Das Minzgespinst-Logo, eine helle Zuckerwatte vor einem dunkelgrünen Hintergrund mit Monstera-Umrissen. Darunter steht: MINZGESPINST.
Die beste Rache ist ein gutes Leben.

Let's talk about Sex! Also, Sex, Kink und BDSM.

Vor ein paar Tagen sah ich einen "feministischen" Film, in dem es um Gewalt an (cis) Frauen ging.
Dabei fiel unter Anderem der Satz "Sie schlagen uns.". Unterlegt mit dem Bild einer an die Wand gepressten, weiblich gelesenen Person. Sie streckt ihren Po nach hinten und sah im Großen und Ganzen nicht unzufrieden mit der Situation aus. Es wirkte eher wie eine erotische BDSM Darstellung als Gewalt.

Ich war verärgert. Gewalt - ausgeübt von cis Männern, am meisten betroffen sind Frauen - ist ein gewaltiges Problem, strukturell bedingt durch das Patriarchat. Wir müssen darüber sprechen und Strukturen aufbrechen. Cis männliche Vorherrschaft abschaffen. Müssen wir nicht diskutieren. Was es nicht braucht: Das Bild devoter, sexuell selbstbestimmter Frauen, welches mit Gewalt gleichgesetzt wird.

Am gleichen Tag las ich dann auch noch, dass BDSM nichts anderes wäre, als unter Erwachsenen Kindesmissbrauch nachzuspielen und dann war ich endgültig bedient.

Hier also ein Artikel über Sex, BDSM, Feminismus und Selbstbestimmung.

BDSM = antifeministisch?

Also, kommen wir zu dem, was gerne als "antifeministisch" verschrien wird: "weibliche" Unterwerfung.
(Ich übernehme diesen Begriff, obwohl ich ihn problematisch finde. Er rückt vor allem cis Frauen in die Perspektive. Nicht cis Frauen bleiben unbeachtet.) Es geht der Kritik an BDSM aber um alle afab Personen, ungeachtet ihres Geschlechts.

So werden cis Frauen gemacht - und trans Personen diskriminiert.

Der Feminismus der zweiten Welle (Alice Schwarzer und KonsortInnen) war und ist der Meinung, dass Männlichkeit und männliche Dominanz in allen Lebensbereichen herrscht (stimmt, soweit) und deshalb auch das Sexleben von Feministinnen radikal feministisch sein müsste (maybe) und sogenannte "weibliche Unterwerfung" nur das Patriarchat stützen würde (stimmt definitiv nicht). (Und "weibliche Dominanz" stützt das Patriarchat auch, weil es ja Safewords gibt. Kinky Frauen und afab nichtbinäre Personen können nur verlieren. Yay.) Ich hab mich mal ein bisschen durch diese Variante des Feminismus gewühlt und folgende Texte gefunden.

Kritk an Blowjob und Valentinstag [EMMA]

1. Der Koitus verdammt die Frau zur Passivität und ist so für Männer die unkomplizierteste und bequemste Sexualpraktik. Beine breit machen genügt.

2. Die psychologische Bedeutung dieses in sich gewaltsamen Aktes des Eindringens ist für Männer (und Frauen) sicherlich von Bedeutung. Bumsen - wie es so traurig treffend heißt als höchste Demonstration männlicher Herrschaft und weiblicher Unterordnung.

3. Nur der Mythos von der zentralen Bedeutung des Koitus sichert Männern das Sexmonopol über Frauen, macht sie unentbehrlich denn penetrieren können nur sie. Das ist der kleine Unterschied. Der "vaginale Orgasmus" ist eine Erfindung der Männergesellschaft. EMMA,1977

Sexualität hatte über Jahrhunderte, ja Jahrtausende nichts mit Lust zu tun, sondern mit Macht. Macht von Männern über Frauen. Und es gab entweder die käuflichen Sünderinnen, zuständig für die Lust; oder die abhängigen Heiligen, zuständig für die Arbeit im Haus. Emanzipation der Frauen implizierte also zwangsläufig auch die Emanzipation der weiblichen Sexualität.

Doch so schnell waren die Söhne nicht bereit, die Macht aufzugeben. Denn nun kamen wir. Die Feministinnen. Wir stellten die Machtfrage. Im Leben und in der Liebe. [...] Und wir entdeckten unsere Körper und unsere Lust. Das war nicht nur ein harter Kampf, es war auch ein wahres Fest. Wir tanzten von Erkenntnis zu Erkenntnis, von Abenteuer zu Abenteuer. Die Gender-Studentinnen von heute würden zart erröten, ahnten sie nur, was wir alles so angestellt und erlebt haben. [...}

Nie zuvor und nie danach ist so offen über den weiblichen Körper und die Lust der Frauen geredet und geschrieben worden wie in den 1970er Jahren, diesen Jahren des Aufbruchs der Frauen. Doch keiner Frau wäre es damals auch nur im Traum eingefallen, die Trennung von Sexualität und Gefühl oder den Konsum entseelter Pornografie für sonderlich emanzipiert zu halten; von der Prostitution, als Objekt oder Subjekt, ganz zu schweigen. [...] Gleichzeitig aber steigt die Pornografisierung unserer Gesellschaft, diese Verknüpfung der sexuellen Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt. [...] Und auch der weibliche Masochismus – diese unbewusste Bewältigung von Schmerz und Erniedrigung durch ihre Umwandlung in Lust – steckt noch tief in den Knochen der Frauen.

Oh Hilfe, hier wird behauptet, die Vagina hätte quasi null Nerven. Der Text ist von 2016! (Okay, sie behauptet das durchgehend seit 1977). Und alle Personen mit Vagina sind automatisch Frauen. Naja. Das ist genug Material für einen anderen Artikel.

Menschen haben Vorlieben, Kinks, Fetische. Gerade "weibliche" Fetische wurden sehr lange pathologisiert, verunsichtbart und unterdrückt. Sie durften nicht ausgelebt werden, zumindest nicht in einem konsensuellen, selbstbestimmten Rahmen. (Frauen und afab nichtbinäre Personen durch sexualisierte Gewalt zu unterwerfen, das ging jedoch voll klar. Weil Patriarchat.)

Fazit

Zwischen der Unterdrückung von Frauen und afab nichtbinären Personen und konsensuellem Sex liegt ungefähr so viel Raum wie zwischen mir und dem Boden des Marianengrabens. Das liegt daran, dass konsensueller Sex eigentlich die - für das Patriarchat - gefährlichste Art ist, Sex zu haben. Beide Personen sprechen auf Augenhöhe miteinander, über ihre Bedürfnisse und Wünsche und Fantasien. Bei Sessions wird noch ein Safeword (oder etwas ähnliches) vereinbart, es werden "harte" und "weiche" Limits festgelegt - die harten Limits werden niemals angetastet, die weichen Limits dürfen gemeinsam erprobt werden. Augenhöhe zerstört aber das Machtgefälle, welches das Patriarchat aufgebaut hat - Augenhöhe ist eben keine "Unterdrückung durch Sex", sondern ein bewusstes Auseinandersetzen mit den eigenen Wünschen, Bedürfnissen, Kinks, Fetischen und dem eigenen Körper.

Dabei ist - solange es selbstbestimmt geschieht und keine Dritten davon unkonsensuell beeinflusst werden - völlig irrelevant, auf welchen Kink sich bezogen wird. Oder ob es überhaupt um BDSM geht.

