Ich bin wütend. Ich bin außerdem aufgedreht, empowert und habe Lust auf Sekt, aber vorher will ich diesen Artikel schreiben, solange der Eindruck noch frisch ist.
Linke Männer. Nehmen wir einen Typen, nennen wir ihn Matze. Matze ist gar kein Macker, Matze ist "kritisch männlich". Matze kennt alle Buzzwords (Feminismus, Aktivismus, Anarchismus, Männlichkeit, Diskriminierung). Matze lebt schon irgendwie in einer offenen Beziehung, zumindest hat seine Freundin zugestimmt, dass er herumvögeln kann. Laut ihm kommt sie damit zwar nicht gut zurecht, aber er hat halt so große Lust dazu.
Matze ist ein Arschloch. Aber weil Matze das immer nur bei einzelnen Personen macht, wird Matze dafür nicht zur Rechenschaft gezogen. Matze trifft vor allem FLINT-Personen. Er übertritt keine Grenzen, er verschiebt nur Grenzen immer weiter nach hinten, bis er bekommt, was er will.
Wird er dafür kritisiert, tut er überrascht - er würde NIE eine Grenze überschreiten, das wäre ja fürchterlich!
Zurück bleibt eine verwirrte Person, die ihre eigenen Erfahrungen hinterfragt. Aber Matze ist für ihre emotionalen Bedürfnisse auch nicht zuständig, schließlich sei ja alles casual und abgesprochen.
Im besten Fall redet diese Person mit Freund_innen. Im allerbesten Fall trifft die Person Menschen, die ebenfalls Erfahrungen mit Matze haben. Und dann stellen alle fest: Es sind immer wieder die gleichen Geschichten, sie unterscheiden sich nur situativ. Hinterher steht im Raum... ...was jetzt? Und: Warum haben wir das nicht viel früher erkannt?
Weil patriarchale Strukturen auch in linken Räumen ein Problem sind. Weil Menschen wie Matze geschickt darin sind, ihr manipulatives Verhalten hinter "Szenezugehörigkeit" zu verstecken. Weil FLINT immer noch vorgeworfen wird, sie würden ihre "persönlichen Probleme" in Gruppen tragen, wenn sie darüber reden wollen. Weil das private, das sexuelle bitte innerhalb der eigenen vier Wände zu bleiben hat. Weil linke Räume immer noch eher Rufmord wittern, als Verhalten zu hinterfragen.
Weil das Patriarchat auch unsere Szene vergiftet und FLINT die Verantwortung bei sich suchen, anstatt auf ihre eigenen Grenzen zu hören und sie zu beachten.
Wir alle kennen einen solchen Matze. Aber die Szene ist klein, wir können nicht alle cis Dudes verlieren, die irgendwie uncool sind. Und wir wollen ja auch nicht, dass Menschen Angst vor einem Outcall haben müssen.
Wollen wir nicht? Ich schon. Ich will, dass Menschen den Arsch hochkriegen. Und wenn sie es aus Angst vor feministischer Intervention tun, nun, dann ist dem eben so. Befreite Gesellschaft heißt, dass wir Normen überwinden und die des Patriarchats sind eindeutig Teil davon. Ich will ohne Angst reden können. Ich will das Private politisch machen.
Und vor allem... Ich will Anerkennung für die Arbeit, die jeder Matze auslöst. Treffen organisieren. Erfahrungen abgleichen. Die eigene Betroffenheit von Übergriffen anerkennen. Die Auseinandersetzung mit eigenen Emotionen. Die Übersetzung eigener Emotionen in strukturelle Diskriminierungen. Die Abgrenzung. Das Aushalten von Schmerz, von "Warum hab ich nichts getan", von internalisiertem victim blaming.
Das Verhalten von Matze hat Auswirkungen - und die wenigsten Matze machen sich Gedanken darum. Nebenbei Tätertum - obwohl ja "eigentlich" nichts schlimmes passiert ist. Bla.
