Autor: Fluff

  • Privates ist politisch!

    oder: Warum ein Outcall kein privates Beziehungsdrama ist.

    Dieser Text ist beisipelhaft. Es ist eine Situation, aber ich habe in den letzten Jahren viele dieser Situationen erlebt. Monis Rache war die bekannteste davon. Privates, übergriffiges Verhalten bleibt in den meisten Fällen… privat. Selbst wenn Betroffene sich finden.

    Ich habe einen Tüpen outcallt, der über mehr als vier Jahre mit seiner (mittlerweile Ex-) Freundin eine monogame Beziehung führte. Sie wohnten seit etwas über einem Jahr zusammen.
    Er schrieb mit C. mehr als neun Monate lang persönliche Nachrichten, baute eine emotionale Bindung auf – und verschwieg seine Freundin. Sogar die Möglichkeit einer Beziehung, jedoch keiner Fernbeziehung, war im Gespräch. Er schrieb mit mir über zwei Monate hinweg, wollte Nudes (und erhielt welche) – und verschwieg mir seine Freundin. Mit Nummer drei (deren Identität wir bewusst nicht veröffentlichen) schrieb er mehr als vier Monate, baute eine emotionale Bindung auf. Psychospielchen mit einer labilen Person inklusive – und seine Freundin verschwieg er. Es soll auch noch eine Nummer vier gegeben haben, mit der das Ganze noch intensiver ablief als mit uns dreien.

    Systematik

    Seine Art und Weise, sein Umgang hatte System. Es begann mit netten Gesprächen, zum Teil sehr persönlichen Themen. Privates wurde schnell besprochen und er erhielt intime Informationen. Er war ein guter Zuhörer, supportive und bestärkend. Psychische Probleme schienen ihm nicht fremd, aber er wollte nicht therapieren. Später jedoch übte er Druck aus, um die Frauen an sich zu binden. Er schrieb beispielsweise, dass er den Selbsthass der jeweiligen Frau nicht mehr ertrage, weil sie ihre Großartigkeit nicht sehen würde. Oder das sie zu weit in seine Psyche vorgedrungen sei und er deshalb den Kontakt abbrechen müsste. Ziel des Ganzen schien – im Kontext betrachtet – die Frauen zum Bitten zu bewegen und zur Unterwerfung. Sie sollten sich darum bemühen, die Beziehung zu erhalten und sich „bessern“, ergo nach seiner Pfeife tanzen.

    Dabei war er nicht ungeschickt – ohne Kontext ist das System nur schwierig zu durchschauen gewesen. Vor allem, da es um persönliche Sichtweisen, um Emotionen und auch um psychische Krankheiten ging. Privates eben, das Menschen nicht unbedingt mit anderen teilen.

    Drei der fünf Frauen kannten sich übrigens, waren teilweise befreundet. Zwei wussten von dem Kontakt, unterhielten sich auch darüber. Konkurrenz entstand nicht, was bei der späteren Konfrontation dann zu großem Erstaunen führte. Nein, wir kratzen uns nicht wegen eines Tüpen die Augen aus, besten Dank!

    Die Situation (und zumindest ein Teil der Größenordnung) flog schließlich auf. Ich entschied ich mich (in Kommunikation mit einer weiteren betroffenen Frau) für einen Outcall. Mir wurde vorgeworfen, es sei ein Racheakt, weil mich die „Liebe meines Lebens betrogen hätte“. Ich würde ihn dafür bestrafen, nicht perfekt zu sein. Seine politischen Ideale kurz aus den Augen verloren zu haben. Ich würde übertreiben. Oder lügen.

    Privates und Politik

    Wir bewegen uns in politischen Kontexten. Wo ich an Menschen, die sich als Feminist_innen, Anarchist_innen, Antifaschist_innen bezeichnen, auch einen gewissen Anspruch habe. Privates ist politisch. Ich kann keiner Person vertrauen, die nach innen ihre gesamten Moralvorstellungen über den Haufen wirft und ignoriert. Es ist nicht nur ein moralisches Fehlverhalten, es ist ein moralisches Fehlverhalten in einem Kontext. Er hat sich gleichzeitig darüber definiert, für die Gleichberechtigung von Frauen, für Antifaschismus und für freiheitliche Lebensentwürfe zu stehen.

    „Antifa heißt mehr als Nazis jagen…“ – vielleicht. Darüber lässt sich streiten. Aber spätestens, wenn Menschen sich explizit als Feminist_innen bezeichnen, dann ist es mehr als „Nazis jagen“. Dann gilt es, diesen Anspruch auch an sich selbst umzusetzen.
    Es ist anstrengend, sich zu reflektieren und zu überlegen, wo das eigene Verhalten problematisch sein könnte. Oder auf Kritik zu hören, vor allem, wenn sie nicht nett daherkommt, sondern als aggressive Vorwürfe.

    Hier allerdings ist es kein sexistischer Spruch, sondern ein System, das mindestens über neun Monate hinweg bestand und gepflegt wurde. Das ist kein „Versehen“ oder „Fehlverhalten“, das ist systematisch. Und gegen systematischen Sexismus, gegen systematische Ausnutzung von Frauen zu sein, das hat einen Namen: FEMINISMUS.

    Und deshalb ist mein Outcall auch kein „Beziehungsdrama“, sondern der politische Outcall eines Sexisten.

    Schweigen

    Wir können nicht nach außen hin uns für Feminismus einsetzen und im Privatleben die schlimmsten Sexisten sein. Wer sich als Feminist labelt, der sollte dies auch versuchen umzusetzen. Ich erwarte keine Perfektion. Wir lernen alle. Dauerhaft.

    Ich erwarte, dass systematische Ausnutzung von Frauen erkannt und verurteilt wird. Es ist Sexismus. Und ich erwarte, dass eine Szene, die sich als feministisch versteht, keine Sexisten in ihren Reihen duldet!

    Die Realität sieht leider anders aus, es wurde sich wahlweise solidarisiert oder der Mund gehalten. Das macht mich traurig, auch wenn es zu erwarten gewesen war.
    Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Text veröffentlichen werde. Ich musste darüber nachdenken , welche niederen Beweggründe mir unterstellt werden könnten. Nachtreten? Ich habe ja schon seine Onlinepräsenz zerstört. Spaltung? Ich könnte ja ein Statement erwarten. Pathologisierung? Immerhin bin ich psychisch krank, daran muss es liegen!

    Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass mich die Bigotterie dieser Szene so viel Energie kostet, die ich eigentlich in positive Arbeit stecken könnte. Dieser Text wird öffentlich sein. Vielleicht nicht heute. Aber bald.

