Schlagwort: Macker

  • Awarenessarbeit – Partypolizei mit Machtgelüsten

    Wir brauchen kein Awarenessteam. Wir sind doch schon alle aware und passen gut aufeinander auf! Awarenessarbeit ist überflüssig!

    Veranstalter.

    Sagen wir so, meine Sympathie mit den Veranstaltenden war zu dem Zeitpunkt ohnehin auf den Grad flüssigen Stickstoffs gesunken. Aber ich war ja nicht da, um den Veranstaltenden zu gefallen, sondern, um meinen Job zu machen.

    Awarenessarbeit

    Mein Job nennt sich „Awarenessarbeit“. Awareness kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „Achtsamkeit“. Im deutschen Sprachgebrauch wird damit eine Sensibilität gegenüber strukturellen Diskriminierungen und sexualisierter Gewalt gemeint. Ein Awarenessteam soll also dafür sorgen, dass Betroffene von sexualisierter Gewalt und/oder Diskriminierungen einen Anlaufpunkt haben. Wir sind die, an die sich Leute wenden können.

    Ein Awarenessteam ist nicht dazu da, betroffene Personen zu trösten oder mit ihnen über ihre Erfahrungen zu diskutieren. Wir wollen die Veranstaltung zu einem sichereren und diskriminierungsärmeren Raum machen. Meine Veranstaltungen sollen nicht sein wie Jeja Klein hier sehr gut kritisiert. Ich will kein Feigenblatt sein. Sondern fundamentale Veränderung.

    Umsetzung

    Es gibt verschiedene Varianten, wie Awareness aussehen kann. Ich persönlich habe eine sehr spezialisierte und konkrete Vorstellung davon, wie sie auszusehen hat. In meinen Workshops biete ich aber auch immer die jeweiligen Alternativen an.

    Definitionsmacht

    Definitionsmacht (oder DefMa) ist ein Konzept, dass Betroffenen die alleinige Macht gibt, Situationen als Übergriff zu bezeichnen. Entwickelt wurde das Konzept, um patriarchalen Strukturen (victim blaming) und bürgerlichen Gesetzestexten eine alternative, autonome und empowernde Möglichkeit entgegenzusetzen. Es ist also nicht Aufgabe des Awarenessteams, die Darstellung der betroffenen Person zu hinterfragen. Sie gehört als gegeben hingenommen

    Machtgefälle

    Machtgefälle. Nein, Awarenessteams sind nicht dazu da, dass sich „alle“ wohlfühlen. Wir sind dafür da, dass sich „vor allem Marginalisierte“ wohlfühlen können. Wir sind nicht die Schlichtungseinrichtung und wir sind nicht dafür da, auszudiskutieren, „ob das jetzt wirklich schlimm war“. Unser Job ist es, Marginalisierte zu schützen und zu unterstützen. Wer sich konfliktscheu zurückzieht und Nazis die Tanzfläche überlässt, weil sie ja (noch) nicht übergriffig waren, macht seinen Job falsch. Ja, Awareness schafft ein Machtgefälle. Dieses Machtgefälle gleicht (wenn auch nicht mal annähernd) das strukturelle Machtgefälle aus, das sexualisierte Gewalt und Diskriminierungen unterstützt und schützt.

    Voraussetzungen

    Awareness ist Arbeit. Wir sind diejenigen, die Ahnung von Substanzenkonsum haben müssen. (Weil wir vor allem auf Partys zwangsläufig diejenigen sind, die auch Menschen mit Überkonsum betreuen).
    Uns mit Gewalt auskennen, strukturelle Diskriminierung erkennen und benennen. Wir stehen (teilweise über Stunden) mit Betroffenen in engem Kontakt.
    Awarenessarbeit ist anstrengend. Sie ist belastend (physisch und psychisch). Es sollte definitiv nicht von Leuten gemacht werden, die zu langsam waren, als die Frage aufkam, wer „heute Abend die Awareness macht“.
    (In Teams, in denen ich arbeite, gibt es für neue Menschen ein Tandemprinzip, damit Leute voneinander lernen können. Außerdem ist die Faustregel „zwei Menschen pro Floor“, damit ausreichend Ressourcen für Fälle zur Verfügung stehen.)

