protagonist_innen (zer)stört. Es ist keine heile Wohlfühlwelt, es ist die unsrige.
Eine Welt, in der Polizeigewalt und Rassismus eine Rolle spielen. Personen sich aufgrund von Sozialisierung und Privilegien so richtig scheiße verhalten können - und dennoch versuchen, das richtige zu tun. Es geht um Dysphorie und Unsicherheit, darum, welche Begriffe für welche Person passen.
Ob sie passend gemacht werden können. Ob sie uns überhaupt zustehen oder wir damit anderen etwas wegnehmen.
Es geht nicht darum, eine Lösung zu finden. Lou Conradi wirft Fragen auf, ohne selbst die Antworten geben zu können. Er gibt nur einen Ausblick auf mögliche Lösungen, aber er gibt kein Patent.
Romane sind auch nicht dazu gemacht, Patente zu vergeben. Gleichzeitig ist dieser hier so nah an meiner Realität, dass ich unbewusst doch nach möglichen Ideen für ein besseres Wir suche.
Ich zumindest habe es getan. Und war schlussendlich erleichtert, als mir keine einfache Lösung präsentiert wurde.
"Es gibt kein richtiges im Falschen", sagte einst Adorno, als er die Möblierung seiner Zeit kritisierte - auf der Metaebene bestimmt noch mehr, aber das würde zu weit führen. Ein geflügeltes Wort der Szene, ironisch und unironisch verwendet, zu allem passend (ungefähr so wie Salz - oder Pommes. Ja, sie schmecken auch mit Ahornsirup.)
"Baby Butch" zeigt eindringlich und dabei nicht abgehoben, intensiv und doch nicht wehleidig, wie richtig dieser Ausspruch immer noch ist. Vor allem, wenn es um trans Themen geht. Es gibt kein richtiges Leben im falschen Geschlecht. In dem, das mir zugeschrieben wurde. Gleichzeitig bleibt die Frage, ob denn "das falsche Geschlecht" zu sagen, mir überhaupt zusteht. Ob es denn nicht andere Personen gibt, denen es noch schlechter geht. Die große Frage der meisten Eier (ungeschlüpfte trans Person), die ich on- und offline getroffen habe. Auch euch möchte ich dieses Buch ans Herz legen. Ich möchte es allen trans Geschwistern und allen verzweifelten Queers der linken Szene geben.
Ich möchte mit euch einen Kuschelhaufen bilden und gemeinsam verzweifeln, während wir das "Gute Leben für Alle" erreichen wollen.
P.S.: Wenn sich das eigene Geschlecht nicht richtig (auf welche Art auch immer) anfühlt, ist es wahrscheinlich nicht das richtige.
Wenn ich darüber rede (oder schreibe) wie es ist, als ich zu leben, dann komme ich oft in die Situation, dass Menschen hilflos werden. „Ich würde dir so gerne helfen, aber...“, und dann schauen sie mich mit traurigen Dackelaugen an und ich frage mich, wobei mir diese Menschen denn helfen wollen. Aber meine Kommunikation ist ohnehin oft gestört.
Meistens geht es nämlich nicht darum, mir das Leben irgendwie zu erleichtern. Nein, sie wollen mich „gesund“ machen. Schließlich bin ich ja krank.
Nein. Ich bin gestört, nicht krank. Ich befinde mich auf dem Spektrum der Charakter- und Verhaltensweisen so weit abseits des als normal definierten Bereichs, dass es pathologisiert wurde. (Dabei ist die Art und Weise der Pathologisierung ein Problem für sich, aber das ist ein anderes Thema.) Der Unterschied liegt darin, dass Krankheiten eine andere Herangehensweise erfordern als Störungen. Meine Krankheiten sorgen dafür, dass es mir schlecht geht. Meine Störung sorgt dafür, dass es mir schlecht geht, weil ich anders bin – aber sie sorgt nicht aus sich selbst heraus dafür, dass es mir schlecht geht. Ich habe keinen Leidensdruck, der dafür sorgt, dass ich mich grundsätzlich als Problem wahrnehme – der kommt erst von außen. (Und ist mittlerweile dauerhaft da, aber auch das ist ein anderes Thema. Ich glaube, ich muss einen Fußnotenartikel zu diesem hier schreiben. Meine Güte.)
Ich bin Autist_in. Das nennt sich in offizieller Diagnostik dann "Autismus-Spektrum-Störung".
Ich bin auch krank. Ich habe Depressionen (wiederkehrende, seit mittlerweile anderthalb Jahrzehnten), körperliche Beschwerden dadurch, chronische Schmerzen. Das sind alles Sachen, bei denen ich tatsächlich Hilfe brauche – und sie mir auch einfordere. Beispielsweise durch den Nachteilsausgleich in der Uni oder durch den Antrag auf Schwerbehinderung. Aber auch dadurch, dass manchmal Umfeldmenschen für mich Dinge abholen oder ein Herzmensch mit mir rausgehen muss, weil es alleine nicht geht. Aber das meinen die Menschen meistens nicht, wenn sie mir so hilflos „helfen“ wollen.