  • Komplimente und Abwertung – muss das sein?

    „Du kannst das ja tragen“, „Du siehst doch gar nicht schlecht aus!“, „Dafür hast du aber auch die richtige Figur!“ – Komplimente, die keine sind. Oder sein sollten. Jeder einzelne dieser Sätze läuft darauf hinaus, dass irgendeine andere Person etwas nicht tragen, schlechter aussehen oder die falsche Figur haben könnte. Vor allem das erste und das letzte „Kompliment“ zeichnen sich durch eine Kategorisierung in „richtig“ und „falsch“ aus. Wenn DU es tragen kannst, dann muss es die Möglichkeit geben, dass es untragbar wäre. Wenn DU die richtige Figur hast, braucht es das Gegenbild einer falschen Figur.

    Patriarchale Erwartungen

    Normschönheit ist vor allem ein Anspruch an Frauen. Aber auch nichtbinäre Personen und Männer erleben diese Erwartungshaltung. Gerade bei trans und gendernonconformen Personen kann sie zu körperlicher Dysphorie führen. Bereits im frühen Kindesalter wird darauf geachtet, wie Mädchen sind, sein sollen, sich zu kleiden und zu benehmen haben. Teilweise, was sie essen, dass sie auf keinen Fall zu viel essen dürfen, angemessen Sport treiben sollen – aber nur den, der sie nicht muskulös macht! Normschönheit, das bezeichnet weiße, dünne, cis Frauen. Lange Haare, symmetrisches Gesicht. Sportlich, aber nicht muskulös. Flacher Bauch, weder schwabbelige Arme, noch Oberschenkel. Glatte Haut. Enthaart.
    Die Anforderungen sind unmöglich zu schaffen. Ich persönlich bin noch keiner Frau begegnet, die ihr Leben lang ihren Körper akzeptiert hat.

    Diese Akzeptanz (nein, eins muss den eigenen Körper nicht lieben oder feiern oder ehren. Ihn nicht zu hassen ist völlig ausreichend) wurde entweder durch Resignation (ich kann ohnehin nichts ändern), feministischen Anspruch (ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich auszusehen habe) oder die Bewusstwerdung, im Spektrum der Normschönheit zu sein, erreicht.
    Teilweise natürlich mehrere Aspekte parallel.

    Gerade in linken Kontexten ist die grundsätzliche Ablehnung von Schönheitsidealen oberflächlich weit verbreitet. „Tragt doch, was ihr wollt!“ und „Alle Körper sind schön!“ sind zwar hübsche Parolen, aber inhaltsleer. Schönheit ist ein Konstrukt, welches grundsätzlich über Abwertung funktioniert – wenn ich schön bin, dann muss irgendetwas hässlich sein. Die Vorstellung der Schönheit braucht das Gegenteil, braucht das Hässliche. Anstatt dieses Prinzip also einfach auszuweiten und alle Menschen und Körperformen mit aufzunehmen, wäre eine grundsätzliche Dekonstruierung des Prinzips angebracht. Menschen sollen sich schön fühlen, aber sie müssen nicht schön sein.

    Komplimente hinterfragen

    Dazu gehört aber auch, die eigenen Komplimente zu überdenken. Schaffen wir es, Komplimente zu machen, ohne andere Menschen abzuwerten? Wie machen wir Komplimente?

    Es gibt grundsätzlich zwei Formen von Komplimenten: Die, die auf Dinge abzielen, die eine Person nicht oder nur schwer verändern kann (Figur, Augen, Lippen, Länge der Beine, Gewicht, Brüste, Stimme, Lachen…) und solche, die eine Person bewusst gewählt hat (Kleidung, Piercings, Tattoos, Nagellack, Make-Up, Schuhe…). Die erste Form ist nur schwer ohne Abwertung zu erreichen, weil es immer um eine Bewertung in Abhängigkeit von Dritten oder geltenden Schönheitsidealen geht. Eine schöne Figur ist meistens auch eine schlanke, oder zumindest nicht allzu kurvige Figur. Das ist das Ideal. Das ist uns allen internalisiert, weil wir hier aufgewachsen sind und uns die gesamte Gesellschaft von Anfang an suggeriert, dass das UND NUR DAS schön sein.

    Es ist ein weißes, cissiges, rassistisches Ideal. In Asien werden Cremes verkauft, welche die Haut heller bleichen. Damit soll dem westlichen, europäischen Schönheitsideal näher gekommen werden. Trans Frauen werden in vielen Kontexten nur dann akzeptiert, wenn sie „stealth“ leben, sich also (optisch) nicht von cis Frauen unterscheiden. Gleichzeitig wird ihnen vorgeworfen, sie würden „Klischees der Weiblichkeit“ zementieren. Doch über das Dilemma von transfemininen Personen im Patriarchat geht es in anderen Artikeln, hier beispielsweise.

    Normschönheit und Präferenzen

    Individuelle Präferenzen können natürlich abweichen und ich möchte Menschen auch gerne glauben, dass sie das schön finden, was nicht normschön ist, aber grundsätzlich ist Schönheit an die Norm gekettet, weil unser aller Vorstellung von Schönheit sich an der Normschönheit und dem Ideal orientiert.

    Wenn Menschen aber Komplimente für Dinge bekommen, auf die sie selbst unmittelbaren Einfluss nehmen konnten (der nicht, wie im Fall von Gewicht und Figur, erst mehrere Monate Quälerei und Verzicht bedeutete), dann sind die Komplimente direkter und weniger an das Ideal gebunden – und die Person kann sich mehr freuen, weil ihre persönliche Entscheidung bemerkt worden ist.
    Dabei aber bitte dennoch darauf achten, dass ein „Das Kleid ist toll!“ immer noch etwas anderes ist als ein „Das Kleid kannst du aber tragen!“ – das erste ist erst einmal eine Beschreibung des Kleides, das zweite erst einmal eine Reduzierung der Person – und eine Abwertung aller Menschen, die das Kleid nicht tragen könnten. (Also all jener, die drin – nach herrschender Norm – scheiße aussehen würden)

    Wir können alle Kleider tragen. Über den Kopf ziehen und gut ist. Wenn dir also das Kleid an einer Person gefällt, kannst du sie darauf ansprechen, dass das Muster toll ist oder der Schnitt. Nicht alle Muster und Schnitte sehen an allen Menschen gut aus. Das ist okay. Es muss auch nicht alles gefallen, was ein Mensch trägt – das ist auch okay.