    struktureller Ansatz

    Awarenessarbeit ist kein „Trost“. Wir sollen strukturelle Probleme auf eine individuelle Situation anpassen und erkennen. Danach eine Lösung für die Situation finden, welche die Diskriminierung mit einbezieht. Es geht nicht (nur) darum, einer Person über den Rücken zu streicheln und ihr zu sagen, dass alles gut wird. Eher darum, der Person zu ermöglichen, eine machtlose Situation in eine zu verändern, in der sie Selbst_Ermächtigung erfährt. Übergriffe sind in den meisten Fällen etwas, womit Betroffene aufgrund der gesellschaftlichen Struktur ohnehin dauerhaft konfrontiert werden. Awarenessarbeit ist, den Kreislauf von 1. Ich wurde in eine machtlose Situation gebracht.
    2. Niemensch hilft mir.
    3. Ich bleibe allein und machtlos.
    zu brechen und Menschen handlungsfähig zu machen.

    Abschluss

    Eine letze Anmerkung noch zu dem Typen aus dem Eingangszitat. Wenn hier alle so aware und achtsam wären, hätte ich nicht vor Beginn der Party zwei Shoa-leugnende-Hippies verweisen müssen. (In diesem Fall auch wichtig: Eine Security, die das Awarenesskonzept unterstützt.)

  • Suck my dick, Boi!

    Ich bin wütend. Ich bin außerdem aufgedreht, empowert und habe Lust auf Sekt, aber vorher will ich diesen Artikel schreiben, solange der Eindruck noch frisch ist.

    Linke Männer. Nehmen wir einen Typen, nennen wir ihn Matze. Matze ist gar kein Macker, Matze ist „kritisch männlich“. Matze kennt alle Buzzwords (Feminismus, Aktivismus, Anarchismus, Männlichkeit, Diskriminierung). Matze lebt schon irgendwie in einer offenen Beziehung, zumindest hat seine Freundin zugestimmt, dass er herumvögeln kann. Laut ihm kommt sie damit zwar nicht gut zurecht, aber er hat halt so große Lust dazu.

    Matze ist ein Arschloch. Aber weil Matze das immer nur bei einzelnen Personen macht, wird Matze dafür nicht zur Rechenschaft gezogen. Matze trifft vor allem FLINT-Personen. Er übertritt keine Grenzen, er verschiebt nur Grenzen immer weiter nach hinten, bis er bekommt, was er will.
    Wird er dafür kritisiert, tut er überrascht – er würde NIE eine Grenze überschreiten, das wäre ja fürchterlich!
    Zurück bleibt eine verwirrte Person, die ihre eigenen Erfahrungen hinterfragt. Aber Matze ist für ihre emotionalen Bedürfnisse auch nicht zuständig, schließlich sei ja alles casual und abgesprochen.

    Im besten Fall redet diese Person mit Freund_innen. Im allerbesten Fall trifft die Person Menschen, die ebenfalls Erfahrungen mit Matze haben. Und dann stellen alle fest: Es sind immer wieder die gleichen Geschichten, sie unterscheiden sich nur situativ. Hinterher steht im Raum… …was jetzt? Und: Warum haben wir das nicht viel früher erkannt?

    Weil patriarchale Strukturen auch in linken Räumen ein Problem sind. Weil Menschen wie Matze geschickt darin sind, ihr manipulatives Verhalten hinter „Szenezugehörigkeit“ zu verstecken. Weil FLINT immer noch vorgeworfen wird, sie würden ihre „persönlichen Probleme“ in Gruppen tragen, wenn sie darüber reden wollen. Weil das private, das sexuelle bitte innerhalb der eigenen vier Wände zu bleiben hat. Weil linke Räume immer noch eher Rufmord wittern, als Verhalten zu hinterfragen.
    Weil das Patriarchat auch unsere Szene vergiftet und FLINT die Verantwortung bei sich suchen, anstatt auf ihre eigenen Grenzen zu hören und sie zu beachten.