Ihr wollt mich „gesund“ zaubern, obwohl ich gar nicht krank bin.
Ich bin anders, als es der Bereich des Spektrums vorsieht und das macht euch hilflos. Ihr könnt meine Realität nicht nachvollziehen und ihr stellt sie euch schrecklich vor. Glaube ich. Zumindest sorgt eure Reaktion dafür, dass ich das denke. Wenn ihr mir wirklich helfen wollt, dann macht eure Welt für mich inklusiver. Sorgt dafür, dass ich mich in Räumen wohlfühle. Sorgt dafür, dass es weniger überfordernde Situationen gibt und sprecht Klartext. Lasst mir Raum, wenn ich gerade in ein Loch stürze und erzählt mir nicht, ich „solle mich beruhigen“. Stellt meine Realität nicht in Frage. Glaubt mir, dass auch meine Emotionen valide sind.
Ich kann eure Realität auch nicht nachvollziehen. Aber im Gegensatz zu euch wurde mir beigebracht, dass ich deshalb ein Problem bin. Mir wurde beigebracht, dass ich mich ändern müsse, an die Norm anpassen und das ich erst, wenn ich das schaffe, ein Recht habe, mit euch zu interagieren. Gestört zu sein, ist ein Anpassungsurteil.
Nein. Das ist paternalisierender Bullshit. Ich habe das gleiche Recht darauf, mit euch zu leben, wie ihr auch. Ich bin nicht grundlegend falsch, nur anders.
Und euer Mitleid, eure Hilflosigkeit, die sorgen nur dafür, dass ich mich frage, was denn an meinem DaSein, meinem SoSein so unglaublich furchtbar sein soll, dass es solche Reaktionen hervorruft.
Ich bin nicht unglücklich damit, wie ich bin.
Ich bin nur anders als ihr.
Und dadurch, dass ich Psychiatrie und psychiatrische Pathologisierung aufgrund von systematischer Kritik begonnen habe, kritisch zu sehen, bin ich auch der Meinung, dass es auch für Menschen mit Störungen einen Umgang gibt. Einen Umgang, der nicht auf einem Machtgefälle zwischen pathologisierten und normativen Menschen beruht, sondern der einfach die Emotionen und Bedürfnisse aller Beteiligten akzeptiert.
Ich habe Verlustängste. In Gesellschaft genieße ich das Spotlight. Gleichzeitig nehme ich alle Reize viel intensiver wahr. Ich kann die Stimmungen anderer Menschen gut erkennen, aber ihre Intensität nicht nachvollziehen. Kommunikation muss klar, verständlich und deutlich sein. Ich habe gerne, viel und intensiv Sex. Und ich lebe polyamor.
Das alles sind Verhaltensweisen, die Diagnosen ausmachen. Die pathologisiert werden. Neurologisch gestört. Emotional gestört. Sucht es euch aus. Sexismus und Transfeindlichkeit machen auch vor der Psychiatrie nicht Halt.
Leider ist die Lösung für diese Bedürfnisse oft, dass ich sie rationalisieren und unterdrücken soll. Das empfinde ich als falsch. Es mag für diese Gesellschaft momentan funktionieren, aber ich finde auch diese Gesellschaft falsch.
Stattdessen bin ich für eine Kommunikation, in der ich alle Bedürfnisse erst einmal formulieren kann. In der die verschiedenen Bedürfnisse verhandelbar sind. Nein, mein(e) Gegenüber haben nicht die Pflicht, meine Bedürfnisse zu erfüllen. Sie dürfen jederzeit sagen, dass sie gerade nicht können oder wollen oder einfach Nein, ohne es zu begründen.
Aber ich möchte sie aussprechen können, bevor ich sie rationalisieren muss. Ich möchte sagen können: „Ich brauche gerade eine Person, die mich festhält.“, aber ohne, dass die andere Person in den Druck kommt, dieses Bedürfnis erfüllen zu müssen. Aber damit kann sie es erfüllen, wenn sie das möchte. Und andersherum sollte es genauso möglich sein – Formulierung von Bedürfnissen und vollständige Akzeptanz der jeweiligen Reaktion.
Dabei müssen dann die Bedürfnisse nicht mehr gewertet und analysiert werden. Sie sind erst einmal da und es kann ein Umgang damit gefunden werden. Ohne Pathologisierung, ohne Druck.