    Aber wenn dir etwas gefällt, dann überlege dir bitte, wie du es der Person mitteilen möchtest. Und ob deine Aussagen gerade andere Leute unter den Bus werfen. Achtsamkeit und so.

  • white knights – Der Drache ist die bessere Alternative

    Kennen wir doch alle, das Märchen. Die Jungfrau, die vom Drachen entführt wurde und der weiße Ritter, der auszieht, sie zu retten. Wahlweise auch das „Ollowain“ Prinzip, nach dem weißen Ritter der Königin in den „Elfen“-Büchern von Bernhard Hennen.
    Aufopfernd treu für seine Königin, moralisch allen Feinden überlegen und stets der Held in glänzender Rüstung. White knights eben.

    Dieses Phänomen gibt es nicht nur im Märchen, sondern auch in ganz alltäglichen Situationen. Vor allem, wenn es gegen andere Männer geht, sind die white knights meist ganz vorne dabei, mich (oder Frauen) retten zu wollen.

    white knights

    Ich erzähle von einer sexistischen Situation und habe gleich fünf männliche Wesen an mir, die mir versichern, dass mit ihnen an meiner Seite, mir das niemals passiert wäre. Denn sie hätten da sofort eingegriffen und dem Sexisten die Leviten gelesen. Oder ihn geboxt. Oder sonst irgendetwas getan.

    Sie haben nicht nach meiner Einschätzung der Situation gefragt oder wie ich die Sache geregelt habe. Es wird sich instant schützend vor mich geworfen – sinnfreierweise, da die Situation ja dann bereits vorbei war.

    Aber auch in den betreffenden Situationen handeln white knights, ohne meine Rückmeldung einzuholen, ohne mir Handlungsspielraum zu lassen. Ihre Devise ist, die schutzlose Jungfrau (haha) vor allem Übel zu bewahren, völlig ungeachtet der Meinung der betreffenden Person.

    Solidarität

    Der Unterschied zwischen Solidarität, die ich mir wünschen würde, und den weißen Rittern? Solidarität kommt von sich aus, verlangt keine Belohnung und existiert unabhängig von der betroffenen Person, alleine um der Vermeidung der Reproduktion von Diskriminierung willen.

    Weiße Ritter wollen aber Lob für ihr Verhalten, wollen damit etwas (sei es Zuneigung oder politische Stabilität) beweisen und erwarten im Gegenzug etwas (meist Zuneigung, Bewunderung oder eine „Freikarte“ für sexistisches Verhalten in der Zukunft).

    Solidarische Menschen sind solidarisch (ohne Hintergedanken) und das, indem sie einfach konkret in der Situation etwas tun. Weiße Ritter zeichnen sich meistens dadurch aus, dass sie hinterher mit ganz vielen Ideen kommen, wie sie die Situation geregelt hätten. Solidarität kann auch sein, sich hinterher mit mir solidarisch zu zeigen, zu sagen, dass Aktion X so nicht okay war oder der Person mitzuteilen, dass sie gerade Scheiße gebaut hat. Dabei wird auf meine Wünsche (oder die jeder anderen betroffenen Person) Rücksicht genommen. Solidarität läuft in meinem Rücken ab, mich unterstützend.

    politische Objektifizierung

    Weiße Ritter werfen sich schützend VOR die betroffene Person, fällen ihre eigenen Entscheidungen und erwarten hinterher Lob für ihr Eingreifen. Dabei ignorieren sie im extremsten Fall den Willen der betroffenen Person und handeln konträr dazu. Voll Selbstgerechtigkeit, ob ihrer eigenen, selbstlosen Handlung. Weiße Ritter agieren vor der Person. Selbstgerecht, eitel und voll als Hilfsbereitschaft getarntem Egoismus. Das Verhalten unserer Ritter ist schlussendlich auch nur die Reproduktion von Sexismus. Die betroffene Person wird weder ernst genommen, noch wird ihr zugetraut, dass sie mit der Situation alleine zurecht gekommen wäre.

    Die Prinzessin ist niemals Subjekt ihrer Rettung, sondern stets (Prestige)objekt des Retters. Es geht um die Rettung, die Gerettete ist dabei unerheblich. Sie dient maximal noch als Anreiz der Rettung. Sie ist „Beute“ oder „Gewinn“, den die erfolgreiche Rettung mit sich bringt.

    Wie aber hält eins solidarische Personen und weiße Ritter auseinander? Indem eins die betroffene Person vor einer Handlung erstmal fragt. Und dann auf die betroffene Person gehört wird. Es kann auch solidarisch sein, die betroffene Person vor der Auseinandersetzung mit Täter_innen zu schützen und somit vor der Person zu agieren. Das muss aber abgesprochen sein und auf den Wunsch der betroffenen Person geschehen. Nicht ungefragt und nicht mit einer Erwartungshaltung.

    Ihr seid keine coolen Dudes, wenn ihr ungefragt meine Kämpfe kämpft. Es ist nur eine andere Form davon, mich klassischerweise an den Herd zu fesseln.

  • Mitgedacht reicht nicht!

    Stell dir mal vor, du hast Geburtstag. Und ein anderer Mensch aus deinem Freundeskreis hat zufälligerweise auch am gleichen Tag Geburtstag. Aber dir wird nicht gratuliert, der anderen Person schon. Jedes Mal. Den ganzen Tag über.
    Als du dann deine Freunde darauf ansprichst, kommt als Reaktion: „Aber, du warst doch mitgemeint! Hast du dich etwa nicht mitgedacht gefühlt?“
    Fühlt sich nicht gut an? Ach.

    emotionales Hellsehen

    Solange wir nicht eindeutig das sagen, was wir meinen, sondern davon ausgehen, dass andere Menschen hellsehen können und wissen, dass sie „mitgedacht“ sind, solange werden wir Menschen verletzen. Das müssen wir nicht einmal wollen. Unsere Intention ist dafür völlig unerheblich, was wir durch unsere Handlungen bei anderen Menschen auslösen.
    So funktioniert Kommunikation: Ich kann nur bestimmen, was ich sage, nicht, was bei der anderen Person ankommt. Deshalb sollte ich mir auch überlegen, ob das, was ich sage, auch mit dem übereinstimmt, was ich sagen möchte.
    Stattdessen wird auf die Gefühle der anderen Person gehofft, diese wird schon so fühlen, wie ich hoffe, dass sie fühlt.