    Wir alle kennen einen solchen Matze. Aber die Szene ist klein, wir können nicht alle cis Dudes verlieren, die irgendwie uncool sind. Und wir wollen ja auch nicht, dass Menschen Angst vor einem Outcall haben müssen.

    Wollen wir nicht? Ich schon. Ich will, dass Menschen den Arsch hochkriegen. Und wenn sie es aus Angst vor feministischer Intervention tun, nun, dann ist dem eben so. Befreite Gesellschaft heißt, dass wir Normen überwinden und die des Patriarchats sind eindeutig Teil davon. Ich will ohne Angst reden können. Ich will das Private politisch machen.

    Und vor allem… Ich will Anerkennung für die Arbeit, die jeder Matze auslöst. Treffen organisieren. Erfahrungen abgleichen. Die eigene Betroffenheit von Übergriffen anerkennen. Die Auseinandersetzung mit eigenen Emotionen. Die Übersetzung eigener Emotionen in strukturelle Diskriminierungen. Die Abgrenzung. Das Aushalten von Schmerz, von „Warum hab ich nichts getan“, von internalisiertem victim blaming.

    Das Verhalten von Matze hat Auswirkungen – und die wenigsten Matze machen sich Gedanken darum. Nebenbei Tätertum – obwohl ja „eigentlich“ nichts schlimmes passiert ist. Bla.

    Ich möchte einen umfassenden Feminismus. Kein Feigenblatt, keine Kirsche auf der Torte. Und ja, heute bin ich nicht analytisch. Ich bin wütend über das Patriarchat und glücklich, dass Empowerment wichtig ist, richtig ist und funktioniert. Und jetzt gönne ich mir Sekt mit Glitzer und zeige den Matzes dieser Welt den Mittelfinger.

    Suck my Testodick, Boi.

  • „Kritische Männlichkeit“- Kritik

    „Ich habe meine Privilegien reflektiert und mir ist bewusst, dass dies nicht mein Sprechort ist, dennoch möchte ich sagen…“ – ich verdrehe innerlich die Augen. Ein weiteres Mal habe ich einen „kritischen Mann“ kennengelernt. Kritische Männlichkeit ist mittlerweile in Teilen feministischer Kreise der neue, heiße Shit. Ermöglicht sie doch Männern (hier vornehmlich cis Männern), sich aus dem patriarchalen Gefüge herauszulösen und ein besserer, ein kritischer Mann zu werden.

    So zumindest die Theorie und die Überzeugung jener, die ihre „kritische Männlichkeit“ wie einen Schild vor sich tragen. Ein Beispiel ist mein Exemplar von oben. (Seine gesamte Selbstreflektion hat ihn nicht daran gehindert, mir danach zu erklären, warum ich in all meinen Äußerungen falsch läge. Scheint ja gewirkt zu haben.)

    Wir merken, ich bin ein wenig ungehalten. Aber nun gut. Kommen wir zuerst zur Theorie.

    Patriarchat

    Wir leben alle im Patriarchat. Das Patriarchat hat ein sehr enges Bild von Geschlecht und dessen, wie Geschlecht performt werden muss. So werden Männer als stark, durchsetzungsfähig, entschlossen, mutig, objektiv (…) beschrieben – und die Performance dieser Eigenschaften im Umkehrschluss von ihnen erwartet. Das Bild von Männlichkeit (und in Abhängigkeit dazu Weiblichkeit) ist dabei gesellschaftlich wandelbar, gleichzeitig bleibt die Aufwertung des Mannes. (Alternativ dessen, was als „männlich“ definiert ist.) Einhergehend damit die Abwertung alles nicht-männlichen. (Weiblichkeit, aber auch Queerness und cis Männer, die sich nicht den Erwartungen an Männlichkeit anpassen können/wollen.)