Wie genau Neigungen und Kinks entstehen, wurde noch nicht ausreichend erforscht. Es steht jedoch fest, dass es weder eine Krankheit, noch ein charakterlicher Mangel ist, bestimmte Praktiken zu bevorzugen, masochistisch, sadistisch oder devot zu sein.

Gleichzeitig drängt die Behauptung, "weibliche" Dominanz sei "Patriarchat über Bande", dominante, feminine Personen in Rollen. Rollen, die sie gar nicht haben wollen. Zuerst Anerkennung, dass es sich um eine einvernehmliche Vereinbarung handelt, dann Waffe gegen sie. Denn dominante Weiblichkeiten würden dies ja nur tun, um dem (devoten) Patriarchat zu gefallen. Das bedeutet, es kann in dieser Lesart des Feminismus keine selbstbestimmten Kinks geben.

Das halte ich für zutiefst misogyn.

Ich habe gelesen. Ich habe am Wochenende dieses Buch auf den Tisch geschoben bekommen. Von einer Person, die ich bewundere und schätze. Für seinen Mut, für seine politische Arbeit, für seine Widerständigkeit. Für seine Zärtlichkeit, passende Namen zu geben.
Das war am Sonntag, heute ist Dienstag. Ich habe gelesen, ich habe dieses Buch gelesen, verschlungen, es kratzte auf dem Knochen und ging unter die Haut. Ich bin fertig geworden, ich habe es zur Seite gelegt. Neben den Laptop, neben mir schnurrt eine Katze, ansonsten ist es still. Nur meine Finger klackern auf der Tastatur, während ich schreibe. Das Buch heißt "Baby Butch" und es ist beeindruckend.

Inhalt

Die Geschichte ist schnell zusammengefasst, ich zitiere den Klappentext, um nicht zu spoilern:
Was hat das Einhorn mit der Jungfrau Maria zu tun und Feminismus mit Waffenexporten? Gibt es die unbefleckte Empfängnis wirklich, hilft BDSM gegen Polizeigewalt und was können trans Menschen erwidern, wenn sie mal wieder gefragt werden: „Was bist du?“
Spätsommer 2015, Berlin.
Während in Heidenau und Freital rassistische Mobs Geflüchtete angreifen, planen Steph, eine linksradikale Baby Butch, und Maria, eine kommunistische trans Frau, zusammen ein Kind zu bekommen. Mit Erfolg: Steph ist schwanger! Was als alternative Familiengründung geplant war, ist jedoch schnell ein Chaos aus Beziehungsgeflechten und Existenzängsten. Zwischen Demonstrationen, Polizeigewalt, Transition und Wohnungslosigkeit versucht eine Gruppe junger, impulsiver Queers, Kontrolle über ihr Leben zu behalten, während um sie herum die politische Lage längst außer Kontrolle geraten ist.
Erschienen ist es November 2019, Edition Assemblage.

Emotionen

Linke Zerrissenheit, die Gratwanderung zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen, Überforderungen und Kommunikationsverhalten. Scheiße sein - ohne es zu wollen, es trotzdem zu dürfen, geliebt zu werden und von Schuldgefühlen zerfressen. Politische Diskussionen, die unter die Haut gehen und zwischen die Beine treffen. Verzweiflung an Sonntagen und das Bedürfnis, die Welt sofort verändern zu wollen; Resignation und Ausgebrannt sein.
Wer sich in diesen Konstrukten wiederfindet, sollte dieses Buch lesen.

Die Charaktere sind nicht (nur) nett zueinander, sie sind menschlich, sie sind politisch, sie ziehen Grenzen. Trösten sich nicht, wenn es nur um Befindlichkeiten, eigene Privilegien geht. Das kann hart sein zu lesen, weil es wehtut, weil es der Protagonist_in damit im ersten Moment nicht gut geht. Aber es ist gleichzeitig ein Punkt, an dem sowohl die Reflektion von Lesenden, als auch der Protagonist_in angestoßen wird. Ohne, dass diese Trostlosigkeit, bewusste Empathielosigkeit die Beziehung der Protagonist_innen (zer)stört. Es ist keine heile Wohlfühlwelt, es ist die unsrige.

schmerzhaft realistisch

Eine Welt, in der Polizeigewalt und Rassismus eine Rolle spielen. Personen sich aufgrund von Sozialisierung und Privilegien so richtig scheiße verhalten können - und dennoch versuchen, das richtige zu tun. Es geht um Dysphorie und Unsicherheit, darum, welche Begriffe für welche Person passen.
Ob sie passend gemacht werden können. Ob sie uns überhaupt zustehen oder wir damit anderen etwas wegnehmen.

Es geht nicht darum, eine Lösung zu finden. Lou Conradi wirft Fragen auf, ohne selbst die Antworten geben zu können. Er gibt nur einen Ausblick auf mögliche Lösungen, aber er gibt kein Patent.
Romane sind auch nicht dazu gemacht, Patente zu vergeben. Gleichzeitig ist dieser hier so nah an meiner Realität, dass ich unbewusst doch nach möglichen Ideen für ein besseres Wir suche.
Ich zumindest habe es getan. Und war schlussendlich erleichtert, als mir keine einfache Lösung präsentiert wurde.

"Es gibt kein richtiges im Falschen", sagte einst Adorno, als er die Möblierung seiner Zeit kritisierte - auf der Metaebene bestimmt noch mehr, aber das würde zu weit führen. Ein geflügeltes Wort der Szene, ironisch und unironisch verwendet, zu allem passend (ungefähr so wie Salz - oder Pommes. Ja, sie schmecken auch mit Ahornsirup.)

Fazit

"Baby Butch" zeigt eindringlich und dabei nicht abgehoben, intensiv und doch nicht wehleidig, wie richtig dieser Ausspruch immer noch ist. Vor allem, wenn es um trans Themen geht. Es gibt kein richtiges Leben im falschen Geschlecht. In dem, das mir zugeschrieben wurde. Gleichzeitig bleibt die Frage, ob denn "das falsche Geschlecht" zu sagen, mir überhaupt zusteht. Ob es denn nicht andere Personen gibt, denen es noch schlechter geht. Die große Frage der meisten Eier (ungeschlüpfte trans Person), die ich on- und offline getroffen habe. Auch euch möchte ich dieses Buch ans Herz legen. Ich möchte es allen trans Geschwistern und allen verzweifelten Queers der linken Szene geben.

Ich möchte mit euch einen Kuschelhaufen bilden und gemeinsam verzweifeln, während wir das "Gute Leben für Alle" erreichen wollen.

P.S.: Wenn sich das eigene Geschlecht nicht richtig (auf welche Art auch immer) anfühlt, ist es wahrscheinlich nicht das richtige.

Was haben Triggerwarnungen, ein gut gemeintes "Dafür bist du nicht stabil genug, meinst du wirklich?" und das Absprechen der Diskursfähigkeit gemeinsam? Und wo ist der Unterschied zwischen Trigger Warnung (TW) und Content Note (CN)?
Sie berufen sich alle auf meine (zugeschriebene) psychische Stabilität.