    In jeder anderen Situation wird auf genaue und vor allem ehrliche Kommunikation Wert gelegt, einfach weil Menschen eben nicht hellsehen können. Weil ich nicht wissen kann, ob deine Intention jetzt ist, mich auszuschließen, oder ob du mich „mitgedacht“ hast. Ich weiß nicht, an was du denkst. Will es auch gar nicht unbedingt wissen. Ich weiß nur, was du sagst und wenn ich darin keinen Platz habe, dann habe ich – rein faktisch – in deiner Kommunikation keinen Platz. Wie das in der Praxis aussehen kann, habe ich hier aufgeschrieben.

    präzise Sprache

    Ja, es ist anstrengend, sich genau zu überlegen, was jetzt ausgedrückt werden soll. Es verlangt, dass Menschen aus ihren bequemen Schubladen herauskommen und sich Gedanken darüber machen, was sie denn jetzt genau sagen wollen. Wo der kleinste gemeinsame Nenner der Menschen ist, die sie meinen. Aber es eröffnet gleichzeitig auch Möglichkeiten, präziser zu kommunizieren. Weil ab diesem Moment Leute nicht davon ausgehen können, dass die gesamte Leser_innenschaft weiß, was gemeint ist und damit gezwungen sind, sich genauer zu positionieren.

    Zu sagen „aber ich habe dich mitgedacht!“ ist ein Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit, Menschen einzuschließen. Gleichzeitig wird diese Unfähigkeit aber auf die betroffene Person projiziert – anstatt die Fakten anzuerkennen, dass die Person hier ausgeschlossen wird, wird auf der emotionalen Ebene argumentiert „fühl dich halt mitgemeint!“.

    Emotionalität statt Rationalität

    In Debatten mit Emotionen zu argumentieren ist, egal auf welcher Art und Weise, kritisch.
    (In Debatten, nicht in persönlichen Beziehungen, da ist das wichtig.) Plötzlich zählen nämlich die Emotionen mehr als tatsächliche Argumente. Das führt dann zu solchen Blüten wie dem allgemeinen „Sicherheitsgefühl“ der Deutschen, das seit Jahren abnimmt – obwohl die Kriminalstatistik dem gegenläufig ist. Menschen „fühlen sich bedroht“, wenn Geflüchtete nach Deutschland kommen – obwohl dafür kein objektiver Grund zu finden ist. Nazis argumentieren gerne mit diesem diffusen, völkischen Gefühl, welches „die Masse“ oder „das Volk“ haben soll – unbeachtet der tatsächlichen Möglichkeit, ob achtzig Millionen Menschen überhaupt fähig sind, ein gemeinsames Gefühl zu entwickeln.

    Emotionen sind nicht belegbar und deshalb als Argument eine starke Waffe – so können sie auch nicht widerlegt werden. Allerdings geht es auch nicht darum, Menschen ihre Gefühle und Erfahrungen abzusprechen – da sind Emotionen ebenso angebracht, wie in persönlichen Auseinandersetzungen.
    Es geht darum, dass Menschen Emotionen zugeschrieben werden, die sie haben sollen. Nazis schreiben „dem deutschen Volk“ die Emotion der Angst zu, wenn es um Geflüchtete geht.

    mitgedacht statt benannt

    Menschen, die ausschließende Sprache benutzen, schreiben den Betroffenen das Gefühl zu, trotzdem „mitgedacht“ zu sein. Die Zuschreibung von Gefühlen kann sowohl im positiven, als auch im negativen Kontext verwendet werden, abhängig davon, was die zuschreibende Person erreichen möchte.
    Ausschließende Menschen möchten mit dieser Zuschreibung erreichen, dass ihre eigenen Handlungen in den Hintergrund rücken. Denn schließlich ist jetzt nicht mehr die Handlung das zur Disposition stehende Objekt, sondern die Gefühle der Betroffenen.
    Nazis wollen mit diesem „Angstgefühl“, welches sie Menschen zuschreiben, ein Druckmittel erzeugen, gegen das mit rationalen Argumenten nicht vorgegangen werden kann.

    Grundsätzlich kann nur eine einzige Person über ihre jeweiligen Gefühle sprechen – und das ist die Person, zu der die Emotionen gehören. Anderen Menschen steht es nicht zu, einer Person Gefühle ab- oder zuzusprechen. Sie können sie weder nachvollziehen, noch widerlegen. Emotionen sind etwas zutiefst subjektives. So sollten sie auch behandelt werden. Das macht sie nicht weniger real oder valide, aber es nimmt ihnen den absoluten Charakter in einer Argumentation. Zwei Personen können in einer Situation komplett gegensätzliche Emotionen empfinden – das macht ihre jeweiligen Empfindungen aber nicht weniger real. Sie sollten sie nur nicht verwenden, um die andere Person davon zu überzeugen, dass eine der Empfindungen „richtiger“ ist als die andere.

    Diskriminierungserfahrungen

    Beide Emotionen sind richtig. Sind real und valide. Beide sind Kommunikationsmittel in einer persönlichen Kommuikation, um der anderen Person die eigene Sichtweise zu erklären.
    Aber keine ist ein absolutes Argument zur Einschätzung der Situation.

    Gerade wenn es um Diskriminierungen geht, stellen diese häufig einen subjektiven Charakterzug, eine Emotion, dar: Personen „fühlen“ sich diskriminiert, Frauen „fühlen“ sich sexistisch beleidigt, trans Menschen „fühlen“ sich nicht mitgedacht, Behinderte „fühlen“ sich ausgeschlossen.

    Das nimmt der Diskriminierung den strukturellen Charakter und macht sie zu etwas Individuellem – weil andere Menschen mit den gleichen Voraussetzungen fühlen sich in der gleichen Situation vielleicht anders. Diese werden dann gerne als Beispiel herangezogen, um die Diskriminierung zu entwerten. „Meine Freundin fand den Witz aber lustig!“, „Mein Schwarzer Nachbar findet das N-Wort gar nicht so schlimm!“, usw. Damit steht das Aussage gegen Aussage oder eben Gefühl gegen Gefühl – und die Handlung als solche (sowie die handelnde Person) werden aus der Verantwortung herausgenommen.
    Die Betroffenen dürfen sich dann schön über ihre jeweiligen Gefühle streiten, anstatt die konkrete Handlung (und die damit verbundene, strukturelle Diskriminierung) zu kritisieren.

    Wenn ich von Menschen ausgeschlossen werde, dann werde ich ausgeschlossen. Ich „fühle“ mich vielleicht auch ausgeschlossen, vielleicht aber auch nicht. Mein Gefühl ist für die gegenwärtige Situation unerheblich, es beeinflusst höchstens meine Gedanken oder mein Verhalten in der Situation.
    Die Situation als solche ist erst einmal interpretierbar.