    cis Männlichkeit

    Männlichkeit ist dabei (dank Kolonialismus) universell, wir wissen aufgrund unserer Sozialisierung intuitiv „wie ein Mann zu sein hat“. Es wurde uns bereits von Geburt an wissentlich und unwissentlich beigebracht. Durch den äußeren Druck und Zwang zur Performance entsteht ein Muster, das als „toxische Männlichkeit“ bekannt ist. Namentlich ist es das Konzept, dass unter den Erwartungen an Männlichkeit nicht nur diejenigen leiden, die vom Patriarchat als „das andere Geschlecht“ gekennzeichnet werden, sondern auch diejenigen, die den Zwang zur Performance verspüren. Kurz: Unter dem Patriarchat leiden auch cis Männer, unter Sexismus jedoch nur nicht-cis Männer.

    kritische Männlichkeit

    Das Verlernen dieser Erwartungen (die keinesfalls biologisch begründet sind) ist hierbei der Knackpunkt – und da setzt „Kritische Männlichkeit“ an.
    Schwerpunktmäßig werden in Vorträgen, Workshops, „kritischen Männlichkeitsrunden“ und den wenigen Büchern zum Thema zunächst die Erwartungen an Männlichkeit analysiert. Dann sollen sie schlussendlich geändert werden können.

    Meist richten sich die Aufrufe dieser Veranstaltungen explizit (und teilweise ausschließlich) an cis Männer. Schließlich sind sie diejenigen, um die es hauptsächlich geht. Gleichzeitig geht es in den meisten Runden, die ich erlebt habe, vor allem darum, Einzelfallsituationen und Verhaltensweisen zu analysieren. Im besten Fall hat es etwas von Gruppentherapie bzw. Selbsthilfegruppe, im schlechtesten Fall von „wir klopfen uns gegenseitig auf die Schulter und vermeiden direkte Kritik, immerhin haben wir uns alle schon mal irgendwie mies und/oder diskriminierend verhalten“. Alternativ wird direkte Kritik geübt und dann in die einzelne Verhaltensweise abgetaucht und ergründet, auf welchen gesellschaftlichen Strukturen sie beruht. Am Ende ist die Gruppe so weit in den Metaebenen der strukturellen Konstruktionen verschwunden, dass die einzelne Verhaltensweise mikroskopisch klein und unbedeutend wirkt.

    Nabelschau

    Die Gefahr hierbei ist, dass am Ende des Tages zwar sehr viel über strukturelle Diskriminierung, Erwartungen an Männlichkeit, Männlichkeit im Spiegel der Gesellschaft und ähnliche Dinge gesprochen wurde, aber das konkrete Verhalten nicht verändert wird.
    „Ich habe meine Privilegien reflektiert“ ist ein hübscher, aber unsinniger Satz. Er beruht auf der Tatsache, dass die Person jetzt möglicherweise ein erweitertes Wissen gewonnen hat, aber damit dennoch nichts tut.
    Die reine Nabelschau der eigenen Privilegien ändert weder an den Privilegien, noch an den diskriminierenden Strukturen oder den Verhaltensweisen der einzelnen Person etwas. Im Gegenteil. Gleichzeitig wird diese Reflektion als Argumentation verwendet, um die eigene Machtposition zu sichern, ohne sie als Machtposition anerkennen zu müssen. Die Arbeit (namentlich die Erkenntnis der eigenen Privilegien) haben sie schließlich bereits geleistet.

    erlernte Hilflosigkeit

    Die Erkenntnis, Teil einer diskriminierenden Struktur zu sein (gleichzeitig als Profiteur und als Betroffener) ist schmerzhaft, der Widerspruch schwierig auszuhalten. Gleichzeitig betrifft diese Struktur sowohl Vergangenheit, als auch Gegenwart. Sie ist schwierig bis unmöglich von Charakter und Sozialisierung der einzelnen Person zu trennen. Dennoch ist diese Trennung notwendig, um aus der Analyse konkrete Verhaltensweisen ableiten zu können.

