Ich gehöre nicht dazu. Ich bin „anders“.
Ein Gedanke, der meine Kindheit und Jugend prägte. Ein Gedanke, nein, eine Gewissheit, die mir verbal und nonverbal von all meinen Umfeldern, ob Familie, Schule oder Sportvereinen, immer wieder vermittelt wurde. Bis ich irgendwann selbst daran glaubte und mich von mir aus zurückzog.
Ich bin trans, nichtbinär und Autist_in. Für mein trans Sein hatte ich damals keine Worte, meine Neurodivergenz schloss mich – obwohl nicht ersichtlich und erst spät abschließend diagnostiziert – effektiv aus.
Die Abneigung eines kleinen Dorfes gegen jene, die „anders“ sind, kennt keine Grenzen. Eine hübsche Ironie, in allen anderen Themenfeldern sind Grenzen überaus wichtig und sind gerne gesehen – und gezogen.
Alle queeren Personen kennen das Gefühl, nicht dazuzugehören.
Gerade meinen nichtbinären Geschwister wird auch das auch (teilweise) von der trans Communitiy vermittelt.
Wir seien nicht trans genug. Wir würden „hier beliebige Vorstellung einfügen“ nicht ausreichend erfüllen.
Kommunikation
Als neurodivergente Person sind queere Räume oft zu bunt, zu laut, zu schrill und zu flashig. Und emotional aufgeladen.
Die richtigen Worte zu wählen, nicht zu verletzen, nicht zu diskriminieren. Gar nicht so einfach, wenn das Gespür für Situationen, subtile Hinweise und gesellschaftliche Erwartungen fehlt. Trust me, wir machen das nicht absichtlich! Wir nehmen nur erst wahr, dass wir offensichtlich einen Fehler gemacht haben, wenn wir darauf deutlich – as in „das war diskriminierend!“ – hingewiesen werden. Subtile Hinweise (bevor es zum wütenden Ausbruch ob unserer „Ignoranz“ kommt), werden von den meisten neurodivergenten Menschen ohnehin schlecht bis gar nicht wahrgenommen – Nervosität, in neuen Räumen zu sein und die Angst, etwas „falsch“ zu machen, machen alles nur noch schlimmer.
Gleichzeitig wird – sowohl innerhalb der (vor allem trans) Community, aber auch wissenschaftlich, nach Kausalität oder zumindest Korrelation von trans und Neurodiversität gefragt.
Nun, wir sind zwei sehr kleine Gruppen, gleichzeitig in höchstem Maß pathologisiert. Die besten Voraussetzungen, um als Testhäschen oder Versuchskaninchen für wissenschaftliche Forschung zu dienen. Wir sind „anders“, immer.
Ich persönlich – so spannend wie gefährlich ich wissenschaftliche Grundlagenforschung auch finde – würde anders fragen: Brauchen wir wirklich weitere, pathologisierende Forschung und Erkenntnisse, um unsere Räume inklusiver zu gestalten?
Barrieren
„Smash the binary“ ist heute, am non-binary Awarenessday, unser Motto.
Auch zwischen den „sogenannten Normalen“ und allen Neurodivergenten wird diese Binarität, eine Binarität, die uns zu „den anderen“ degradiert, derzeit gelebt. Eine Binarität, die zwischen „normaler“ und „anderer, irgendwie schlechterer“ Kommunikation, Bedürfnissen, Reizverarbeitung unterscheidet.
Die dafür sorgt, dass für queere, neurodiverse Menschen weniger bis kein Platz in unseren Räumen ist – oder wir uns viel, viel mehr anstrengen müssen, um bleiben zu dürfen.
Fehler, die aus „nicht können/nicht erkennen“ resultieren, werden als „nicht wollen“ interpretiert.
Übergriffige, dya-cis Männer werden als Grund benannt, um trans Frauen den Zugang zu Frauentoiletten zu verweigern. Ignorante, neurotypische Menschen sind der Grund, warum wenig bis keine Fehlertoleranz für unsere Kommunikation gibt. Die Geduld mit „gespielter Ahnungslosigkeit“, um ignorant sein zu können, ist aufgebraucht.
Ich verstehe das.
Verantwortung
Doch genausowenig, wie trans Frauen für privilegierte, übergriffige, dya-cis Männer verantwortlich sind, so wenig sind es neurodiverse Menschen für übergriffige, ignorante, neurotypische Personen.
Bitte bedenkt das, wenn Menschen auf subtile Hinweise ignorant wirken – vielleicht bemerken sie diese wirklich nicht.
Heute hier zu stehen und reden zu dürfen, ist eine Situation, für die ich sehr dankbar bin. Gleichzeitig musste ich mich heute gegen das fancy, coole, sexy Outfit in nonbinary-Farben entscheiden – die Reize auf der Haut waren zu viel.
Ich konnte mich umentscheiden und trotzdem hier stehen (und morgen dafür den Preis zahlen, hallo Löffel auf Kredit), aber auch das ist nicht für alle von uns eine Option.
Ihr merkt, mein „uns“ wechselt wie mein Geschlecht – immer passend zur Situation.
Demos, CSD, Kundgebungen sind mit vielen Geräuschen, Gerüchen, Reizen und oft auch mit Polizeigewalt verbunden. Gruppen und Organisationen oft nicht inklusiv.
Vielen neurodiversen, queeren Menschen bleibt somit „nur“ der Online-Aktivismus, oft belächelt und nicht ernst genommen, um ihre politische (Bildungs-) Arbeit und Sichtbarkeit zu ermöglichen.
Geschwister
Für euch stehe ich heute hier, für meine queeren, meine nichtbinären, meine neurodiversen Geschwister. Ich möchte euch Sichtbarkeit geben und eine Stimme. Ich möchte meine Stimme erheben, meine Erfahrungen, die oft auch eure sind, teilen – ohne für euch zu sprechen. Jede neurodiverse Person ist einzigartig, unsere Erfahrungen mit Ableismus sind es leider nicht.
Ich weiß, dass im Publikum mehrere Menschen sind, die mit ihrer eigenen Neurodiversität kämpfen. Weil diese bei queeren Personen noch seltener diagnostiziert wird, als im patriarchalen System bei cis Frauen.
Ich sehe euch, ich höre euch, ich stehe heute hier, um unsere Perspektiven zu zeigen.
Ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein.
SMASH THE BINARY, auf das wir inklusiv und gemeinsam gegen Patriarchat und ableistische Machtstrukturen in der Gesellschaft und unseren Räumen kämpfen!