Ich möchte einen umfassenden Feminismus. Kein Feigenblatt, keine Kirsche auf der Torte. Und ja, heute bin ich nicht analytisch. Ich bin wütend über das Patriarchat und glücklich, dass Empowerment wichtig ist, richtig ist und funktioniert. Und jetzt gönne ich mir Sekt mit Glitzer und zeige den Matzes dieser Welt den Mittelfinger.
Suck my Testodick, Boi.
WIR WOLLEN KEIN STÜCK VOM KUCHEN, WIR WOLLEN DIE GANZE BÄCKEREI!
Einer der beliebtesten Demosprüche vor allem feministischer Demonstrationen. Er signalisiert, dass die Betroffenen durchaus sehen, dass ihnen zwar ein bisschen gleichberechtigter entgegengekommen werden soll, aber sie eben nur ein Stückchen abhaben sollen, obwohl es grundsätzlich um eine gleichberechtigte Teilhabe geht, um ein selbstbestimmtes Leben, ohne Kapitalismus, ohne Patriarchat. Eben um die ganze Bäckerei.
Ich war Teil dieser Demonstrationen. Ich war acht Jahre Feministin, bevor ich erkannte, dass ich Feminist_in bin. Das ich zwar sehr lange für eine Frau gehalten wurde, aber keine Frau bin - sondern nichtbinär, genderfluid. Ich hab meinen offiziellen Namen, meinen Personenstand und meine Anrede ändern lassen und eine Hormonersatztherapie begonnen.
Ich wusste, es würde Änderungen bedeuten. Ich wusste, es würde Menschen irritieren und bereits der Weg hin zu den rechtlichen Änderungen gab mir einen Vorgeschmack dessen, was meine bloße Existenz mit der Gesellschaft machte - sie irritieren, verunsichern und viel zu oft war die Reaktion mehr oder minder gut versteckte Aggression.
Was ich nicht erwartet hatte, war, wie viel Einfluss es auf meine feministische Arbeit haben würde. Ich war plötzlich nicht mehr gleichberechtigt in feministischen Kämpfen, sondern "nur noch" trans. Mir wurde - und wird - das Recht abgesprochen, Teil vom 08. März sein zu dürfen, da ich ja nicht die gleichen Diskriminierungen erfahren würde wie Frauen.
Teilweise wurde ich aus Gruppen ausgeschlossen, da die Quotierung nur für Frauen galt und meine Anwesenheit eine cis-männliche-Dominanz bedeutet hätte.
Mein Körper wird vereinnahmt, wenn es um (ungewollte) Schwangerschaften geht, während meine intellektuellen Beiträge ausgeklammert werden, da diese ja nur trans Personen betreffen würden und für den feministischen Diskurs keinen Mehrwert hätten.
Auf der nächsten "Marx ist Muss" wird es Veranstaltungen geben, die sich zum Schwerpunkt gemacht haben, trans Kämpfe und Frauenkämpfe zusammenführen zu wollen - ohne daran zu denken, dass trans Frauen eigentlich schon zu den Frauenkämpfen gehören sollten und trans Männer mehr Erfahrungen mit den Themen der Frauenkämpfe haben, als allen eigentlich lieb ist. Es wird Transfeindlichkeit reproduziert, um sich im Anschluss solidarisch mit trans Personen (die Originalformulierung ist leider transfeindlich) zeigen zu können. Ein Stück vom Kuchen? Nein, ausschließlich Krümel.
Ich weiß, wie sich feministische Kämpfe anfühlen, die mich einschließen. Ich weiß, wie sich feministische Solidarität, Solidarität unter Frauen anfühlt. Habe ich die mir erschlichen, sie heimlich ausgesaugt, wie mir so oft unterstellt wird, weil ich zu dem Zeitpunkt noch keine Worte hatte für mein Empfinden? Ist es nur gerecht, dass ich ausgeschlossen werde, schließlich habe ich durch meine Existenz keine Solidarität, zumindest keine selbstverständliche, verdient?