    Beispielsweise hilft es nicht, zu wissen, dass cis Männer durchschnittlich einen höheren Redeanteil haben als nicht-cis Männer. Die Frage ist auch, woher dieser Redeanteil kommt und etwas dagegen tun zu können. Ähnlich verhält es sich mit der Erkenntnis, dass cis Männern selten bis nie lernten, auf konstruktive Weise über Emotionen zu reden. Die Sozialisierung als cis Mann sieht diese Verhaltensweise schlicht nicht vor. (Die Sozialisierung von nicht-cis Männern dagegen, sich vor allem um die emotionalen Belange ihrer Mitmenschen zu kümmern, tut ein übriges.) Bleibt die Frage: Wer bringt diese Verhaltensweise bei? Wie wird diese Verhaltensweise produktiv?
    Wie trennen wir die emotionalen Bedürfnisse gegenüber nicht-cis Männern von dem Anspruch, dass diese von der emotionalen Arbeit ent- und nicht belastet werden? Wo beginnen unsere Bedürfnisse, wo endet unsere Sozialisierung? Wie kann das getrennt werden, ohne, dass sich Personen in der Analyse und Nabelschau völlig verzetteln?

    Theorie statt Praxis

    Diese Fragen werden in den meisten Kontexten, die sich mit „Kritischer Männlichkeit“ beschäftigen, im besten Fall angerissen, nicht aber beantwortet. Hier spricht eine Gruppe von Menschen, die ein pro:feministisches Café organisiert hatten, von ihren Erfahrungen mit kritischer Männlichkeit. Und spart dabei nicht mit Selbstkritik.

    Schwerwiegender ist die Auswirkung von „Kritischer Männlichkeit“, wenn selbige als Waffe wahrgenommen wird, um die eigene Machtposition zu sichern. Die Erkenntnisse verwenden diese Männer, sich besonders „woke“ und „reflektiert“ darzustellen. Nur, um dann die eigenen Bedürfnisse (emotionaler und politischer Literatur) in den Vordergrund zu rücken. Hier ist ein sehr guter Artikel, der sich mit linken Männlichkeitsbildern auseinandersetzt und diese kritisch beleuchtet.
    Gleichzeitig haben diese Männer das Vokabular erlernt, um ihre Bedürfnisse nicht „mackerhaft“, sondern „bedürfnisorientiert“ zu kommunizieren. Am Ende jedoch diejenigen zu sein, welche eine Debatte dominieren. Kritikabwehr mittels emotionaler Verletzlichkeit und die Verantwortung für einen liebevollen, freundlichen Umgang denjenigen gegeben, welche kritisierten. Das Eingehen auf Kritik elegant vermieden. Schließlich geht es dann nicht mehr um inhaltliche Fragen, sondern um Emotionen – und die BeKümmerung selbiger. Es wird Sprachkritik noch und nöcher geübt – aber die Strukturen bleiben die gleichen.

    Statt Nabelschau und Sprachkritik – für eine effektive Änderung der Verhältnisse!

  • Macker, Macker, Mackerfa

    Linke (vor allem weiße, cis männliche Macker) sind bessere Menschen. Sie sind niemals sexistisch, rassistisch, ableistisch, transfeindlich oder auf sonst irgendeine Art und Weise menschenfeindlich.
    Nein, denn sie SIND JA LINKS. Und als LINKE_R ist es überhaupt nicht möglich, dass irgendeine Form von Diskriminierung reproduziert wird. Jede Internalisierung, die von dieser Gesellschaft mitgegeben wurde, löst sich automatich in Rauch auf, wenn eins LINKS wird.

    (Ihr hört das Autor_in ein wenig genervt seufzen. Bestimmt.)

    Schlussendlich kommt es immer dann zu Problemen, wenn sich eine Person halt doch irgendwie diskriminierend und/oder scheiße verhält.