Trigger

Teilweise ist das gut gemeint - aber nicht gut gemacht. Triggerwarnungen nehmen sich heraus, für andere Menschen zu entscheiden, was (potentiell) triggernd sein könnte. Allerdings ist diese Zuschreibung unmöglich, da Trigger so vielfältig sind wie die Menschen, die traumatisiert wurden. Während einige Personen von Wörtern überhaupt nicht getriggert werden, trifft bei anderen Menschen das durchaus zu.
Manchmal wird alleine durch das Lesen ein Bild im Kopf geweckt, dass dann zum Flashback führt. In anderen Momenten wird die Assoziation mit einer Situation oder einer Täter_in hervorgerufen. Und manchmal passiert gar nichts.

Nicht alle Trigger wirken immer, manchmal ist die betroffene Person stabil und das Wort löst überhaupt nichts aus. Manchmal bricht eins dann psychisch zusammen. (Ha. Da kam sie wieder, die Stabilität. Aber dazu später mehr.) Leider kündigen sich diese wechselhaften Trigger nicht mit blinkenden Schildern an, also wird erst nach der Verletzung festgestellt, was heute triggerte.
Andere Worte triggern immer und sind zuverlässig - und können somit vermieden werden. Auch, indem eins Themen vermeidet, die diese Worte/Beschreibungen/(Wort)Bilder beinhalten.

Paternalismus

Wenn ich jetzt aber von wildfremden Personen "gewarnt" werde, dann nehmen sie sich heraus, zu wissen, was mich (heute) triggert. Das ist verquer, denn ich weiß es meistens selber nicht. Potentiell traumatische Themenbereiche (z.B Psychiatrie, Suizid, SVV) sind natürlich prädestiniert dafür, Trigger zu beinhalten. Allerdings triggert mich auch die Beschreibung von deiner letzten Diät und im Zweifelsfall, was du gestern gegessen hast (hallo, Essstörung, alte Freundin). Aber da schreiben irgendwie Menschen relativ selten eine Warnung dran. (Und nein, ich möchte auf KEINEN FALL noch mehr Warnungen.)

Content Notes

Inhaltsbeschreibungen (Content Notes) haben den Vorteil, dass sie mir einen groben Überblick über den Inhalt geben. Ich kann (im Wissen über meine momentane Stabilität, meinen Umgang mit potentiellen Triggern und im besten Fall einem Rückzugsraum) entscheiden, ob ich das jetzt gerade lesen, es später lesen oder gar nicht lesen möchte.
Ein bisschen wie der Klappentext eines Buches: Geht es da bereits um hocherotische Werwölfe mit muskelbepackten Armen, denen die Protagonistin (oder der Protagonist) instant verfällt... Dann lasse ich das Buch lieber liegen. (Nicht, weil es mich triggern würde, sondern weil es höchstwahrscheinlich schlechte Erotik und Sexismus und Heteronormativität enthält.) Aber durch die vorherige Information über den Text kann ich entscheiden und mir das Geld (oder den Flashback) ersparen.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Der Unterschied zwischen einer Inhaltsbeschreibung und einer Warnung ist die Intention des Erstellenden. Eine Information informiert - wertungsfrei. Eine Warnung warnt - und wertet dabei. Eine Warnung entscheidet FÜR MICH, eine Information LÄSST MICH entscheiden. Aktiv und passiv.
Und meine persönliche Entscheidungsfreiheit ist mir - gerade als Person mit Psychiatrie- und psychotherapeutischer Intensiverfahrung - sehr, sehr wichtig.

Eigenverantwortung

Deshalb kann ich es auch gar nicht haben, wenn Entscheidungen von mir - gut gemeint - hinterfragt werden. "Bist du dir sicher, dass du dafür stabil genug bist?" - JA. Und wenn nicht, dann mache ich eben Fehler und lerne daraus. Auch psychisch kranke Menschen dürfen mal gegen ne Wand laufen, weil sie ihren Dickkopf durchsetzen mussten. Ich möchte nicht in jedem Fall "vor mir selbst geschützt" werden. Die Momente, in denen ich mir das wünsche, habe ich vorher kommuniziert - und die Hürden dafür sind bewusst hoch gelegt.

Ich bin für mich selbst verantwortlich und das bedeutet, dass ich auch "ungesund" handeln darf. Ich darf gegen Mauern rennen und mir den Kopf anstoßen. Deshalb bin ich ÜBERAUS verärgert, wenn mir andere Menschen dauerhaft eine Matratze vor die Wand stellen.
Dabei können Menschen auch durchaus sagen, dass sie meine Entscheidungen nicht gut finden. Sie dürfen auch sagen, dass ich sie noch einmal überdenken sollte. Allerdings dann bitte begründet (und zwar inhaltlich) und nicht auf Basis meiner psychischen Stabilität. Die schätze ich schlussendlich immer noch alleine ein. Das kann keine andere Person für mich tun. Punkt.

Ableismus als Waffe

Noch schlimmer sind nur Menschen, die meine Traumata (über die ich bewusst sehr offen kommuniziere) dazu verwenden, mich zu diskreditieren. Die mir die Diskursfähigkeit absprechen und versuchen, mich als instabil darzustellen - um sich nicht inhaltlich mit mir auseinandersetzen zu müssen. Ein inhaltlicher Diskurs (gerne auch Streit) würde ja bedeuten, mich als gleichberechtigte_n Diskurspartner_in wahrzunehmen und mir eine Stellung einzuräumen. Es würde bedeuten, dass sich Personen mit anderen Meinungen als meiner ARGUMENTE ÜBERLEGEN MÜSSEN, um mir Kontra zu bieten.
Stattdessen wird darauf abgestellt, dass alle meine Argumente aus sich selbst heraus wertlos seien und eine weitere Beschäftigung damit unnütz. Ich als Gestörte_s (meine Eigenbezeichnung, wenn ihr mich so nennt, gibt es Stress!) wäre ohnehin nicht fähig, am Diskurs teilzunehmen.

Gatekeeping

Leider haben Personen, die so etwas äußern, die Gesellschaft auf ihrer Seite. Menschen aufgrund von Krankheiten aus dem Diskurs auszuschließen hat eine lange Tradition. Die Unterdrückung von Personen aufgrund von (zugeschriebenen) Einschränkungen einen Namen: Ableismus.
Jede beschriebene Situation ist ein Beispiel  dafür, wie sich neurotypische, body abled Personen als Gatekeeper_innen sehen, die bestimmen, wer "stabil" genug ist, zum Diskurs zugelassen zu werden - und wer nicht.
Gatekeeping bedeutet, dass sich nicht-Betroffene zum Torhüter ernennen, um für Betroffene zu entscheiden. Entweder, weil sie behaupten, besser als Betroffene entscheiden zu können, was gut für diese ist. Alternativ, weil sie Betroffene gar nicht im Diskurs haben wollen. Die könnten ja anderer Meinung sein und das macht die eigene, privilegierte Weltsicht kaputt.

ableistische Erwartungen

Gleichzeitig leben wir in einer Gesellschaft, die nicht auf die Bedürfnisse von body disabled und/oder neuroatypischen Personen ausgelegt ist. Deshalb erwartet sie von uns Betroffenen, dass wir uns anpassen und uns Mühe geben, in dieser Gesellschaft klarzukommen. Oft haben wir das sogar selbst verinnerlicht und suchen die Schuld für unser "Versagen" bei uns, anstatt anzuerkennen, dass wir in einer Gesellschaft überleben, die alles dafür tut, damit wir es nicht schaffen. Kapitalistische Verwertungslogik wird in Therapien eingetrichtert und sorgt dafür, dass wir uns so lange Mühe geben, bis wir zusammenbrechen - um immer noch nicht genug getan zu haben. Finde ich kacke.