    Allyship

    Die Tatsache, dass Menschen ausgeschlossen werden, können auch Personen kritisieren oder unterstützen, welche nicht selbst betroffen sind. Das ist gut, denn so können mehrere verschiedene Blickwinkel auf die gleiche Situation erschaffen werden. Situationen haben den Vorteil, dass Menschen sie vergleichen können und betrachten. Sie sind interpretierbar, diskutabel, sowohl unterstützend, als auch kritisierend, einzelne Handlungen hinterfragend. Das ist möglich, weil Situationen als solche grundsätzlich Fakten darstellen. Intentionen, verschiede Interpratationsmöglichkeiten, Sichtweisen, das ist alles diskutabel, aber die eigentliche Situation stellt erst einmal einen Fakt dar.
    Mensch 1 hat x getan. Mensch 2 hat y getan. Darüber lässt sich dann sprechen.

    Bei meinen Emotionen können Menschen das nicht. Sollen sie auch nicht. Nicht ihr Business.

    Fazit

    Menschen sollten für ihre Handlungen Rechenschaft ablegen müssen, nicht für ihre Gefühle oder ihre Intentionen.
    Und das zeigt sich auch in der Sprache – wenn ihr Menschen nicht ausschließen wollt, dann tut es nicht, anstatt hinterher von Betroffenen zu erwarten, sich „mitgedacht“ zu fühlen!

  • Penisse sind nicht männlich.

    In der linken Szene aktiv zu sein, macht Menschen automatisch zu Feminist_innen. Logischerweise, schließlich steht auf jedem zweiten Veranstaltungsflyer, dass Sexismus nicht erwünscht sei.
    Auch diverse linke Räume haben sich dies groß über die Eingangstür geschrieben.
    (Ja, mein Macker, Macker, Mackerfa – Artikel geht in eine ähnliche Richtung. Durchaus. Da geht es nur weniger um Penisse.)

    Wer also mitmachen will, muss Feminist_in sein – oder geht bereits beim Einlass in Rauch auf.

    Wäre ein hübsches Szenario, das möchte ich gar nicht bestreiten, ist aber leider meilenweit von der Realität entfernt.

    Sexismus

    Plumpe „Frauen an den Herd!“-Sprüche sind mittlerweile nur noch ironisch, meistens.
    Macker, die das Konzert mit nacktem Oberkörper bestreiten, müssen zumindest teilweise mit Kritik rechnen. (Und schreiben dann Songs darüber, wie Swiss.) Unter der Oberfläche jedoch, ist die diskriminierende Struktur leider immer noch die gleiche. Und auch Feminist_innen bemängeln, dass es eine gewisse Fokussierung auf Penisse und Männlichkeit gibt. Im Umkehrschluss wird versucht, Vulven präsenter zu machen.

    Selbstreflektion kostet Mühe und tut manchmal weh, weil Menschen sich eingestehen müssen, dass sie Mist gebaut haben. Und sich dafür im Idealfall sogar noch entschuldigen wollen/sollen und „sich entschuldigen“ Menschen nun mal meistens ziemlich schwer fällt.

    Leider sieht sich die linke Szene gerne als reflektierten, sicheren Raum, weil das Schild über der Tür jede Diskriminierung, die wir während unserer Sozialisierung in dieser Gesellschaft internalisiert haben, in Rauch aufgehen lässt.

    Fangen wir also mit den Fakten an: Diese Gesellschaft ist patriarchal und frauenfeindlich.
    Sie stützt sich auf ein binäres Geschlechtersystem, welches sich willkürlich an reproduktiven Organen orientiert und im Laufe der Zeit immer rigider in der Umsetzung der Binarität geworden ist.
    Penisse sind männlich, Vulvinas sind weiblich.

    Biologismus

    Bis 2011 wurden trans Personen zwangsterilisiert. Ansonsten durften sie nicht transitionieren. Inter Menschen leiden bis heute unter Zwangsoperationen, die sie einem der binären, angeblich von außen biologisch eindeutig zuordbaren, Geschlechter anpassen sollen. Bei diesen Operationen werden vor allem Neo-Vulven chirurgisch hergestellt. Penisse sind für die plastische Chirurgie eine größere Herausforderung. Seit März 2021 gibt es ein offizielles Verbot. Inter-Verbände bezweifeln jedoch, dass dieses Verbot alle Operationen beendet. Sie beobachten die Entwicklung.

    Menschen mit Organ Y wird mehr Macht zugestanden als Menschen mit Organ X. Bereits bei der Geburt werden Menschen Rollen in der Gesellschaft zugeschrieben. Dise sind mit Farben codiert und vom äußerlichen Zustand der reproduktiven Organe abhängig. Wir alle sind damit aufgewachsen, dass Menschen entweder männlich oder weiblich sind und woran wir das erkennen.

    Im Biologieunterricht der siebten, achten Klasse lernten wir, dass ein Penis das „männliche“ Geschlechtsteil sei, eine Vulvina das „weibliche“. Eine Vulvina ist die Gesamtheit aus Vulva und Vagina. Die Vagina ist der innere Teil, die Vulva der äußere Teil. Wir kennen deutlich bessere Begriffe für Penisse, als für Vulvinas. (Und wahrscheinlich auch mehr Synonyme. Probiert es aus.)

    Es ist reproduktiven Organen ziemlich egal, wie sie benannt sind. Ein Penis ist ein Penis ist ein Penis, er ist kein „männliches“ Geschlechtsmerkmal. Er ist ein Organ, welches zum Ausscheiden von Urin und Samenflüssigkeit dient. Männlichkeit hat da erst das binäre System hineingedichtet.

    Auch ein Uterus ist erst einmal nur ein reproduktives Organ, in dem sich eine Eizelle über neun Monate hinweg zu einem Menschen entwickelt. Ein Uterus ist kein Kennzeichen für Weiblichkeit, er wurde erst dazu gemacht.

    Transfeindlichkeit

    Seit mehreren Jahrhunderten hat die Biologie versucht, das binäre System an der Realität zu beweisen – und ist gescheitert. Das Zuweisen von Geschlecht anhand reproduktiver Organe funktioniert nicht, das ist nur noch nicht bis in die Gesellschaft vorgedrungen. Die ist nämlich grundsätzlich langsamer als wissenschaftliche Erkenntnisse. (Außerdem gibt es eine Definitionslücke zwischen „das sind Penisse“ und „das sind Klitori“. Das ist sehr witzig.)

    Das Menschen mit Penis nicht immer männlich sind und Menschen mit Vulvina nicht immer weiblich, das wird in einigen feministischen Strömungen anerkannt.