    Denn „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ und somit wird problematisches Verhalten nicht aufgearbeitet und reflektiert, sondern abgestritten. Schließlich sind nur „die Anderen“ sexistisch (und alles andere, aber ich bleibe mal beim Sexismus als herausragendes Beispiel), also die, die eben nicht links sind. Diskriminierende Verhaltensweisen werden oft mit „böse“ sein oder bewussten Verletzungen gleichgesetzt. Das nervt, denn es macht Betroffenen das Leben unnötig schwer.

    Wie soll nämlich eine Person euer Verhalten kritisieren, wenn sie nicht sagen darf, was gerade passiert ist, weil dann das große Trara losgeht, dass die diskriminierende Person niemals diskriminieren würde und das die betroffene Person ja gemein und unfair ist, wenn sie so etwas sagt – im Extremfall sogar öffentlich? Antwort: Gar nicht. Oder nur ganz, ganz vorsichtig und höflich und nett. Ohne die bösen Wörter „mackerhaft“, „sexistisch“, „Sexismus“ zu benutzen. Denn sonst wird die kritisierende Person als „gemein“ abgewertet. Ich bin gemein, aber ihr bleibt Macker.

    Es geht mir nicht darum, euch als das personifizierte Böse abzustempeln, wenn ich problematische Verhaltensweisen offenlege.

    Macker, ein potlitischer Begriff

    Es geht mir nur um die Verhaltensweisen. Kurz, um Macker. Ähnlich wie Heten ist das hier ein politischer Begriff.

    Nochmal zum Mitschreiben: Wir leben alle in einer Gesellschaft, die uns mit vielen verschiedenen Formen von Machtgefällen sozialisiert hat und wir kommen da nicht automatisch raus, nur weil wir es gerne wollen würden. Das ist nicht schön, aber das ist halt so.

    Dafür trägt das Individuum auch keine Verantwortung, das ist ein strukturelles Problem.

    Aber wenn das Individuum das eigene Verhalten nicht reflektieren möchte, weil es sich aus gesellschaftlichen Strukturen erhaben sieht, dann wird das zu einem Problem. Zu einem Macker.

    Bevorzugt übrigens zu dem Problem von Betroffenen, die nämlich dann doppelt arbeiten müssen: Zum Einen obliegt es meist ihnen, problematisches Verhalten zu benennen, zum Anderen müssen sie auf das empfindliche Ego jener achten, die sich selbst als unbeleckt von sozialen Strukturen wahrnehmen.

    Das ist einfach nur arrogant, dieses „Ich bin links, ich würde niemals Diskriminierungen reproduzieren“. Komm mal wieder auf den Teppich, Macker. Selbst von Diskriminierung(en) betroffene Personen reproduzieren diese gesellschaftlichen Standards. Frauen reproduzieren sexistische Denk- und Verhaltensmuster, teilweise gegen sich selbst, teilweise gegen andere Frauen.

    Und das ist logisch, weil wir mit diesen Diskriminierungen sozialisiert wurden und sie internalisiert haben. Da wieder raus zu kommen, ist ein ziemliches Stück Arbeit UND ES IST VOLL OKAY, WENN WIR NICHT PERFEKT SIND. Am nicht perfekt sein kann gearbeitet werden, insofern das denn überhaupt gewünscht ist. Allerdings sollte es uns darum gehen, an unserer internalisierten Kackscheiße zu arbeiten, um sie nicht zu reproduzieren. Das ist nämlich für mich „links“.

    Lösungswege

    Wir sollten uns also bloß Mühe geben. Wobei, das „bloß“ kann hier gestrichen werden. Es ist doch ziemlich viel Anspruch dabei.

    Mühe geben heißt, dass wir Gedanken und Verhaltensweisen hinterfragen. Das wir Betroffenen dabei zuhören, was sie sich von Privilegierten wünschen. Aber das wir dabei auch nicht generalisieren. Was für eine_n Betroffene_n in Ordnung ist, gilt nicht zwingend für alle. Es geht um Achtsamkeit und darum, auch mal einen Schritt zurücktreten zu können. Wenn ich von meinen Sexismuserfahrungen (auch in in der linken Szene) berichte, die einfach mal sacken zu lassen, anstatt hechelnd „aber nicht alle Männer!“ einzuwerfen. Wenn mir Gedanken zu dem Körper oder der Leistungsfähigkeit einer anderen Frau kommen, die zu reflektieren und zu schauen, was das eigentlich ist und wo das herkommt. Und dann die Klappe zu halten und die Gedanken dadurch kleiner werden zu lassen. Auch mal den eigenen Redeanteil zu hinterfragen und warum du eigentlich immer die Frau in der Gruppe unterbrichst. Aufmerksam zu sein, wem du besonders zuhörst und wen du eher vernachlässigst.