Fazit

Zum "guten Leben für alle" gehört auch, dass mein DaSein und SoSein einen Raum bekommen. Und den nehme ich mir und ich beiße, wenn irgendwer versucht, mich in Watte zu packen und mir die Zähne zu ziehen!

Wenn ich darüber rede (oder schreibe) wie es ist, als ich zu leben, dann komme ich oft in die Situation, dass Menschen hilflos werden. „Ich würde dir so gerne helfen, aber...“, und dann schauen sie mich mit traurigen Dackelaugen an und ich frage mich, wobei mir diese Menschen denn helfen wollen. Aber meine Kommunikation ist ohnehin oft gestört.

Meistens geht es nämlich nicht darum, mir das Leben irgendwie zu erleichtern. Nein, sie wollen mich „gesund“ machen. Schließlich bin ich ja krank.

Gestört, nicht krank.

Nein. Ich bin gestört, nicht krank. Ich befinde mich auf dem Spektrum der Charakter- und Verhaltensweisen so weit abseits des als normal definierten Bereichs, dass es pathologisiert wurde. (Dabei ist die Art und Weise der Pathologisierung ein Problem für sich, aber das ist ein anderes Thema.) Der Unterschied liegt darin, dass Krankheiten eine andere Herangehensweise erfordern als Störungen. Meine Krankheiten sorgen dafür, dass es mir schlecht geht. Meine Störung sorgt dafür, dass es mir schlecht geht, weil ich anders bin – aber sie sorgt nicht aus sich selbst heraus dafür, dass es mir schlecht geht. Ich habe keinen Leidensdruck, der dafür sorgt, dass ich mich grundsätzlich als Problem wahrnehme – der kommt erst von außen. (Und ist mittlerweile dauerhaft da, aber auch das ist ein anderes Thema. Ich glaube, ich muss einen Fußnotenartikel zu diesem hier schreiben. Meine Güte.)

Ich bin Autist_in. Das nennt sich in offizieller Diagnostik dann "Autismus-Spektrum-Störung".

Krank, nicht gestört.

Ich bin auch krank. Ich habe Depressionen (wiederkehrende, seit mittlerweile anderthalb Jahrzehnten), körperliche Beschwerden dadurch, chronische Schmerzen. Das sind alles Sachen, bei denen ich tatsächlich Hilfe brauche – und sie mir auch einfordere. Beispielsweise durch den Nachteilsausgleich in der Uni oder durch den Antrag auf Schwerbehinderung. Aber auch dadurch, dass manchmal Umfeldmenschen für mich Dinge abholen oder ein Herzmensch mit mir rausgehen muss, weil es alleine nicht geht. Aber das meinen die Menschen meistens nicht, wenn sie mir so hilflos „helfen“ wollen.

Ihr wollt mich „gesund“ zaubern, obwohl ich gar nicht krank bin.

Neurodiversität und Maskieren

Ich bin anders, als es der Bereich des Spektrums vorsieht und das macht euch hilflos. Ihr könnt meine Realität nicht nachvollziehen und ihr stellt sie euch schrecklich vor. Glaube ich. Zumindest sorgt eure Reaktion dafür, dass ich das denke. Wenn ihr mir wirklich helfen wollt, dann macht eure Welt für mich inklusiver. Sorgt dafür, dass ich mich in Räumen wohlfühle. Sorgt dafür, dass es weniger überfordernde Situationen gibt und sprecht Klartext. Lasst mir Raum, wenn ich gerade in ein Loch stürze und erzählt mir nicht, ich „solle mich beruhigen“. Stellt meine Realität nicht in Frage. Glaubt mir, dass auch meine Emotionen valide sind.

Ich kann eure Realität auch nicht nachvollziehen. Aber im Gegensatz zu euch wurde mir beigebracht, dass ich deshalb ein Problem bin. Mir wurde beigebracht, dass ich mich ändern müsse, an die Norm anpassen und das ich erst, wenn ich das schaffe, ein Recht habe, mit euch zu interagieren. Gestört zu sein, ist ein Anpassungsurteil.

Nein. Das ist paternalisierender Bullshit. Ich habe das gleiche Recht darauf, mit euch zu leben, wie ihr auch. Ich bin nicht grundlegend falsch, nur anders.

Und euer Mitleid, eure Hilflosigkeit, die sorgen nur dafür, dass ich mich frage, was denn an meinem DaSein, meinem SoSein so unglaublich furchtbar sein soll, dass es solche Reaktionen hervorruft.
Ich bin nicht unglücklich damit, wie ich bin.

Ich bin nur anders als ihr.

Pathologisierung

Und dadurch, dass ich Psychiatrie und psychiatrische Pathologisierung aufgrund von systematischer Kritik begonnen habe, kritisch zu sehen, bin ich auch der Meinung, dass es auch für Menschen mit Störungen einen Umgang gibt. Einen Umgang, der nicht auf einem Machtgefälle zwischen pathologisierten und normativen Menschen beruht, sondern der einfach die Emotionen und Bedürfnisse aller Beteiligten akzeptiert.

Ich habe Verlustängste. In Gesellschaft genieße ich das Spotlight. Gleichzeitig nehme ich alle Reize viel intensiver wahr. Ich kann die Stimmungen anderer Menschen gut erkennen, aber ihre Intensität nicht nachvollziehen. Kommunikation muss klar, verständlich und deutlich sein. Ich habe gerne, viel und intensiv Sex. Und ich lebe polyamor.

Das alles sind Verhaltensweisen, die Diagnosen ausmachen. Die pathologisiert werden. Neurologisch gestört. Emotional gestört. Sucht es euch aus. Sexismus und Transfeindlichkeit machen auch vor der Psychiatrie nicht Halt.

Leider ist die Lösung für diese Bedürfnisse oft, dass ich sie rationalisieren und unterdrücken soll. Das empfinde ich als falsch. Es mag für diese Gesellschaft momentan funktionieren, aber ich finde auch diese Gesellschaft falsch.

Kommunikation.

Stattdessen bin ich für eine Kommunikation, in der ich alle Bedürfnisse erst einmal formulieren kann. In der die verschiedenen Bedürfnisse verhandelbar sind. Nein, mein(e) Gegenüber haben nicht die Pflicht, meine Bedürfnisse zu erfüllen. Sie dürfen jederzeit sagen, dass sie gerade nicht können oder wollen oder einfach Nein, ohne es zu begründen.
Aber ich möchte sie aussprechen können, bevor ich sie rationalisieren muss. Ich möchte sagen können: „Ich brauche gerade eine Person, die mich festhält.“, aber ohne, dass die andere Person in den Druck kommt, dieses Bedürfnis erfüllen zu müssen. Aber damit kann sie es erfüllen, wenn sie das möchte. Und andersherum sollte es genauso möglich sein – Formulierung von Bedürfnissen und vollständige Akzeptanz der jeweiligen Reaktion.

Dabei müssen dann die Bedürfnisse nicht mehr gewertet und analysiert werden. Sie sind erst einmal da und es kann ein Umgang damit gefunden werden. Ohne Pathologisierung, ohne Druck.

Und hinterher kann ich immer noch gucken, an welchen Sachen ich arbeiten möchte (z.B die Verlassensängste) und welche Sachen ich eigentlich voll in Ordnung finde (Polyamorie, BDSM, Sex). Was ich bearbeiten will, dass soll dann auch durch Therapeut_innen bearbeitet werden können – aber ohne Diagnose, ohne Pathologisierung, ohne „Du bist ein Problem.“.

