Schlagwort: nichtbinär

  • Binäres System und Nichtbinarität – @coding_void


    CN für den gesamten Text
    Transfeindlichkeit, Misgendern, Dysphorie, binäres System

    Ein Gastbeitrag von @coding_void.
    Vor einigen Jahren habe ich mein Geschlecht noch ausschließlich als Nicht-Binär bezeichnet.
    Ich verwendete nur das Pronomen „es“, liebte meinen Buzzcut und wartete darauf, endlich mit Hormonen anfangen zu können. Nicht um einen „weiblicheren“ Körper zu haben, sondern einen, der weniger „männlich“ ist. Dennoch war da oft die unterschwellige Gewissheit, vor allem doch als Mann behandelt und wahrgenommen zu werden. Egal, wie sehr ich dies hasste. Das ich, egal was ich machen würde, zwangsläufig in der Fremdzuschreibung „Mann“ gefangen blieb. Es war dabei selten offenes Misgendern oder direktes Absprechen meines Geschlechtes, auch wenn ich das durchaus erlebt habe. Das Problem saß tiefer, in der grundlegenden Art und Weise, wie soziale Räume und Interaktionen um mich herum gestaltet waren. Wie ich mich (nicht) in sie integrieren konnte. Wie sich ein binäres System unterbewusst darstellt.

    Dies kann mensch aus verschiedenen Perspektiven betrachten.

    Fremdzuschreibung und Dysphorie

    Zum Beispiel aus der von Dysphorie und psychischer Gesundheit. Mit mir selber war ich zwar halbwegs glücklich. Aber das Wissen um die Art und Weise, wie ich von anderen Menschen wahrgenommen wurde, ließ mich verzweifeln. Dies wird in der Regel als soziale Dysphorie bezeichnet und ist etwas, worunter viele trans Personen leiden.

    Eine andere Interpretation würde sich auf die männlichen Privilegien konzentrieren, die ich durch diese Fremdzuschreibung angeblich hatte. Es stimmt sicher, dass z.B. meine Meinung ernster genommen wurde, als die von Menschen, die weiblich „gelesen“ wurden. Da gibt es viele weitere Beispiele.

    Die Ebene, dass diese Fremdzuschreibung gewaltvoll ist, wird dabei aber außen vor gelassen. Bei binären trans Personen wird meist noch anerkannt, dass die fortgesetzte Assoziation mit ihrem AGAB ein Ausdruck von Transfeindlichkeit ist. Diese löst bei vielen trans Personen signifikanten Leidensdruck aus. Bei nicht-binären trans Personen fällt diese Anerkennung eher weg. So wird strukturelle Gewalt gegen eine Person, wiederum als Teilhabe an struktureller Gewalt bewertet. Bei AMAB nicht-binären Menschen wird so häufig ihre Unterdrückung verunsichtbart und Teile davon sogar als Privileg geframed.

    Zwar halte ich es nicht für falsch, spezifische(!) Privilegien zu benennen, auch wenn sie im scheinbaren Widerspruch zum realen Leiden ihrer Träger*innen stehen. Aber wenn es um Umstände geht, bei denen Ursache der Privilegien gleichzeitig Ursache des Leidensdruckes ist, ist fragwürdig, ob es Privilegien sind.

    CN Suizid

    An dieser Stelle ist es mir wichtig, dass dies nicht als „verletzte Gefühle“ gegenüber materiellen Bedingungen dargestellt werden kann. Statistisch haben mehr als ein Drittel aller trans Personen einen Suizidversuch überlebt. Nur um einmal klar zu machen, worauf dieser abstrakte Leidensdruck, den ich hier beschreibe, nicht selten hinausläuft.

    Zugang zu Räumen

    Eine weiterer Aspekt, neben den direkten psychischen Auswirkungen, ist zum Beispiel der Zugang zu Schutzräumen. Ich hätte damals Schutzräume benötigt, aber praktisch standen mir keine offen. Selbst ernannte FLINTA*-Räume, vom Namen her also trans und nicht-binäre Menschen explizit einschließend, zogen keine praktischen Konsequenzen daraus. Das ist vielleicht gut gemeint, aber wertlos. Ein Raum, bei dem ich damit rechnen muss, mich Transfeindlichkeit auszusetzen, wenn ich ihn betrete, ist kein Schutzraum für mich.

