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Swiss: Heilige, Hure und die Andern (Teil II)

Ey, Swiss! Wer hat euch erlaubt, die Regenbogenfahne zu nutzen?!

Ich, beim Sehen von „Nicht kommen sehen“.

Moin.
Es ist August 2021 (als ich angefangen habe. Mittlerweile ist Oktober, oh. November. Wir sehen, ich leide unter Prokrastination.). Immer noch wird ein Artikel über Swiss geteilt, den ich im Oktober 2020 schrieb – nichtsahnend, was ich damit auslösen würde. Er ist hier verlinkt und hat mittlerweile knapp 10.000 Aufrufe. Die dürft ihr auch gerne verdoppeln und vielleicht werden dann die Beleidigungen, die ich im Ergebnis erhalte, ein bisschen kreativer.

Unkreative Beleidigungen schalte ich übrigens prinzipiell nicht frei und deshalb strengt euch bitte ein bisschen an, ja?

Swiss und die Andern waren ein gar fleißiger Haufen und haben im vergangenen Jahr viel veröffentlicht. In vielen Fällen hat Swiss dabei mit anderen Bands zusammengearbeitet. Dieser Beitrag wird sich mit den neuen Songs (2020, 2021) und ihren Videos auseinandersetzen. Für ihren Instagram gibt es vielleicht, irgendwann einen dritten Teil. (Weil Minzgespinst mittlerweilde auf Insta ist, bekomme ich viel mehr Dinge mit, die ich eigentlich nie wissen wollte, aber lassen wir das.)
Danke nochmal an jene, die meinen Beitrag wohlwollend geteilt haben und die sagten, sie hätten viel gelernt. Für euch mache ich das hier!

Übersicht über die Veröffentlichungen

Beginnen wir chronologisch und arbeiten uns durch, wie gesagt, die Jungs waren fleißig. An Singles und EP wurde folgendes veröffentlicht:

  1. Nicht kommen sehen (2020) – mit Video
  2. 10 kleine Punkah (2020) – mit Video
  3. Herz auf St. Pauli (2020) – mit Video
  4. Alkohol (2020) – mit Video
  5. Lebe deinen Hass feat Ruffiction (2020) – mit Video
  6. Bullenwagen (2020) – mit Video
  7. Wir sterben alle (2020) – mit Video
  8. Schwarz Tot Gold (2020) – mit Video
  9. Mittelfinger Richtung Zukunft (2020) – mit Video
  10. FDM-Punk (2020) – mit Video
  11. No Pasaran (2020) – mit Video
  12. Stück für Stück (2020) – mit Video
  13. Kein Talent feat. ZSK (2020) – mit Video
  14. Orphan (2021) – mit Video
  15. Zatan lebt! (2021) – mit Video
  16. Panikk (2021) – mit Video
  17. Linksradikaler Schlager (2021) – mit Video
  18. Solikasse mit Joshi (2021) – mit Video
  19. Antifa (2021) – mit Video
  20. Keine Gewalt/Plenum (2021) – mit Video

An Alben wurden nur zwei Neuerscheinungen veröffentlicht, namentlich „Saunaclub“ (2020) und „Orphan“ (2021). Stattdessen bekam jede Single ihr eigenes Video, und die waren teilweise aufwendig produziert. Es wurde also ordentlich in die eigene Visualisierung investiert.

Ich stelle fest, die Lieder sind marginal besser, wenn Swiss (und die Andern) mit anderen Bands zusammen auftreten. Was das für den Stil der Band sagt – whatever. Nicht mein Sterni.

Inhaltliche Analyse

Mehrere Dinge sind auf jeden Fall prägnant und ich fasse hier zusammen. Die Zwischenüberschriften geben einen groben Überblick, aber natürlich ist es nicht vollständig.

Sexismus

Es werden immer mehr, deutlich sexualisierte Frauen (oder zumindest Menschen, die von mir in diesem Kontext als Frauen wahrgenommen werden). Von „ab und zu tanzt mal eine Frau im Hintergrund“ bis zu sehr sexualisiertem Tanzen und „auf den Arsch klatschen“ bei Keine Gewalt/Plenum. Gleichzeitig bleiben Frauen weiterhin passiv. Ein Beispiel dafür wäre „meine Schwester schläft im Shirt von Che Guevara“ oder (sinngemäß zusammengefasst) „meine Ex hat Angst, weil ich aus der Klapse raus bin“.

Auch „Hurensöhne“ und Anspielungen auf Gewalt gegen Frauen ziehen sich durch, besonders bei 10 kleine Punkah, Kein Talent feat ZSK, Orphan, Panikk, Linksradikaler Schlager, Solikasse mit Joshi (die Dancemoves sind wiederum wirklich beeindruckend, ich erkenne das an), Antifa und Keine Gewalt/Plenum. Außerdem… kommt schon, ist wirklich „wir ficken deine Mama“ (wie bei 10 kleine Punkah und FDM-Punks und Panikk) das Niveau, auf dem sich eure Linksradikalität bewegt? Ist es wirklich so, so schwer, Frauen nicht als reine Ejakulationsobjekte wahrzunehmen?

Ableismus

Videos brauchen ne Epilepsiewarnung. Bei Alkohol wurde das umgesetzt, bei Nicht kommen sehen, Lebe deinen Hass feat Ruffiction, Mittelfinger Richtung Zukunft wäre es notwendig gewesen. Aber Ableismus ist bei euch und anderen Bands eh ein grundsätzliches Problem. Ich empfehle diesen Blogpost: Warum Nazis nicht dumm sind.