Hübsche Wunschvorstellung, nicht?

"Du kannst das ja tragen", "Du siehst doch gar nicht schlecht aus!", "Dafür hast du aber auch die richtige Figur!" - Komplimente, die keine sind. Oder sein sollten. Jeder einzelne dieser Sätze läuft darauf hinaus, dass irgendeine andere Person etwas nicht tragen, schlechter aussehen oder die falsche Figur haben könnte. Vor allem das erste und das letzte "Kompliment" zeichnen sich durch eine Kategorisierung in "richtig" und "falsch" aus. Wenn DU es tragen kannst, dann muss es die Möglichkeit geben, dass es untragbar wäre. Wenn DU die richtige Figur hast, braucht es das Gegenbild einer falschen Figur.

Patriarchale Erwartungen

Normschönheit ist vor allem ein Anspruch an Frauen. Aber auch nichtbinäre Personen und Männer erleben diese Erwartungshaltung. Gerade bei trans und gendernonconformen Personen kann sie zu körperlicher Dysphorie führen. Bereits im frühen Kindesalter wird darauf geachtet, wie Mädchen sind, sein sollen, sich zu kleiden und zu benehmen haben. Teilweise, was sie essen, dass sie auf keinen Fall zu viel essen dürfen, angemessen Sport treiben sollen - aber nur den, der sie nicht muskulös macht! Normschönheit, das bezeichnet weiße, dünne, cis Frauen. Lange Haare, symmetrisches Gesicht. Sportlich, aber nicht muskulös. Flacher Bauch, weder schwabbelige Arme, noch Oberschenkel. Glatte Haut. Enthaart.
Die Anforderungen sind unmöglich zu schaffen. Ich persönlich bin noch keiner Frau begegnet, die ihr Leben lang ihren Körper akzeptiert hat.

Diese Akzeptanz (nein, eins muss den eigenen Körper nicht lieben oder feiern oder ehren. Ihn nicht zu hassen ist völlig ausreichend) wurde entweder durch Resignation (ich kann ohnehin nichts ändern), feministischen Anspruch (ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich auszusehen habe) oder die Bewusstwerdung, im Spektrum der Normschönheit zu sein, erreicht.
Teilweise natürlich mehrere Aspekte parallel.

Gerade in linken Kontexten ist die grundsätzliche Ablehnung von Schönheitsidealen oberflächlich weit verbreitet. "Tragt doch, was ihr wollt!" und "Alle Körper sind schön!" sind zwar hübsche Parolen, aber inhaltsleer. Schönheit ist ein Konstrukt, welches grundsätzlich über Abwertung funktioniert - wenn ich schön bin, dann muss irgendetwas hässlich sein. Die Vorstellung der Schönheit braucht das Gegenteil, braucht das Hässliche. Anstatt dieses Prinzip also einfach auszuweiten und alle Menschen und Körperformen mit aufzunehmen, wäre eine grundsätzliche Dekonstruierung des Prinzips angebracht. Menschen sollen sich schön fühlen, aber sie müssen nicht schön sein.

Komplimente hinterfragen

Dazu gehört aber auch, die eigenen Komplimente zu überdenken. Schaffen wir es, Komplimente zu machen, ohne andere Menschen abzuwerten? Wie machen wir Komplimente?

Es gibt grundsätzlich zwei Formen von Komplimenten: Die, die auf Dinge abzielen, die eine Person nicht oder nur schwer verändern kann (Figur, Augen, Lippen, Länge der Beine, Gewicht, Brüste, Stimme, Lachen...) und solche, die eine Person bewusst gewählt hat (Kleidung, Piercings, Tattoos, Nagellack, Make-Up, Schuhe...). Die erste Form ist nur schwer ohne Abwertung zu erreichen, weil es immer um eine Bewertung in Abhängigkeit von Dritten oder geltenden Schönheitsidealen geht. Eine schöne Figur ist meistens auch eine schlanke, oder zumindest nicht allzu kurvige Figur. Das ist das Ideal. Das ist uns allen internalisiert, weil wir hier aufgewachsen sind und uns die gesamte Gesellschaft von Anfang an suggeriert, dass das UND NUR DAS schön sein.

Es ist ein weißes, cissiges, rassistisches Ideal. In Asien werden Cremes verkauft, welche die Haut heller bleichen. Damit soll dem westlichen, europäischen Schönheitsideal näher gekommen werden. Trans Frauen werden in vielen Kontexten nur dann akzeptiert, wenn sie "stealth" leben, sich also (optisch) nicht von cis Frauen unterscheiden. Gleichzeitig wird ihnen vorgeworfen, sie würden "Klischees der Weiblichkeit" zementieren. Doch über das Dilemma von transfemininen Personen im Patriarchat geht es in anderen Artikeln, hier beispielsweise.

Normschönheit und Präferenzen

Individuelle Präferenzen können natürlich abweichen und ich möchte Menschen auch gerne glauben, dass sie das schön finden, was nicht normschön ist, aber grundsätzlich ist Schönheit an die Norm gekettet, weil unser aller Vorstellung von Schönheit sich an der Normschönheit und dem Ideal orientiert.

Wenn Menschen aber Komplimente für Dinge bekommen, auf die sie selbst unmittelbaren Einfluss nehmen konnten (der nicht, wie im Fall von Gewicht und Figur, erst mehrere Monate Quälerei und Verzicht bedeutete), dann sind die Komplimente direkter und weniger an das Ideal gebunden - und die Person kann sich mehr freuen, weil ihre persönliche Entscheidung bemerkt worden ist.
Dabei aber bitte dennoch darauf achten, dass ein "Das Kleid ist toll!" immer noch etwas anderes ist als ein "Das Kleid kannst du aber tragen!" - das erste ist erst einmal eine Beschreibung des Kleides, das zweite erst einmal eine Reduzierung der Person - und eine Abwertung aller Menschen, die das Kleid nicht tragen könnten. (Also all jener, die drin - nach herrschender Norm - scheiße aussehen würden)

Wir können alle Kleider tragen. Über den Kopf ziehen und gut ist. Wenn dir also das Kleid an einer Person gefällt, kannst du sie darauf ansprechen, dass das Muster toll ist oder der Schnitt. Nicht alle Muster und Schnitte sehen an allen Menschen gut aus. Das ist okay. Es muss auch nicht alles gefallen, was ein Mensch trägt - das ist auch okay.

Aber wenn dir etwas gefällt, dann überlege dir bitte, wie du es der Person mitteilen möchtest. Und ob deine Aussagen gerade andere Leute unter den Bus werfen. Achtsamkeit und so.

Kennen wir doch alle, das Märchen. Die Jungfrau, die vom Drachen entführt wurde und der weiße Ritter, der auszieht, sie zu retten. Wahlweise auch das „Ollowain“ Prinzip, nach dem weißen Ritter der Königin in den „Elfen“-Büchern von Bernhard Hennen.
Aufopfernd treu für seine Königin, moralisch allen Feinden überlegen und stets der Held in glänzender Rüstung. White knights eben.

