„Es muss die Option bleiben, Zugänge nach optischen Gesichtspunkten zu ermöglichen“, sagte Marco Buschmann im Interview mit Zeit online sinngemäß. Es ging (wie meist bei diesem Thema) um den Zugang zur Frauensauna. Ein anderer Schwerpunkt sind Toiletten. Ein Begriff, der in diesem Kontext oft fällt, ist der der „Biofrau“, in Abgrenzung zur trans Frau bzw. Transfemininität.
Im Text geht es um Transfeindlichkeit und transfeindliche Zuschreibungen. Es gibt dabei Beispiele von essentiellen Weiblichkeitsvorstellungen. Medizinische Maßnahmen und Transitionsschritte kommen ebenfalls vor.
Biologisch abbaubar?
Die Biofrau als natürlicher, organischer Zustand und die trans Frau als „künstliche“ Erschaffung daneben. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Jennifer Bilek mit dem Begriff des „Transhumanismus„. Hier wird eine ganze Industrie imaginiert, die hinter trans Personen stünde, namentlich Big Pharma, Big Bank und Big Tech. Sie würden die Idee des „falschen Geist im falschen Körper“ verbreiten und entsprechen behaupten, dass Männer Frauen seien.
(Der Antisemitismus in diesen Aussagen ist einen eigenen Text wert.)
Wir merken hierbei schon den ersten Fehler. Trans Frauen sind keine Männer, die sich als Frauen ausgeben. Sie sind Frauen. Bereits vor den Möglichkeiten einer hormonellen oder operativen Angleichung an den gewünschten Körper gab es trans Personen. (Und die ersten Operationen an trans Personen wurden Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland durchgeführt.) Trans Personen sind nichts neues. Sie sind nur geschichtlich unsichtbar geblieben. Diese Unsichtbarkeit liegt an veränderten Begriffen, aber auch an fehlenden Möglichkeiten. Wenn Menschen keine Worte für ihr Sein haben, schweigen sie.
Weibliche Essenz(en)
Die Unterscheidung in „Biofrauen“ und trans Frauen eröffnet eine Unterscheidung, die sich mit der essentiellen Frage von Weiblichkeit auseinandersetzt. Was macht eine Frau zu einer Frau? Gibt es überhaupt so etwas wie eine Weibliche Essenz, die allen Frauen gemeinsam ist? Eine fötale Entwicklung des Körpers? Eine gewisse Chromosomenausprägung? (Kennen Sie Ihre eigenen Chromosomen? So richtig, mit einem Karyogramm?) Die Fähigkeit zu gebären? Eine gewisse Körbchengröße? Haarlänge? Hormonwerte? Verhalten? Hobbys? Eine Art zu sprechen und zu gestikulieren?
Die Antwort kann – je nachdem, aus welcher Perspektive geschaut wird – höchst unterschiedlich ausfallen. Wenn wir auf Steckerverbindungen schauen, dann ist eine weibliche Verbindung eine, in die etwas hineingesteckt wird. Die männliche Verbindung ist dagegen die, die hineinsteckt. Wenn wir auf Zeugungsfähigkeit blicken, dann sind weibliche Gonaden groß und unbeweglich. Und schauen wir auf das sozial ausgelebte Geschlecht, dann ist eine Frau eine erwachsene, weibliche Person, die sich selbst als Frau bezeichnet. Das, was Menschen im Alltag erleben, ist dabei vollkommen unabhängig von der Gonadengröße einer Person. Niemand fragt bei alltäglichen, sexistischen Situationen, ob ein Uterus vorhanden ist.
Zumindest bei den Steckverbindungen und den Gonaden kann davon ausgegangen werden, dass zunächst ein Begriff für Weiblichkeit vorhanden war und dieser dann auf entsprechende Merkmale angewandt wurde.
Körperliche Zirkelschlüsse
Der Begriff „Biofrau“ schließt schlussendlich also nur diesen Zirkelschluss, dass aus der Zuordnung zu einem Geschlecht ein Körper entwickelt wurde, um diesen zur Zuordnung zu einem Geschlecht zu nutzen. Gleichzeitig wird damit Intergeschlechtlichkeit weiter unsichtbar gemacht (die Dunkelziffer einer XXY-Chromosomalität liegt bei ca. 70 %), als auch ein bestimmter Körper mit Weiblichkeit verknüpft.
Diese Verknüpfung sorgt dafür, dass cis Frauen, die beispielsweise aufgrund von Brustkrebs sich einer Operation unterziehen mussten, oft das Gefühl haben „nicht mehr weiblich genug“ zu sein. Nicht gebärfähige cis Frauen berichten ebenfalls von diesen Gedanken. Das kann zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen führen. Auch trans Frauen leiden unter diesem Druck. Vor allem ihnen wird abgesprochen, jemals eine „echte“ Frau zu sein. Weiblichkeit wird auf biologische Merkmale reduziert, die die meisten Menschen bei sich selbst nicht einmal kennen. Wer bereits vergeblich versucht hat, schwanger zu werden, kann diese Erfahrung bestätigen.
Darüber hinaus führt diese Unterscheidung in der Praxis zu obskuren Situationen. Sind die Hormone, die cis Frauen in der Menopause nehmen, natürlich? Sind sie unnatürlich, sobald trans Frauen sie nehmen? Ist eine genitalangleichende Operation einer cis Frau, um eine „schönere“ Vulva zu haben, natürlich? Aber die Operation einer trans Frau dann unnatürlich? Sind Brustvergrößerungen von cis Frauen natürlich? Ist die Anti-Baby-Pille natürlicher als ein Östrogenpräparat?
Hormonersatztherapien wurden für cis Personen entwickelt. Die Beipackzettel erhalten keine Angaben zu trans Personen. Die größte Gruppe an Menschen, die Hormonpräparate nimmt, ist cis.
Natürlichlichkeit – ein Konstrukt
Natürlichkeit ist ein Konzept, das von einer ursprünglichen, korrekten Wahrheit ausgeht. Gleichzeitig sind sehr viele Krankheiten „natürlich“, in dem Sinne, dass sie in der Natur vorkommen und vom Menschen unbeeinflusst entwickeln. Krebs ist natürlich. Diabetes ist natürlich. Hashimoto (eine Schilddrüsenerkrankung) ist natürlich. Endometriose ist natürlich. Nichts davon sind Zustände, die unbehandelt bleiben sollten. Es sind aber gleichzeitig bei jeder Therapie medizinische Eingriffe in den Körper. Diabetes benötigt Behandlung durch Spritzen, sowohl zum Messen, als auch für Insulin. Eine Chemotherapie ist höchst giftig. Sie muss das sein, um zu wirken.
Medizinischer Fortschritt rettet Leben.
Manche Menschen haben körpereigenes Insulin. Manche Menschen benötigen dagegen körperfremdes Insulin.
Einige Menschen haben körpereigenes Testosteron, das zu hoch ist. Da helfen Testosteronblocker.
Andere Menschen haben kein körpereigenes Testosteron. Sie benutzen Gel oder Spritzen.
In Bezug auf Geschlecht diese Grenze zwischen „natürlich“ und „künstlich“ zu eröffnen, ist absurd. Es zeigt, dass trans Personen nicht als sie selbst ernst genommen werden. Es ist eine künstliche Unterscheidung, die ausschließlich der Diskriminierung dient.
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