Vor drei Jahren war der 08. März noch mein Tag, dieses Jahr wurde mir gesagt, er wäre nur für Frauen, ich solle mich verziehen, schweigen, solidarisch mit Frauen sein.
Während mir keine Solidarität entgegengebracht wird, immerhin hätte ich mich ja selbst dazu entschieden, mich zu outen und müsste jetzt mit den Konsequenzen leben. Das klingt, als wäre Feminismus, dieser Femicismus, eine Gemeinschaft, aus der ich freiwillig ausgetreten wäre und nun die gerechte Strafe dafür erhielte, keine Frau zu sein.
Ich wäre ja Teil der Transkämpfe, so als trans Person. Und natürlich müsste der Feminismus auch solidarisch mit den Kämpfen von trans Personen sein, so sei das ja nicht. Aber gleichberechtigt seien diese Kämpfe nicht. Trans Männer und nichtbinäre Personen haben am FrauenKampfTag solidarisch zu sein, um dann am NonbinaryDay alleine zu stehen.
Oder könnt ihr mir sagen, wann NonbinaryDay ist? Könnt ihr euch auch an die großartige Solidarität, das Pushen des Tages und den eigenen Hashtag auf Twitter mit süßem Bildchen dahinter erinnern? Nein? Ich auch nicht, es hat nämlich nie stattgefunden.
Sozialisation ist komplizierter, als cis Geschlechterdenken es uns glauben macht. Sie ist nicht nur von außen oder von innen heraus zu betrachten. Trans Frauen zu unterstellen, sie wären ausschließlich männlich sozialisiert worden, ist genauso falsch, wie trans Männern zu signalisieren, sie hätten absolut keine Ahnung, wie es sei, als Frau gelesen zu werden.
Ich hatte den Kuchen, nun bekomme ich Krümel zugeworfen und habe dafür dankbar zu sein.
ICH WILL KEIN STÜCK VOM KUCHEN, ICH WILL NICHT EURE KRÜMEL, ICH WILL DIE GANZE BÄCKEREI!
Dankeschön.
(Internationaler Tag der Nichtbinarität ist übrigens am 14. Juli, falls ihr Lust habt, dieses Jahr mal solidarisch zu sein.)
Ich habe gelesen. Ich habe am Wochenende dieses Buch auf den Tisch geschoben bekommen. Von einer Person, die ich bewundere und schätze. Für seinen Mut, für seine politische Arbeit, für seine Widerständigkeit. Für seine Zärtlichkeit, passende Namen zu geben.
Das war am Sonntag, heute ist Dienstag. Ich habe gelesen, ich habe dieses Buch gelesen, verschlungen, es kratzte auf dem Knochen und ging unter die Haut. Ich bin fertig geworden, ich habe es zur Seite gelegt. Neben den Laptop, neben mir schnurrt eine Katze, ansonsten ist es still. Nur meine Finger klackern auf der Tastatur, während ich schreibe. Das Buch heißt "Baby Butch" und es ist beeindruckend.
Die Geschichte ist schnell zusammengefasst, ich zitiere den Klappentext, um nicht zu spoilern:
Was hat das Einhorn mit der Jungfrau Maria zu tun und Feminismus mit Waffenexporten? Gibt es die unbefleckte Empfängnis wirklich, hilft BDSM gegen Polizeigewalt und was können trans Menschen erwidern, wenn sie mal wieder gefragt werden: „Was bist du?“
Spätsommer 2015, Berlin.
Während in Heidenau und Freital rassistische Mobs Geflüchtete angreifen, planen Steph, eine linksradikale Baby Butch, und Maria, eine kommunistische trans Frau, zusammen ein Kind zu bekommen. Mit Erfolg: Steph ist schwanger! Was als alternative Familiengründung geplant war, ist jedoch schnell ein Chaos aus Beziehungsgeflechten und Existenzängsten. Zwischen Demonstrationen, Polizeigewalt, Transition und Wohnungslosigkeit versucht eine Gruppe junger, impulsiver Queers, Kontrolle über ihr Leben zu behalten, während um sie herum die politische Lage längst außer Kontrolle geraten ist.