    (Feminismus ist ja leider auch nicht unbedingt homogen, aber dazu wann anders mehr.)

    Dennoch fällt es auch Aktivist_innen immer noch sehr schwer, einfach anzuerkennen, dass manche Frauen einen Penis haben, manche eine Vulvina. Das führt zu Erwartungen an trans Menschen. Es setzt selbige nicht nur unter Druck, sondern eröffnet auch ein System, in welchem Menschen unterschiedlich bewertet werden. Die Unterscheidung, ob sie denn „wirklich“ weiblich/männlich wären, wird dann an vermuteten, körperlichen Merkmalen festgehalten. (Von nichtbinären Personen und inter Menschen ganz zu schweigen, wir bleiben unsichtbar.)

    internalisierte Diskriminierung

    Dabei übersehen Aktivist_innen, wie tief wir das binäre System verinnerlicht haben:

    Ein Penis ist mit Männlichkeit assoziiert, Menschen mit Bartwuchs ebenso. Brüste werden als weiblich gelesen, eine hohe Stimme auch.

    Bereits wenn wir Menschen kennenlernen, ordnen wir sie unbewusst in unser binäres System ein. Dafür kann Individuen auch keine Schuld gegeben werden, Sozialisierung ist ein tief reichendes, komplexes Muster in der Psyche jedes Individuums.

    Was aber definitiv keine Lösung für internalisierte Diskriminierung ist: Sie verleugnen.

    „Ich sehe keine Geschlechter, ich sehe nur Menschen“ negiert die Repressionen von Menschen, die nicht in das binäre System passen. Gleichzeitig entlastet es von der Verantwortung, sich selbst und die eigenen internalisierten Repressionen zu reflektieren.

    strukturelle Diskriminierung

    Menschen, die nicht in das binäre System passen, werden strukturell unterdrückt. Sie erleben sowohl sexistische, als auch transfeindliche Diskriminierung und haben eine der höchsten Selbstmordraten unter jungen Menschen. Darüber hinaus erfahren sie Psychopathologisierung.

    Transgender steht als Identitätsstörung im ICD-10, dem Buch, welches die meisten Arztpersonen zur Diagnostik verwenden. (Positiv anzumerken ist, dass es im ICD-11 nicht mehr vorkommen wird.)

    Strukturelle Diskriminierung ist perfide, weil nicht-Betroffene sie in den meisten Fällen nicht wahrnehmen. Selbst wenn sie selbige reproduzieren, einfach, weil sie „normal“ ist. Aber die linke Szene soll plötzlich davon völlig unbeleckt sein?

    Dadurch stellen wir uns besser da, als wir sind und behaupten, dass ausgerechnet wir, weil wir ja so unglaublich reflektiert und emanzipatorisch sind, keinerlei Diskriminierungen internalisiert hätten.

    Die Arroganz, die aus diesen Sätzen tropft, ist kaum zu ertragen und macht Betroffenen das Leben nur unnötig schwer. Die müssen nämlich trotzdem Bildungsarbeit leisten. Sie müssen damit leben, in Schubladen zu stecken und mühsam wieder rauskrabbeln. Während wir behaupten, völlig ohne Schubladen denken zu können. (Das Schild über der Tür, wir erinnern uns?)

    Selbstreflektion bedeutet mehr, als bloß neue Pronomen nutzen zu können und Männer in Röcken nicht auszulachen. Selbstreflektion bedeutet, dass wir alle uns eingestehen müssen, Teil der beschissenen Gesellschaft zu sein und auch Teile ihrer diskriminierenden Grundsätze übernommen zu haben. Erst dann, wenn wir das anerkennen, können wir es ändern.

    Vorher reproduziert eins strukturelle Diskriminierungen nämlich einfach mit einem „Ich sehe keine Geschlechter, ich bin nicht so.“. Durch Verleugnung.

  • Schminke und Adorno.

    Es gibt kein Richtiges im Falschen – oder warum die Kücheneinrichtung der fünfziger Jahre auch für den Feminismus gilt. Und was Schminke eigentlich mit Adorno zu tun hat.

    Ich könnte damit beginnen, dass bereits meine Überschrift irreführend ist, denn DEN Feminismus gibt es gar nicht. Es gibt unterschiedliche Strömungen und Menschen interpretieren Feminismus unterschiedlich.

    Für mich bedeutet Feminismus, dass ich gegen jede Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts bin. Geschlecht ist hierbei das, was Individuen als selbiges bezeichnen. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass wir in einer patriarchalen, transfeindlichen, dyacissexistischen Gesellschaft leben. Somit müssen zunächst die nicht-privilegierten Personen supportet werden. Eine scheinbare Ungleichbehandlung ist nötig, um Gleichstellung zu erreichen.

    Sexistische Erwartungen

    Frauen wird in dieser, unserer Gesellschaft eine Menge an Ansprüchen mitgegeben: Sie sollen gut aussehen (also dünn, weiß, sportlich, zierlich, symmetrisch, modisch, angemessen geschminkt, etc. pp.), intelligent, aber auch emotional und familiär sein. Sie sollen gleichzeitig für die Familie sorgen (und eine haben wollen), einer Arbeit nachgehen (die höchstwahrscheinlich schlechter bezahlt ist als die von Männern) und dabei auch noch jung und schön (was sich je nach Schönheitsideal durchaus ändern kann) bleiben. Weiblichkeit wird als „schwach“ wahrgenommen und Frauen signifikant häufiger Opfer von sexueller und/oder häuslicher Gewalt (und dann im Zweifelsfall nicht ernst genommen, weil „Frauen sind ja so emotional und denken sich das nur aus“.)

    Wer gegen dieses Anspruchsdenken ist, wird meistens Feminist_in. Dabei gibt es verschiedene Strömungen (und einige davon hält die schreibende Person für wirklich schrecklich). Eine Vertreterin einer davon hat vor kurzem einen Text veröffentlicht. Zusammengefasst ist der Inhalt, dass Frauen sich weder schminken noch hohe Schuhe tragen sollten, noch Strumpfhosen oder „hübsche“ Outfits, denn von Männern würde dies ja auch nicht erwartet. Es ist völlig irrelevant, wer das war, die Debatte ist über fünfzig Jahre alt und kommt immer wieder.

    Das geht meiner Meinung nach auf vielen Ebenen in die falsche Richtung.

    Erstens erleben Männer andere Erwartungen, was das äußerliche Erscheinungsbild angeht und mit Sicherheit sind diese nicht so streng wie bei Frauen, aber sie sind vorhanden. Außerdem macht diese Erwartungshaltung die von struktureller Diskriminierung Betroffenen zu Täter_innen, da sie ja „selbst schuld“ seien, wenn sie sich „freiwillig“ dem Druck des Patriarchats unterwerfen würden.