Und hinterher kann ich immer noch gucken, an welchen Sachen ich arbeiten möchte (z.B die Verlassensängste) und welche Sachen ich eigentlich voll in Ordnung finde (Polyamorie, BDSM, Sex). Was ich bearbeiten will, dass soll dann auch durch Therapeut_innen bearbeitet werden können – aber ohne Diagnose, ohne Pathologisierung, ohne „Du bist ein Problem.“.
Hübsche Wunschvorstellung, nicht?
Stell dir mal vor, du hast Geburtstag. Und ein anderer Mensch aus deinem Freundeskreis hat zufälligerweise auch am gleichen Tag Geburtstag. Aber dir wird nicht gratuliert, der anderen Person schon. Jedes Mal. Den ganzen Tag über.
Als du dann deine Freunde darauf ansprichst, kommt als Reaktion: „Aber, du warst doch mitgemeint! Hast du dich etwa nicht mitgedacht gefühlt?“
Fühlt sich nicht gut an? Ach.
Solange wir nicht eindeutig das sagen, was wir meinen, sondern davon ausgehen, dass andere Menschen hellsehen können und wissen, dass sie „mitgedacht“ sind, solange werden wir Menschen verletzen. Das müssen wir nicht einmal wollen. Unsere Intention ist dafür völlig unerheblich, was wir durch unsere Handlungen bei anderen Menschen auslösen.
So funktioniert Kommunikation: Ich kann nur bestimmen, was ich sage, nicht, was bei der anderen Person ankommt. Deshalb sollte ich mir auch überlegen, ob das, was ich sage, auch mit dem übereinstimmt, was ich sagen möchte.
Stattdessen wird auf die Gefühle der anderen Person gehofft, diese wird schon so fühlen, wie ich hoffe, dass sie fühlt.
In jeder anderen Situation wird auf genaue und vor allem ehrliche Kommunikation Wert gelegt, einfach weil Menschen eben nicht hellsehen können. Weil ich nicht wissen kann, ob deine Intention jetzt ist, mich auszuschließen, oder ob du mich „mitgedacht“ hast. Ich weiß nicht, an was du denkst. Will es auch gar nicht unbedingt wissen. Ich weiß nur, was du sagst und wenn ich darin keinen Platz habe, dann habe ich – rein faktisch – in deiner Kommunikation keinen Platz. Wie das in der Praxis aussehen kann, habe ich hier aufgeschrieben.
Ja, es ist anstrengend, sich genau zu überlegen, was jetzt ausgedrückt werden soll. Es verlangt, dass Menschen aus ihren bequemen Schubladen herauskommen und sich Gedanken darüber machen, was sie denn jetzt genau sagen wollen. Wo der kleinste gemeinsame Nenner der Menschen ist, die sie meinen. Aber es eröffnet gleichzeitig auch Möglichkeiten, präziser zu kommunizieren. Weil ab diesem Moment Leute nicht davon ausgehen können, dass die gesamte Leser_innenschaft weiß, was gemeint ist und damit gezwungen sind, sich genauer zu positionieren.
Zu sagen „aber ich habe dich mitgedacht!“ ist ein Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit, Menschen einzuschließen. Gleichzeitig wird diese Unfähigkeit aber auf die betroffene Person projiziert – anstatt die Fakten anzuerkennen, dass die Person hier ausgeschlossen wird, wird auf der emotionalen Ebene argumentiert „fühl dich halt mitgemeint!“.
In Debatten mit Emotionen zu argumentieren ist, egal auf welcher Art und Weise, kritisch.
(In Debatten, nicht in persönlichen Beziehungen, da ist das wichtig.) Plötzlich zählen nämlich die Emotionen mehr als tatsächliche Argumente. Das führt dann zu solchen Blüten wie dem allgemeinen „Sicherheitsgefühl“ der Deutschen, das seit Jahren abnimmt – obwohl die Kriminalstatistik dem gegenläufig ist. Menschen „fühlen sich bedroht“, wenn Geflüchtete nach Deutschland kommen – obwohl dafür kein objektiver Grund zu finden ist. Nazis argumentieren gerne mit diesem diffusen, völkischen Gefühl, welches „die Masse“ oder „das Volk“ haben soll – unbeachtet der tatsächlichen Möglichkeit, ob achtzig Millionen Menschen überhaupt fähig sind, ein gemeinsames Gefühl zu entwickeln.
Emotionen sind nicht belegbar und deshalb als Argument eine starke Waffe – so können sie auch nicht widerlegt werden. Allerdings geht es auch nicht darum, Menschen ihre Gefühle und Erfahrungen abzusprechen – da sind Emotionen ebenso angebracht, wie in persönlichen Auseinandersetzungen.
Es geht darum, dass Menschen Emotionen zugeschrieben werden, die sie haben sollen. Nazis schreiben „dem deutschen Volk“ die Emotion der Angst zu, wenn es um Geflüchtete geht.