Dieses Phänomen gibt es nicht nur im Märchen, sondern auch in ganz alltäglichen Situationen. Vor allem, wenn es gegen andere Männer geht, sind die white knights meist ganz vorne dabei, mich (oder Frauen) retten zu wollen.

white knights

Ich erzähle von einer sexistischen Situation und habe gleich fünf männliche Wesen an mir, die mir versichern, dass mit ihnen an meiner Seite, mir das niemals passiert wäre. Denn sie hätten da sofort eingegriffen und dem Sexisten die Leviten gelesen. Oder ihn geboxt. Oder sonst irgendetwas getan.

Sie haben nicht nach meiner Einschätzung der Situation gefragt oder wie ich die Sache geregelt habe. Es wird sich instant schützend vor mich geworfen – sinnfreierweise, da die Situation ja dann bereits vorbei war.

Aber auch in den betreffenden Situationen handeln white knights, ohne meine Rückmeldung einzuholen, ohne mir Handlungsspielraum zu lassen. Ihre Devise ist, die schutzlose Jungfrau (haha) vor allem Übel zu bewahren, völlig ungeachtet der Meinung der betreffenden Person.

Solidarität

Der Unterschied zwischen Solidarität, die ich mir wünschen würde, und den weißen Rittern? Solidarität kommt von sich aus, verlangt keine Belohnung und existiert unabhängig von der betroffenen Person, alleine um der Vermeidung der Reproduktion von Diskriminierung willen.

Weiße Ritter wollen aber Lob für ihr Verhalten, wollen damit etwas (sei es Zuneigung oder politische Stabilität) beweisen und erwarten im Gegenzug etwas (meist Zuneigung, Bewunderung oder eine "Freikarte" für sexistisches Verhalten in der Zukunft).

Solidarische Menschen sind solidarisch (ohne Hintergedanken) und das, indem sie einfach konkret in der Situation etwas tun. Weiße Ritter zeichnen sich meistens dadurch aus, dass sie hinterher mit ganz vielen Ideen kommen, wie sie die Situation geregelt hätten. Solidarität kann auch sein, sich hinterher mit mir solidarisch zu zeigen, zu sagen, dass Aktion X so nicht okay war oder der Person mitzuteilen, dass sie gerade Scheiße gebaut hat. Dabei wird auf meine Wünsche (oder die jeder anderen betroffenen Person) Rücksicht genommen. Solidarität läuft in meinem Rücken ab, mich unterstützend.

politische Objektifizierung

Weiße Ritter werfen sich schützend VOR die betroffene Person, fällen ihre eigenen Entscheidungen und erwarten hinterher Lob für ihr Eingreifen. Dabei ignorieren sie im extremsten Fall den Willen der betroffenen Person und handeln konträr dazu. Voll Selbstgerechtigkeit, ob ihrer eigenen, selbstlosen Handlung. Weiße Ritter agieren vor der Person. Selbstgerecht, eitel und voll als Hilfsbereitschaft getarntem Egoismus. Das Verhalten unserer Ritter ist schlussendlich auch nur die Reproduktion von Sexismus. Die betroffene Person wird weder ernst genommen, noch wird ihr zugetraut, dass sie mit der Situation alleine zurecht gekommen wäre.

Die Prinzessin ist niemals Subjekt ihrer Rettung, sondern stets (Prestige)objekt des Retters. Es geht um die Rettung, die Gerettete ist dabei unerheblich. Sie dient maximal noch als Anreiz der Rettung. Sie ist „Beute“ oder „Gewinn“, den die erfolgreiche Rettung mit sich bringt.

Wie aber hält eins solidarische Personen und weiße Ritter auseinander? Indem eins die betroffene Person vor einer Handlung erstmal fragt. Und dann auf die betroffene Person gehört wird. Es kann auch solidarisch sein, die betroffene Person vor der Auseinandersetzung mit Täter_innen zu schützen und somit vor der Person zu agieren. Das muss aber abgesprochen sein und auf den Wunsch der betroffenen Person geschehen. Nicht ungefragt und nicht mit einer Erwartungshaltung.

Ihr seid keine coolen Dudes, wenn ihr ungefragt meine Kämpfe kämpft. Es ist nur eine andere Form davon, mich klassischerweise an den Herd zu fesseln.

Stell dir mal vor, du hast Geburtstag. Und ein anderer Mensch aus deinem Freundeskreis hat zufälligerweise auch am gleichen Tag Geburtstag. Aber dir wird nicht gratuliert, der anderen Person schon. Jedes Mal. Den ganzen Tag über.
Als du dann deine Freunde darauf ansprichst, kommt als Reaktion: „Aber, du warst doch mitgemeint! Hast du dich etwa nicht mitgedacht gefühlt?“
Fühlt sich nicht gut an? Ach.

emotionales Hellsehen

Solange wir nicht eindeutig das sagen, was wir meinen, sondern davon ausgehen, dass andere Menschen hellsehen können und wissen, dass sie „mitgedacht“ sind, solange werden wir Menschen verletzen. Das müssen wir nicht einmal wollen. Unsere Intention ist dafür völlig unerheblich, was wir durch unsere Handlungen bei anderen Menschen auslösen.
So funktioniert Kommunikation: Ich kann nur bestimmen, was ich sage, nicht, was bei der anderen Person ankommt. Deshalb sollte ich mir auch überlegen, ob das, was ich sage, auch mit dem übereinstimmt, was ich sagen möchte.
Stattdessen wird auf die Gefühle der anderen Person gehofft, diese wird schon so fühlen, wie ich hoffe, dass sie fühlt.

In jeder anderen Situation wird auf genaue und vor allem ehrliche Kommunikation Wert gelegt, einfach weil Menschen eben nicht hellsehen können. Weil ich nicht wissen kann, ob deine Intention jetzt ist, mich auszuschließen, oder ob du mich „mitgedacht“ hast. Ich weiß nicht, an was du denkst. Will es auch gar nicht unbedingt wissen. Ich weiß nur, was du sagst und wenn ich darin keinen Platz habe, dann habe ich – rein faktisch – in deiner Kommunikation keinen Platz. Wie das in der Praxis aussehen kann, habe ich hier aufgeschrieben.

präzise Sprache

Ja, es ist anstrengend, sich genau zu überlegen, was jetzt ausgedrückt werden soll. Es verlangt, dass Menschen aus ihren bequemen Schubladen herauskommen und sich Gedanken darüber machen, was sie denn jetzt genau sagen wollen. Wo der kleinste gemeinsame Nenner der Menschen ist, die sie meinen. Aber es eröffnet gleichzeitig auch Möglichkeiten, präziser zu kommunizieren. Weil ab diesem Moment Leute nicht davon ausgehen können, dass die gesamte Leser_innenschaft weiß, was gemeint ist und damit gezwungen sind, sich genauer zu positionieren.

Zu sagen „aber ich habe dich mitgedacht!“ ist ein Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit, Menschen einzuschließen. Gleichzeitig wird diese Unfähigkeit aber auf die betroffene Person projiziert – anstatt die Fakten anzuerkennen, dass die Person hier ausgeschlossen wird, wird auf der emotionalen Ebene argumentiert „fühl dich halt mitgemeint!“.