    Strukturelle Diskriminierung

    Dabei übersieht diese Analyse, dass strukturelle Diskriminierung, ja, nun mal strukturell ist. Das bedeutet, dass es in diesem System immanent ist, Frauen zu unterdrücken. Ob diese dabei geschminkt sind oder nicht, ist dem System egal. Gesellschaftlich angepasst geschminkte Frauen haben jedoch innerhalb dieses Systems Vorteile, weil sie nach den Regeln spielen. Oder schlicht Spaß daran haben, sich zu schminken. Die Intention ist hier erstmal irrelevant.

    Wichtig ist, dass es einfach nichts bringt, Menschen, die in diesem System überleben wollen, für ihren Überlebenswillen zu kritisieren.

    Wenn Menschen alt genug sind, dass sie sich übers Schminken Gedanken machen, erlebten sie bereits ihr Leben lang gesellschaftliche Sozialisierung. Herauszufinden, was bei Individuen charakterlich (Spaß am Schminken) und was gesellschaftlich indoktriniert (Frauen schminken sich nunmal gerne) ist, ist unmöglich. Deshalb sollte es auch nicht Ziel einer gesamtgesellschaftlichen Kritik sein. Ich schätze feministische Psychoanalsyse sehr, dennoch ist sie die Grundlage, nicht der Lösungsweg.

    Das Problem im Patriarchat sind weder Frauen, die sich schminken, noch Frauen, die das Schminken verweigern. (Die gleiche Diskussion gilt übrigens auch für die Themen Enthaarung, High Heels, kurze Röcke/Kleider, Hotpants und lange Haare). Das Problem ist einerseits, dass Schminken als weiblich konnotiert ist und damit Männer, die sich schminken, abgewertet werden (weil als weiblich konnotierte Dinge grundsätzlich dazu verwendet werden, Männer abzuwerten). Andererseits die Erwartungshaltung, dass Frauen sich schminken MÜSSEN, um im patriarchalen Spiel um Normschönheit mitspielen zu dürfen.

    Normschönheit wird belohnt. Aber es kann durchaus ein empowernder, emanzipatorischer Akt sein, sich aus diesem Spiel bewusst herauszunehmen und gegen die gesellschaftlichen Erwartungen zu verstoßen. Inwieweit das möglich ist, ist eine andere Diskussion.

    Problematiken

    Kein emanzipatorischer Akt dagegen ist es, Frauen vorzuwerfen, dass sie Mittel und Wege wählen, die nicht die eigenen sind. Auch nicht, sie als „Opfer des Systems“ abzuwerten.

    Anstatt von Frauen zu erwarten, dass sie sich den Männern anpassen, wäre eine grundsätzliche Analyse von Männlichkeit und Weiblichkeit notwendig. Dazu gehören natürlich auch Erwartungshaltungen und Sozialisation. Alternativ ein Aufbrechen von weiblich konnotierten Handlungen/Verhaltensweisen durch Männer, damit die Abwertung aufgrund von zugeschriebener Weiblichkeit nicht mehr funktioniert. Lackierte Nägel und Lippenstift für alle!

    Schminke und Adorno

    Womit wir übrigens bei den Küchenmöbeln der Fünfziger angekommen sind, denn Adornos berühmt-berüchtiger Ausspruch „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ bezieht sich auf ebenjene Inneneinrichtung. Ein Leben innerhalb dieser sei nicht möglich. Natürlich ist das eine Metapher, aber auch „Schminke und Adorno“ ist eine. Der Satz „es gibt nichts richtiges im falschen“ wurde so oft in beliebigen Kontexten verwendet, dass er selbt beliebig wurde.

    Allerdings lässt sich dieser Satz wunderbar in weitere Kontexte einfügen. Somit gibt es für Frauen tatsächlich in dieser Gesellschaft keine Möglichkeit, frei von patriarchalen Strukturen zu leben. Bleibt als einzige Möglichkeit eine Veränderung der Gesellschaft, frei von patriarchalen Zwängen und Sexismus.

  • Macker, Macker, Mackerfa

    Linke (vor allem weiße, cis männliche Macker) sind bessere Menschen. Sie sind niemals sexistisch, rassistisch, ableistisch, transfeindlich oder auf sonst irgendeine Art und Weise menschenfeindlich.
    Nein, denn sie SIND JA LINKS. Und als LINKE_R ist es überhaupt nicht möglich, dass irgendeine Form von Diskriminierung reproduziert wird. Jede Internalisierung, die von dieser Gesellschaft mitgegeben wurde, löst sich automatich in Rauch auf, wenn eins LINKS wird.

    (Ihr hört das Autor_in ein wenig genervt seufzen. Bestimmt.)

    Schlussendlich kommt es immer dann zu Problemen, wenn sich eine Person halt doch irgendwie diskriminierend und/oder scheiße verhält.

    Denn „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ und somit wird problematisches Verhalten nicht aufgearbeitet und reflektiert, sondern abgestritten. Schließlich sind nur „die Anderen“ sexistisch (und alles andere, aber ich bleibe mal beim Sexismus als herausragendes Beispiel), also die, die eben nicht links sind. Diskriminierende Verhaltensweisen werden oft mit „böse“ sein oder bewussten Verletzungen gleichgesetzt. Das nervt, denn es macht Betroffenen das Leben unnötig schwer.

    Wie soll nämlich eine Person euer Verhalten kritisieren, wenn sie nicht sagen darf, was gerade passiert ist, weil dann das große Trara losgeht, dass die diskriminierende Person niemals diskriminieren würde und das die betroffene Person ja gemein und unfair ist, wenn sie so etwas sagt – im Extremfall sogar öffentlich? Antwort: Gar nicht. Oder nur ganz, ganz vorsichtig und höflich und nett. Ohne die bösen Wörter „mackerhaft“, „sexistisch“, „Sexismus“ zu benutzen. Denn sonst wird die kritisierende Person als „gemein“ abgewertet. Ich bin gemein, aber ihr bleibt Macker.

    Es geht mir nicht darum, euch als das personifizierte Böse abzustempeln, wenn ich problematische Verhaltensweisen offenlege.

    Macker, ein potlitischer Begriff

    Es geht mir nur um die Verhaltensweisen. Kurz, um Macker. Ähnlich wie Heten ist das hier ein politischer Begriff.