    Unser binäres System von Geschlecht, das uns Geschlecht von Geburt an und jeden Tag aufs Neue, von außen zuschreibt, gab mir nur eine Möglichkeit der Annerkennung als „nicht-männlich“: Weiblichkeit.

    Meine Konsequenz war, stärker auf den transweiblichen Aspekten meiner Identität aufzubauen, um eine „Nicht-Männlichkeit“ erreichen zu können. Transfeminine Personen erleben natürlich auch Misgendering, Ausschluss aus Schutzräumen und im speziellen Transmisogynie und daraus folgende Gewalt.
    Für mich bot Transfeminität die einzige Chance, der geschlechtlichen Fremdzuschreibung als „Mann“ zu entkommen, der ich auch als offen nicht-binäre Person durchgehend ausgesetzt war.

    Heute kann ich mich z.B. leichter in FLINTA*-Räumen aufhalten als damals. Zumindest solange ich genug sichtbaren Aufwand betreibe, Weiblichkeit zu performen.
    Der Übergang zu einem primär transweiblichem Auftreten hat mir die Lebensqualität und Verbesserung meiner psychischen Gesundheit gegeben, die ich mir aus Outing und Transition erhofft hatte.
    Nicht dadurch, dass ich glücklicher mit meinem Körper wurde, sondern, dass ich endlich weniger als „Mann“ wahrgenommen werde.

    Auch wenn ich meine Weiblichkeit mag, musste ich erkennen, dass sie mir zum Teil aufgezwungen wurde und wird.
    Ich würde gerne wieder einen Buzzcut tragen und mich allgemein gender non-conforming präsentieren. Aber der Effekt darauf, wie (nicht-)männlich ich von anderen Menschen wahrgenommen werde, hindert mich daran.

    Die Ironie, dass ich, als nicht-binäre Person, dadurch nicht nur Zweigeschlechtlichkeit, sondern auch stereotype Weiblichkeit reproduziere, ist mir bewusst.

  • Redebeitrag „anders“.

    Ich gehöre nicht dazu. Ich bin „anders“.

    Ein Gedanke, der meine Kindheit und Jugend prägte. Ein Gedanke, nein, eine Gewissheit, die mir verbal und nonverbal von all meinen Umfeldern, ob Familie, Schule oder Sportvereinen, immer wieder vermittelt wurde. Bis ich irgendwann selbst daran glaubte und mich von mir aus zurückzog.

    Ich bin trans, nichtbinär und Autist_in. Für mein trans Sein hatte ich damals keine Worte, meine Neurodivergenz schloss mich – obwohl nicht ersichtlich und erst spät abschließend diagnostiziert – effektiv aus.

    Die Abneigung eines kleinen Dorfes gegen jene, die „anders“ sind, kennt keine Grenzen. Eine hübsche Ironie, in allen anderen Themenfeldern sind Grenzen überaus wichtig und sind gerne gesehen – und gezogen.

    Alle queeren Personen kennen das Gefühl, nicht dazuzugehören.
    Gerade meinen nichtbinären Geschwister wird auch das auch (teilweise) von der trans Communitiy vermittelt.
    Wir seien nicht trans genug. Wir würden „hier beliebige Vorstellung einfügen“ nicht ausreichend erfüllen.

    Kommunikation

    Als neurodivergente Person sind queere Räume oft zu bunt, zu laut, zu schrill und zu flashig. Und emotional aufgeladen.
    Die richtigen Worte zu wählen, nicht zu verletzen, nicht zu diskriminieren. Gar nicht so einfach, wenn das Gespür für Situationen, subtile Hinweise und gesellschaftliche Erwartungen fehlt. Trust me, wir machen das nicht absichtlich! Wir nehmen nur erst wahr, dass wir offensichtlich einen Fehler gemacht haben, wenn wir darauf deutlich – as in „das war diskriminierend!“ – hingewiesen werden. Subtile Hinweise (bevor es zum wütenden Ausbruch ob unserer „Ignoranz“ kommt), werden von den meisten neurodivergenten Menschen ohnehin schlecht bis gar nicht wahrgenommen – Nervosität, in neuen Räumen zu sein und die Angst, etwas „falsch“ zu machen, machen alles nur noch schlimmer.

    Gleichzeitig wird – sowohl innerhalb der (vor allem trans) Community, aber auch wissenschaftlich, nach Kausalität oder zumindest Korrelation von trans und Neurodiversität gefragt.