Erschienen ist es November 2019, Edition Assemblage.
Linke Zerrissenheit, die Gratwanderung zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen, Überforderungen und Kommunikationsverhalten. Scheiße sein - ohne es zu wollen, es trotzdem zu dürfen, geliebt zu werden und von Schuldgefühlen zerfressen. Politische Diskussionen, die unter die Haut gehen und zwischen die Beine treffen. Verzweiflung an Sonntagen und das Bedürfnis, die Welt sofort verändern zu wollen; Resignation und Ausgebrannt sein.
Wer sich in diesen Konstrukten wiederfindet, sollte dieses Buch lesen.
Die Charaktere sind nicht (nur) nett zueinander, sie sind menschlich, sie sind politisch, sie ziehen Grenzen. Trösten sich nicht, wenn es nur um Befindlichkeiten, eigene Privilegien geht. Das kann hart sein zu lesen, weil es wehtut, weil es der Protagonist_in damit im ersten Moment nicht gut geht. Aber es ist gleichzeitig ein Punkt, an dem sowohl die Reflektion von Lesenden, als auch der Protagonist_in angestoßen wird. Ohne, dass diese Trostlosigkeit, bewusste Empathielosigkeit die Beziehung der Protagonist_innen (zer)stört. Es ist keine heile Wohlfühlwelt, es ist die unsrige.
Eine Welt, in der Polizeigewalt und Rassismus eine Rolle spielen. Personen sich aufgrund von Sozialisierung und Privilegien so richtig scheiße verhalten können - und dennoch versuchen, das richtige zu tun. Es geht um Dysphorie und Unsicherheit, darum, welche Begriffe für welche Person passen.
Ob sie passend gemacht werden können. Ob sie uns überhaupt zustehen oder wir damit anderen etwas wegnehmen.
Es geht nicht darum, eine Lösung zu finden. Lou Conradi wirft Fragen auf, ohne selbst die Antworten geben zu können. Er gibt nur einen Ausblick auf mögliche Lösungen, aber er gibt kein Patent.
Romane sind auch nicht dazu gemacht, Patente zu vergeben. Gleichzeitig ist dieser hier so nah an meiner Realität, dass ich unbewusst doch nach möglichen Ideen für ein besseres Wir suche.
Ich zumindest habe es getan. Und war schlussendlich erleichtert, als mir keine einfache Lösung präsentiert wurde.
"Es gibt kein richtiges im Falschen", sagte einst Adorno, als er die Möblierung seiner Zeit kritisierte - auf der Metaebene bestimmt noch mehr, aber das würde zu weit führen. Ein geflügeltes Wort der Szene, ironisch und unironisch verwendet, zu allem passend (ungefähr so wie Salz - oder Pommes. Ja, sie schmecken auch mit Ahornsirup.)
"Baby Butch" zeigt eindringlich und dabei nicht abgehoben, intensiv und doch nicht wehleidig, wie richtig dieser Ausspruch immer noch ist. Vor allem, wenn es um trans Themen geht. Es gibt kein richtiges Leben im falschen Geschlecht. In dem, das mir zugeschrieben wurde. Gleichzeitig bleibt die Frage, ob denn "das falsche Geschlecht" zu sagen, mir überhaupt zusteht. Ob es denn nicht andere Personen gibt, denen es noch schlechter geht. Die große Frage der meisten Eier (ungeschlüpfte trans Person), die ich on- und offline getroffen habe. Auch euch möchte ich dieses Buch ans Herz legen. Ich möchte es allen trans Geschwistern und allen verzweifelten Queers der linken Szene geben.
Ich möchte mit euch einen Kuschelhaufen bilden und gemeinsam verzweifeln, während wir das "Gute Leben für Alle" erreichen wollen.
P.S.: Wenn sich das eigene Geschlecht nicht richtig (auf welche Art auch immer) anfühlt, ist es wahrscheinlich nicht das richtige.