    Nochmal zum Mitschreiben: Wir leben alle in einer Gesellschaft, die uns mit vielen verschiedenen Formen von Machtgefällen sozialisiert hat und wir kommen da nicht automatisch raus, nur weil wir es gerne wollen würden. Das ist nicht schön, aber das ist halt so.

    Dafür trägt das Individuum auch keine Verantwortung, das ist ein strukturelles Problem.

    Aber wenn das Individuum das eigene Verhalten nicht reflektieren möchte, weil es sich aus gesellschaftlichen Strukturen erhaben sieht, dann wird das zu einem Problem. Zu einem Macker.

    Bevorzugt übrigens zu dem Problem von Betroffenen, die nämlich dann doppelt arbeiten müssen: Zum Einen obliegt es meist ihnen, problematisches Verhalten zu benennen, zum Anderen müssen sie auf das empfindliche Ego jener achten, die sich selbst als unbeleckt von sozialen Strukturen wahrnehmen.

    Das ist einfach nur arrogant, dieses „Ich bin links, ich würde niemals Diskriminierungen reproduzieren“. Komm mal wieder auf den Teppich, Macker. Selbst von Diskriminierung(en) betroffene Personen reproduzieren diese gesellschaftlichen Standards. Frauen reproduzieren sexistische Denk- und Verhaltensmuster, teilweise gegen sich selbst, teilweise gegen andere Frauen.

    Und das ist logisch, weil wir mit diesen Diskriminierungen sozialisiert wurden und sie internalisiert haben. Da wieder raus zu kommen, ist ein ziemliches Stück Arbeit UND ES IST VOLL OKAY, WENN WIR NICHT PERFEKT SIND. Am nicht perfekt sein kann gearbeitet werden, insofern das denn überhaupt gewünscht ist. Allerdings sollte es uns darum gehen, an unserer internalisierten Kackscheiße zu arbeiten, um sie nicht zu reproduzieren. Das ist nämlich für mich „links“.

    Lösungswege

    Wir sollten uns also bloß Mühe geben. Wobei, das „bloß“ kann hier gestrichen werden. Es ist doch ziemlich viel Anspruch dabei.

    Mühe geben heißt, dass wir Gedanken und Verhaltensweisen hinterfragen. Das wir Betroffenen dabei zuhören, was sie sich von Privilegierten wünschen. Aber das wir dabei auch nicht generalisieren. Was für eine_n Betroffene_n in Ordnung ist, gilt nicht zwingend für alle. Es geht um Achtsamkeit und darum, auch mal einen Schritt zurücktreten zu können. Wenn ich von meinen Sexismuserfahrungen (auch in in der linken Szene) berichte, die einfach mal sacken zu lassen, anstatt hechelnd „aber nicht alle Männer!“ einzuwerfen. Wenn mir Gedanken zu dem Körper oder der Leistungsfähigkeit einer anderen Frau kommen, die zu reflektieren und zu schauen, was das eigentlich ist und wo das herkommt. Und dann die Klappe zu halten und die Gedanken dadurch kleiner werden zu lassen. Auch mal den eigenen Redeanteil zu hinterfragen und warum du eigentlich immer die Frau in der Gruppe unterbrichst. Aufmerksam zu sein, wem du besonders zuhörst und wen du eher vernachlässigst.

    Wen du auf Demos „schützen“ möchtest und wem du zutraust, dass er_sie das auch alleine schafft. Wer in der Küche steht und wer den Abwasch macht – und warum. Wie du dich anderen Menschen verhältst.
    Das ist eine Menge Arbeit. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass sich diese Arbeit nicht viele Menschen machen wollen.
    Und dann kommst du ins Spiel. Du, ein linker cis Dude, der sich ganz, ganz viele Gedanken darüber gemacht hat, dass Sexismus echt uncool ist – und behauptet, er wäre nicht sexistisch. Denn, du hast dir ja Gedanken darüber gemacht und würdest deshalb so etwas nie reproduzieren. Du würdest nie in Biologismen denken und du würdest niemals deine gesellschaftliche Macht nutzen – oder für selbstverständlich nehmen. Das ist einfach. Du bist per definition ein „guter“ Mensch.

    Es zeugt von deinen Privilegien, dass du das so sagen kannst. Und weil du nicht alleine bist – in jedem linken Raum gibt es eine Quote von 25% von euch, könnt ihr auch noch gegenseitig euch darin bestätigen.

    Linke Männerbündnisse

    Das erspart euch Arbeit und macht mir (und anderen Menschen, die euch auf verletzendes Verhalten hinweisen wollen) mehr Arbeit. Denn wir müssen dann nicht nur gegen gesellschaftliche Strukturen argumentieren, sondern auch gegen euer Selbstbild. Und das anzugreifen kann schnell mal persönlich werden – und dann sind die Betroffenen plötzlich unfair und böse, weil sie dem armen Dude gesagt haben, dass sein Verhalten nicht okay war. Hier, ein ähnlicher Artikel.

    Oder noch schlimmer: Dabei nicht nett und lieb und freundlich geblieben sind. Denn wir sind ja alle für eine gewaltlose, konstruktive Kommunikation – vor allem diejenigen, die gerne mal Kackscheiße reproduzieren. Wenn die Betroffenen dann emotional werden, dann wird das genutzt, um die Argumente abzuwerten – denn Emotionen sind ein Beweis für „Unrecht haben“. Wer schreit, verliert.

    Also sollen wir nett und freundlich gegen eine Mauer argumentieren, um irgendwann, vielleicht, ein Einlenken zu erreichen. Das strengt an. Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht, was so schlimm daran ist, sich mal „falsch“ zu verhalten. Du bist nicht unter einem Stein aufgewachsen oder von Robotern in einer Blase aufgezogen worden. Du machst Fehler. Wir alle machen Fehler. Aber wenn du dich hinstellst und als einzige Person sagst, völlig fehlerfrei zu sein, dann wirkt das unglaubwürdig.

    Und ab und zu habe ich das Bedürfnis, mit einem Presslufthammer diese Mauer einzureißen.

    Deshalb endet das hier mit einem Appell an alle Menschen, die ihr Selbstbild eines „guten“ Linken, der niemals Kackscheiße reproduziert, aufrechterhalten:

    Fazit

    Lasst das! Nehmt hin, dass ihr genauso Teil der gesamtgesellschaftlichen Situation seid wie alle anderen auch und lebt damit, dass ihr ab und zu Fehler machen werdet.
    Das nimmt mir eine Menge Arbeit ab und ich kann mich aufs Leben konzentrieren, statt Kopfschmerzen vom Heulen zu bekommen, weil mal wieder ein Macker persönlich wurde.

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