Emotionalität statt Rationalität

In Debatten mit Emotionen zu argumentieren ist, egal auf welcher Art und Weise, kritisch.
(In Debatten, nicht in persönlichen Beziehungen, da ist das wichtig.) Plötzlich zählen nämlich die Emotionen mehr als tatsächliche Argumente. Das führt dann zu solchen Blüten wie dem allgemeinen „Sicherheitsgefühl“ der Deutschen, das seit Jahren abnimmt – obwohl die Kriminalstatistik dem gegenläufig ist. Menschen „fühlen sich bedroht“, wenn Geflüchtete nach Deutschland kommen – obwohl dafür kein objektiver Grund zu finden ist. Nazis argumentieren gerne mit diesem diffusen, völkischen Gefühl, welches „die Masse“ oder „das Volk“ haben soll – unbeachtet der tatsächlichen Möglichkeit, ob achtzig Millionen Menschen überhaupt fähig sind, ein gemeinsames Gefühl zu entwickeln.

Emotionen sind nicht belegbar und deshalb als Argument eine starke Waffe – so können sie auch nicht widerlegt werden. Allerdings geht es auch nicht darum, Menschen ihre Gefühle und Erfahrungen abzusprechen – da sind Emotionen ebenso angebracht, wie in persönlichen Auseinandersetzungen.
Es geht darum, dass Menschen Emotionen zugeschrieben werden, die sie haben sollen. Nazis schreiben „dem deutschen Volk“ die Emotion der Angst zu, wenn es um Geflüchtete geht.

mitgedacht statt benannt

Menschen, die ausschließende Sprache benutzen, schreiben den Betroffenen das Gefühl zu, trotzdem „mitgedacht“ zu sein. Die Zuschreibung von Gefühlen kann sowohl im positiven, als auch im negativen Kontext verwendet werden, abhängig davon, was die zuschreibende Person erreichen möchte.
Ausschließende Menschen möchten mit dieser Zuschreibung erreichen, dass ihre eigenen Handlungen in den Hintergrund rücken. Denn schließlich ist jetzt nicht mehr die Handlung das zur Disposition stehende Objekt, sondern die Gefühle der Betroffenen.
Nazis wollen mit diesem „Angstgefühl“, welches sie Menschen zuschreiben, ein Druckmittel erzeugen, gegen das mit rationalen Argumenten nicht vorgegangen werden kann.

Grundsätzlich kann nur eine einzige Person über ihre jeweiligen Gefühle sprechen – und das ist die Person, zu der die Emotionen gehören. Anderen Menschen steht es nicht zu, einer Person Gefühle ab- oder zuzusprechen. Sie können sie weder nachvollziehen, noch widerlegen. Emotionen sind etwas zutiefst subjektives. So sollten sie auch behandelt werden. Das macht sie nicht weniger real oder valide, aber es nimmt ihnen den absoluten Charakter in einer Argumentation. Zwei Personen können in einer Situation komplett gegensätzliche Emotionen empfinden – das macht ihre jeweiligen Empfindungen aber nicht weniger real. Sie sollten sie nur nicht verwenden, um die andere Person davon zu überzeugen, dass eine der Empfindungen „richtiger“ ist als die andere.

Diskriminierungserfahrungen

Beide Emotionen sind richtig. Sind real und valide. Beide sind Kommunikationsmittel in einer persönlichen Kommuikation, um der anderen Person die eigene Sichtweise zu erklären.
Aber keine ist ein absolutes Argument zur Einschätzung der Situation.

Gerade wenn es um Diskriminierungen geht, stellen diese häufig einen subjektiven Charakterzug, eine Emotion, dar: Personen „fühlen“ sich diskriminiert, Frauen „fühlen“ sich sexistisch beleidigt, trans Menschen „fühlen“ sich nicht mitgedacht, Behinderte „fühlen“ sich ausgeschlossen.

Das nimmt der Diskriminierung den strukturellen Charakter und macht sie zu etwas Individuellem – weil andere Menschen mit den gleichen Voraussetzungen fühlen sich in der gleichen Situation vielleicht anders. Diese werden dann gerne als Beispiel herangezogen, um die Diskriminierung zu entwerten. „Meine Freundin fand den Witz aber lustig!“, „Mein Schwarzer Nachbar findet das N-Wort gar nicht so schlimm!“, usw. Damit steht das Aussage gegen Aussage oder eben Gefühl gegen Gefühl – und die Handlung als solche (sowie die handelnde Person) werden aus der Verantwortung herausgenommen.
Die Betroffenen dürfen sich dann schön über ihre jeweiligen Gefühle streiten, anstatt die konkrete Handlung (und die damit verbundene, strukturelle Diskriminierung) zu kritisieren.

Wenn ich von Menschen ausgeschlossen werde, dann werde ich ausgeschlossen. Ich „fühle“ mich vielleicht auch ausgeschlossen, vielleicht aber auch nicht. Mein Gefühl ist für die gegenwärtige Situation unerheblich, es beeinflusst höchstens meine Gedanken oder mein Verhalten in der Situation.
Die Situation als solche ist erst einmal interpretierbar.

Allyship

Die Tatsache, dass Menschen ausgeschlossen werden, können auch Personen kritisieren oder unterstützen, welche nicht selbst betroffen sind. Das ist gut, denn so können mehrere verschiedene Blickwinkel auf die gleiche Situation erschaffen werden. Situationen haben den Vorteil, dass Menschen sie vergleichen können und betrachten. Sie sind interpretierbar, diskutabel, sowohl unterstützend, als auch kritisierend, einzelne Handlungen hinterfragend. Das ist möglich, weil Situationen als solche grundsätzlich Fakten darstellen. Intentionen, verschiede Interpratationsmöglichkeiten, Sichtweisen, das ist alles diskutabel, aber die eigentliche Situation stellt erst einmal einen Fakt dar.
Mensch 1 hat x getan. Mensch 2 hat y getan. Darüber lässt sich dann sprechen.

Bei meinen Emotionen können Menschen das nicht. Sollen sie auch nicht. Nicht ihr Business.

Fazit

Menschen sollten für ihre Handlungen Rechenschaft ablegen müssen, nicht für ihre Gefühle oder ihre Intentionen.
Und das zeigt sich auch in der Sprache – wenn ihr Menschen nicht ausschließen wollt, dann tut es nicht, anstatt hinterher von Betroffenen zu erwarten, sich „mitgedacht“ zu fühlen!

In der linken Szene aktiv zu sein, macht Menschen automatisch zu Feminist_innen. Logischerweise, schließlich steht auf jedem zweiten Veranstaltungsflyer, dass Sexismus nicht erwünscht sei.
Auch diverse linke Räume haben sich dies groß über die Eingangstür geschrieben.
(Ja, mein Macker, Macker, Mackerfa - Artikel geht in eine ähnliche Richtung. Durchaus. Da geht es nur weniger um Penisse.)

Wer also mitmachen will, muss Feminist_in sein – oder geht bereits beim Einlass in Rauch auf.

Wäre ein hübsches Szenario, das möchte ich gar nicht bestreiten, ist aber leider meilenweit von der Realität entfernt.

Sexismus

Plumpe „Frauen an den Herd!“-Sprüche sind mittlerweile nur noch ironisch, meistens.
Macker, die das Konzert mit nacktem Oberkörper bestreiten, müssen zumindest teilweise mit Kritik rechnen. (Und schreiben dann Songs darüber, wie Swiss.) Unter der Oberfläche jedoch, ist die diskriminierende Struktur leider immer noch die gleiche. Und auch Feminist_innen bemängeln, dass es eine gewisse Fokussierung auf Penisse und Männlichkeit gibt. Im Umkehrschluss wird versucht, Vulven präsenter zu machen.