Auch die Darstellung von psychischen Krankheiten und der „Klapse“ halte ich bei euch für problematisch bis gefährlich. Auch die linke Szene liebt ihren Ableismus, dafür muss es nicht einmal (wie bei der Terrorgruppe passiert) dazu kommen, dass Menschen einfach in die Konzerträume nicht reindürfen. Bei Swiss (und vielen anderen Punkbands) wird die Gesellschaft als „krank“ bezeichnet, was schlussendlich auch nur völkisches Denken ist: Die gesunde Gesellschaft, das gesunde Volk gegen die kranke Gesellschaft, das entartete Volk. Was dabei wiederum als „gesund“ oder „krank“ definiert wird, bleibt von der jeweiligen, politichen Überzeugung abhängig. Aber grundsätzlich problematisch ist die Metapher dennoch. Was macht ihr mit den „kranken“ Teilen, dem „Krebs“ der Gesellschaft? Erschießen, wie in Orphan? Satan opfern? Töten? Und wer definiert, was „krank“ ist?

Schwulenfeindlichkeit

Internalisierte Schwulenfeindlichkeit. In den Liedern 10 kleine Punkah, FDM-Punk, Panikk wird wahlweise (wie bei 10 kleine Punkah) Zärtlichkeit gegenüber Männern als „witzig“ und „Gag“ dargestellt oder in den anderen Liedern anale Vergewaltigung zur politischen Praxis erklärt. Bisschen ironisch, bei Linksradikaler Schlager dann „Homophobie ist widerlich“ zu singen, wenn dann die eigenen Songs dem dauerhaft widersprechen. Nein, Vergewaltigung (auch die von Bullen) und vor allem anale Vergewaltigung sind nicht witzig oder politisch. Die darin enthaltene Schwulenfeindlichkeit wird nicht weniger, nur weil ihr irgendwann mal „wir mögen keine Homophobie“ singt.

Transfeindlichkeit und latenter Antisemitismus

Transfeindlichkeit, binäres Geschlechterverständnis und Antisemitismus. Immer wieder in Songs, die diesbezüglich Raum zur Interpretation lassen (vor allem einer femininen Person eine „männliche“ Stimme zu geben, ist definitiv transmisogyn, siehe 10 kleine Punkah). Bezüglich Geschlechterverständnis: Für euch existieren offensichtlich ausschließlich Männer und Frauen. Geschenkt. Latenter Antisemitismus kommt immer mal wieder in Chiffren durch. Chiffren sind symbolartige Metaphern, die bewusst die eigentliche Bedeutung verschleiern. Antisemitische Chiffren sind auch in der linken Szene weit verbreitet. Aber ich gehe nicht davon aus, dass diese bewusst gewählt wurden.

Gleichzeitig haben wir eine dauerhafte „die da oben mit dem Geld“-Rhetorik, darüber hinaus eine Anspielung auf schwarze Sonnen und satanische Rituale und die Zeile „ihr verleugnet mich, so wie den Holocaust“ in Orphan. In der Summe (ich habe mir die Lieder alle nacheinander angehört) wirkt es heftig und damit sollte sich auseinandergesetzt werden.

Umgang mit Kritik

Umgang mit Kritik: Klar, ihr könnt es immer extremer abwehren, euch grundsätzlich gegen jede Art der Kritik immunisieren und euch zusammen mit den Sippschaften in eure eigene „wir sind die Guten“-Bubble zurückziehen. Dies nennt sich ab einer gewissen Größe dann sektenhaftes Verhalten. Lieder wie 10 kleine Punkah, FDM-Punk, Kein Talent feat ZSK, Keine Gewalt/Plenum sind Songs, die bewusst auf innerlinke Kritik anspielen und sie lächerlich machen. Sorry Dudes, ich brauch kein Plenum, um euch albern zu finden, ich kriege das durchaus autonom hin. Mögt ihr nicht glauben, aber die Leute, die euch kritisieren, tun das durchaus aus unterschiedlichen Gründen und Perspektiven und kennen sich nicht einmal.

Positives

Was ich mochte: Herz auf St. Pauli war nett, No Pasaran war 0815 Punk, kannste schon machen. (Da Deutschland nie entnazifiziert wurde, wie ihr korrekt erkannt habt, sind die Nürnberger Prozesse (und ihr) nicht so einschüchternd, wie ihr vielleicht denkt, aber okay). Solikasse mit Joshi und Linksradikaler Schlager haben grundsätzlich Spaß gemacht zu hören, ich mag den Stalingradwitz beim letzteren.

Fazit

Was mir abschließend wichtig ist: Die Liste ist unvollständig und zu einigen Songs gäbe es deutlich mehr zu sagen. Mir geht es aber gar nicht um einzelne Songs, sondern um die Tatsache, dass hier eine Band „Punk“ macht, die eigentlich nichts anderes schreiben und in der Masse die nicht-problematischen Lieder Einzelfälle sind. Ich persönlich kenne keine cis männliche Punkband, die nicht irgendwo und irgendwann problematische Songs geschrieben hat. Aber die meisten machen das nicht als dauerhafte Hintergrundbeschallung.

2 Gedanken zu „Swiss: Heilige, Hure und die Andern (Teil II)“

  1. Pingback: Penisse sind nicht männlich. - Bonbonschachtel.

  2. Pingback: Heilige, Hure und die Andern - missglückte Welt - Bonbonschachtel.

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