    Wen du auf Demos „schützen“ möchtest und wem du zutraust, dass er_sie das auch alleine schafft. Wer in der Küche steht und wer den Abwasch macht – und warum. Wie du dich anderen Menschen verhältst.
    Das ist eine Menge Arbeit. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass sich diese Arbeit nicht viele Menschen machen wollen.
    Und dann kommst du ins Spiel. Du, ein linker cis Dude, der sich ganz, ganz viele Gedanken darüber gemacht hat, dass Sexismus echt uncool ist – und behauptet, er wäre nicht sexistisch. Denn, du hast dir ja Gedanken darüber gemacht und würdest deshalb so etwas nie reproduzieren. Du würdest nie in Biologismen denken und du würdest niemals deine gesellschaftliche Macht nutzen – oder für selbstverständlich nehmen. Das ist einfach. Du bist per definition ein „guter“ Mensch.

    Es zeugt von deinen Privilegien, dass du das so sagen kannst. Und weil du nicht alleine bist – in jedem linken Raum gibt es eine Quote von 25% von euch, könnt ihr auch noch gegenseitig euch darin bestätigen.

    Linke Männerbündnisse

    Das erspart euch Arbeit und macht mir (und anderen Menschen, die euch auf verletzendes Verhalten hinweisen wollen) mehr Arbeit. Denn wir müssen dann nicht nur gegen gesellschaftliche Strukturen argumentieren, sondern auch gegen euer Selbstbild. Und das anzugreifen kann schnell mal persönlich werden – und dann sind die Betroffenen plötzlich unfair und böse, weil sie dem armen Dude gesagt haben, dass sein Verhalten nicht okay war. Hier, ein ähnlicher Artikel.

    Oder noch schlimmer: Dabei nicht nett und lieb und freundlich geblieben sind. Denn wir sind ja alle für eine gewaltlose, konstruktive Kommunikation – vor allem diejenigen, die gerne mal Kackscheiße reproduzieren. Wenn die Betroffenen dann emotional werden, dann wird das genutzt, um die Argumente abzuwerten – denn Emotionen sind ein Beweis für „Unrecht haben“. Wer schreit, verliert.

    Also sollen wir nett und freundlich gegen eine Mauer argumentieren, um irgendwann, vielleicht, ein Einlenken zu erreichen. Das strengt an. Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht, was so schlimm daran ist, sich mal „falsch“ zu verhalten. Du bist nicht unter einem Stein aufgewachsen oder von Robotern in einer Blase aufgezogen worden. Du machst Fehler. Wir alle machen Fehler. Aber wenn du dich hinstellst und als einzige Person sagst, völlig fehlerfrei zu sein, dann wirkt das unglaubwürdig.

    Und ab und zu habe ich das Bedürfnis, mit einem Presslufthammer diese Mauer einzureißen.

    Deshalb endet das hier mit einem Appell an alle Menschen, die ihr Selbstbild eines „guten“ Linken, der niemals Kackscheiße reproduziert, aufrechterhalten:

    Fazit

    Lasst das! Nehmt hin, dass ihr genauso Teil der gesamtgesellschaftlichen Situation seid wie alle anderen auch und lebt damit, dass ihr ab und zu Fehler machen werdet.
    Das nimmt mir eine Menge Arbeit ab und ich kann mich aufs Leben konzentrieren, statt Kopfschmerzen vom Heulen zu bekommen, weil mal wieder ein Macker persönlich wurde.

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