Menschen, die ausschließende Sprache benutzen, schreiben den Betroffenen das Gefühl zu, trotzdem „mitgedacht“ zu sein. Die Zuschreibung von Gefühlen kann sowohl im positiven, als auch im negativen Kontext verwendet werden, abhängig davon, was die zuschreibende Person erreichen möchte.
Ausschließende Menschen möchten mit dieser Zuschreibung erreichen, dass ihre eigenen Handlungen in den Hintergrund rücken. Denn schließlich ist jetzt nicht mehr die Handlung das zur Disposition stehende Objekt, sondern die Gefühle der Betroffenen.
Nazis wollen mit diesem „Angstgefühl“, welches sie Menschen zuschreiben, ein Druckmittel erzeugen, gegen das mit rationalen Argumenten nicht vorgegangen werden kann.
Grundsätzlich kann nur eine einzige Person über ihre jeweiligen Gefühle sprechen – und das ist die Person, zu der die Emotionen gehören. Anderen Menschen steht es nicht zu, einer Person Gefühle ab- oder zuzusprechen. Sie können sie weder nachvollziehen, noch widerlegen. Emotionen sind etwas zutiefst subjektives. So sollten sie auch behandelt werden. Das macht sie nicht weniger real oder valide, aber es nimmt ihnen den absoluten Charakter in einer Argumentation. Zwei Personen können in einer Situation komplett gegensätzliche Emotionen empfinden – das macht ihre jeweiligen Empfindungen aber nicht weniger real. Sie sollten sie nur nicht verwenden, um die andere Person davon zu überzeugen, dass eine der Empfindungen „richtiger“ ist als die andere.
Beide Emotionen sind richtig. Sind real und valide. Beide sind Kommunikationsmittel in einer persönlichen Kommuikation, um der anderen Person die eigene Sichtweise zu erklären.
Aber keine ist ein absolutes Argument zur Einschätzung der Situation.
Gerade wenn es um Diskriminierungen geht, stellen diese häufig einen subjektiven Charakterzug, eine Emotion, dar: Personen „fühlen“ sich diskriminiert, Frauen „fühlen“ sich sexistisch beleidigt, trans Menschen „fühlen“ sich nicht mitgedacht, Behinderte „fühlen“ sich ausgeschlossen.
Das nimmt der Diskriminierung den strukturellen Charakter und macht sie zu etwas Individuellem – weil andere Menschen mit den gleichen Voraussetzungen fühlen sich in der gleichen Situation vielleicht anders. Diese werden dann gerne als Beispiel herangezogen, um die Diskriminierung zu entwerten. „Meine Freundin fand den Witz aber lustig!“, „Mein Schwarzer Nachbar findet das N-Wort gar nicht so schlimm!“, usw. Damit steht das Aussage gegen Aussage oder eben Gefühl gegen Gefühl – und die Handlung als solche (sowie die handelnde Person) werden aus der Verantwortung herausgenommen.
Die Betroffenen dürfen sich dann schön über ihre jeweiligen Gefühle streiten, anstatt die konkrete Handlung (und die damit verbundene, strukturelle Diskriminierung) zu kritisieren.
Wenn ich von Menschen ausgeschlossen werde, dann werde ich ausgeschlossen. Ich „fühle“ mich vielleicht auch ausgeschlossen, vielleicht aber auch nicht. Mein Gefühl ist für die gegenwärtige Situation unerheblich, es beeinflusst höchstens meine Gedanken oder mein Verhalten in der Situation.
Die Situation als solche ist erst einmal interpretierbar.
Die Tatsache, dass Menschen ausgeschlossen werden, können auch Personen kritisieren oder unterstützen, welche nicht selbst betroffen sind. Das ist gut, denn so können mehrere verschiedene Blickwinkel auf die gleiche Situation erschaffen werden. Situationen haben den Vorteil, dass Menschen sie vergleichen können und betrachten. Sie sind interpretierbar, diskutabel, sowohl unterstützend, als auch kritisierend, einzelne Handlungen hinterfragend. Das ist möglich, weil Situationen als solche grundsätzlich Fakten darstellen. Intentionen, verschiede Interpratationsmöglichkeiten, Sichtweisen, das ist alles diskutabel, aber die eigentliche Situation stellt erst einmal einen Fakt dar.
Mensch 1 hat x getan. Mensch 2 hat y getan. Darüber lässt sich dann sprechen.
Bei meinen Emotionen können Menschen das nicht. Sollen sie auch nicht. Nicht ihr Business.
Menschen sollten für ihre Handlungen Rechenschaft ablegen müssen, nicht für ihre Gefühle oder ihre Intentionen.
Und das zeigt sich auch in der Sprache – wenn ihr Menschen nicht ausschließen wollt, dann tut es nicht, anstatt hinterher von Betroffenen zu erwarten, sich „mitgedacht“ zu fühlen!