Selbstreflektion kostet Mühe und tut manchmal weh, weil Menschen sich eingestehen müssen, dass sie Mist gebaut haben. Und sich dafür im Idealfall sogar noch entschuldigen wollen/sollen und „sich entschuldigen“ Menschen nun mal meistens ziemlich schwer fällt.

Leider sieht sich die linke Szene gerne als reflektierten, sicheren Raum, weil das Schild über der Tür jede Diskriminierung, die wir während unserer Sozialisierung in dieser Gesellschaft internalisiert haben, in Rauch aufgehen lässt.

Fangen wir also mit den Fakten an: Diese Gesellschaft ist patriarchal und frauenfeindlich.
Sie stützt sich auf ein binäres Geschlechtersystem, welches sich willkürlich an reproduktiven Organen orientiert und im Laufe der Zeit immer rigider in der Umsetzung der Binarität geworden ist.
Penisse sind männlich, Vulvinas sind weiblich.

Biologismus

Bis 2011 wurden trans Personen zwangsterilisiert. Ansonsten durften sie nicht transitionieren. Inter Menschen leiden bis heute unter Zwangsoperationen, die sie einem der binären, angeblich von außen biologisch eindeutig zuordbaren, Geschlechter anpassen sollen. Bei diesen Operationen werden vor allem Neo-Vulven chirurgisch hergestellt. Penisse sind für die plastische Chirurgie eine größere Herausforderung. Seit März 2021 gibt es ein offizielles Verbot. Inter-Verbände bezweifeln jedoch, dass dieses Verbot alle Operationen beendet. Sie beobachten die Entwicklung.

Menschen mit Organ Y wird mehr Macht zugestanden als Menschen mit Organ X. Bereits bei der Geburt werden Menschen Rollen in der Gesellschaft zugeschrieben. Dise sind mit Farben codiert und vom äußerlichen Zustand der reproduktiven Organe abhängig. Wir alle sind damit aufgewachsen, dass Menschen entweder männlich oder weiblich sind und woran wir das erkennen.

Im Biologieunterricht der siebten, achten Klasse lernten wir, dass ein Penis das „männliche“ Geschlechtsteil sei, eine Vulvina das „weibliche“. Eine Vulvina ist die Gesamtheit aus Vulva und Vagina. Die Vagina ist der innere Teil, die Vulva der äußere Teil. Wir kennen deutlich bessere Begriffe für Penisse, als für Vulvinas. (Und wahrscheinlich auch mehr Synonyme. Probiert es aus.)

Es ist reproduktiven Organen ziemlich egal, wie sie benannt sind. Ein Penis ist ein Penis ist ein Penis, er ist kein „männliches“ Geschlechtsmerkmal. Er ist ein Organ, welches zum Ausscheiden von Urin und Samenflüssigkeit dient. Männlichkeit hat da erst das binäre System hineingedichtet.

Auch ein Uterus ist erst einmal nur ein reproduktives Organ, in dem sich eine Eizelle über neun Monate hinweg zu einem Menschen entwickelt. Ein Uterus ist kein Kennzeichen für Weiblichkeit, er wurde erst dazu gemacht.

Transfeindlichkeit

Seit mehreren Jahrhunderten hat die Biologie versucht, das binäre System an der Realität zu beweisen – und ist gescheitert. Das Zuweisen von Geschlecht anhand reproduktiver Organe funktioniert nicht, das ist nur noch nicht bis in die Gesellschaft vorgedrungen. Die ist nämlich grundsätzlich langsamer als wissenschaftliche Erkenntnisse. (Außerdem gibt es eine Definitionslücke zwischen "das sind Penisse" und "das sind Klitori". Das ist sehr witzig.)

Das Menschen mit Penis nicht immer männlich sind und Menschen mit Vulvina nicht immer weiblich, das wird in einigen feministischen Strömungen anerkannt.

(Feminismus ist ja leider auch nicht unbedingt homogen, aber dazu wann anders mehr.)

Dennoch fällt es auch Aktivist_innen immer noch sehr schwer, einfach anzuerkennen, dass manche Frauen einen Penis haben, manche eine Vulvina. Das führt zu Erwartungen an trans Menschen. Es setzt selbige nicht nur unter Druck, sondern eröffnet auch ein System, in welchem Menschen unterschiedlich bewertet werden. Die Unterscheidung, ob sie denn „wirklich“ weiblich/männlich wären, wird dann an vermuteten, körperlichen Merkmalen festgehalten. (Von nichtbinären Personen und inter Menschen ganz zu schweigen, wir bleiben unsichtbar.)

internalisierte Diskriminierung

Dabei übersehen Aktivist_innen, wie tief wir das binäre System verinnerlicht haben:

Ein Penis ist mit Männlichkeit assoziiert, Menschen mit Bartwuchs ebenso. Brüste werden als weiblich gelesen, eine hohe Stimme auch.

Bereits wenn wir Menschen kennenlernen, ordnen wir sie unbewusst in unser binäres System ein. Dafür kann Individuen auch keine Schuld gegeben werden, Sozialisierung ist ein tief reichendes, komplexes Muster in der Psyche jedes Individuums.

Was aber definitiv keine Lösung für internalisierte Diskriminierung ist: Sie verleugnen.

„Ich sehe keine Geschlechter, ich sehe nur Menschen“ negiert die Repressionen von Menschen, die nicht in das binäre System passen. Gleichzeitig entlastet es von der Verantwortung, sich selbst und die eigenen internalisierten Repressionen zu reflektieren.

strukturelle Diskriminierung

Menschen, die nicht in das binäre System passen, werden strukturell unterdrückt. Sie erleben sowohl sexistische, als auch transfeindliche Diskriminierung und haben eine der höchsten Selbstmordraten unter jungen Menschen. Darüber hinaus erfahren sie Psychopathologisierung.

Transgender steht als Identitätsstörung im ICD-10, dem Buch, welches die meisten Arztpersonen zur Diagnostik verwenden. (Positiv anzumerken ist, dass es im ICD-11 nicht mehr vorkommen wird.)

Strukturelle Diskriminierung ist perfide, weil nicht-Betroffene sie in den meisten Fällen nicht wahrnehmen. Selbst wenn sie selbige reproduzieren, einfach, weil sie „normal“ ist. Aber die linke Szene soll plötzlich davon völlig unbeleckt sein?

Dadurch stellen wir uns besser da, als wir sind und behaupten, dass ausgerechnet wir, weil wir ja so unglaublich reflektiert und emanzipatorisch sind, keinerlei Diskriminierungen internalisiert hätten.

Die Arroganz, die aus diesen Sätzen tropft, ist kaum zu ertragen und macht Betroffenen das Leben nur unnötig schwer. Die müssen nämlich trotzdem Bildungsarbeit leisten. Sie müssen damit leben, in Schubladen zu stecken und mühsam wieder rauskrabbeln. Während wir behaupten, völlig ohne Schubladen denken zu können. (Das Schild über der Tür, wir erinnern uns?)

Selbstreflektion bedeutet mehr, als bloß neue Pronomen nutzen zu können und Männer in Röcken nicht auszulachen. Selbstreflektion bedeutet, dass wir alle uns eingestehen müssen, Teil der beschissenen Gesellschaft zu sein und auch Teile ihrer diskriminierenden Grundsätze übernommen zu haben. Erst dann, wenn wir das anerkennen, können wir es ändern.

Vorher reproduziert eins strukturelle Diskriminierungen nämlich einfach mit einem „Ich sehe keine Geschlechter, ich bin nicht so.“. Durch Verleugnung.

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