    Nun, wir sind zwei sehr kleine Gruppen, gleichzeitig in höchstem Maß pathologisiert. Die besten Voraussetzungen, um als Testhäschen oder Versuchskaninchen für wissenschaftliche Forschung zu dienen. Wir sind „anders“, immer.

    Ich persönlich – so spannend wie gefährlich ich wissenschaftliche Grundlagenforschung auch finde – würde anders fragen: Brauchen wir wirklich weitere, pathologisierende Forschung und Erkenntnisse, um unsere Räume inklusiver zu gestalten?

    Barrieren

    „Smash the binary“ ist heute, am non-binary Awarenessday, unser Motto.
    Auch zwischen den „sogenannten Normalen“ und allen Neurodivergenten wird diese Binarität, eine Binarität, die uns zu „den anderen“ degradiert, derzeit gelebt. Eine Binarität, die zwischen „normaler“ und „anderer, irgendwie schlechterer“ Kommunikation, Bedürfnissen, Reizverarbeitung unterscheidet.

    Die dafür sorgt, dass für queere, neurodiverse Menschen weniger bis kein Platz in unseren Räumen ist – oder wir uns viel, viel mehr anstrengen müssen, um bleiben zu dürfen.
    Fehler, die aus „nicht können/nicht erkennen“ resultieren, werden als „nicht wollen“ interpretiert.

    Übergriffige, dya-cis Männer werden als Grund benannt, um trans Frauen den Zugang zu Frauentoiletten zu verweigern. Ignorante, neurotypische Menschen sind der Grund, warum wenig bis keine Fehlertoleranz für unsere Kommunikation gibt. Die Geduld mit „gespielter Ahnungslosigkeit“, um ignorant sein zu können, ist aufgebraucht.

    Ich verstehe das.

    Verantwortung

    Doch genausowenig, wie trans Frauen für privilegierte, übergriffige, dya-cis Männer verantwortlich sind, so wenig sind es neurodiverse Menschen für übergriffige, ignorante, neurotypische Personen.
    Bitte bedenkt das, wenn Menschen auf subtile Hinweise ignorant wirken – vielleicht bemerken sie diese wirklich nicht.

    Heute hier zu stehen und reden zu dürfen, ist eine Situation, für die ich sehr dankbar bin. Gleichzeitig musste ich mich heute gegen das fancy, coole, sexy Outfit in nonbinary-Farben entscheiden – die Reize auf der Haut waren zu viel.
    Ich konnte mich umentscheiden und trotzdem hier stehen (und morgen dafür den Preis zahlen, hallo Löffel auf Kredit), aber auch das ist nicht für alle von uns eine Option.
    Ihr merkt, mein „uns“ wechselt wie mein Geschlecht – immer passend zur Situation.

    Demos, CSD, Kundgebungen sind mit vielen Geräuschen, Gerüchen, Reizen und oft auch mit Polizeigewalt verbunden. Gruppen und Organisationen oft nicht inklusiv.
    Vielen neurodiversen, queeren Menschen bleibt somit „nur“ der Online-Aktivismus, oft belächelt und nicht ernst genommen, um ihre politische (Bildungs-) Arbeit und Sichtbarkeit zu ermöglichen.

    Geschwister

    Für euch stehe ich heute hier, für meine queeren, meine nichtbinären, meine neurodiversen Geschwister. Ich möchte euch Sichtbarkeit geben und eine Stimme. Ich möchte meine Stimme erheben, meine Erfahrungen, die oft auch eure sind, teilen – ohne für euch zu sprechen. Jede neurodiverse Person ist einzigartig, unsere Erfahrungen mit Ableismus sind es leider nicht.
    Ich weiß, dass im Publikum mehrere Menschen sind, die mit ihrer eigenen Neurodiversität kämpfen. Weil diese bei queeren Personen noch seltener diagnostiziert wird, als im patriarchalen System bei cis Frauen.

    Ich sehe euch, ich höre euch, ich stehe heute hier, um unsere Perspektiven zu zeigen.
    Ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein.

    SMASH THE BINARY, auf das wir inklusiv und gemeinsam gegen Patriarchat und ableistische Machtstrukturen in der Gesellschaft und unseren Räumen kämpfen!

  • Ich und mein Penis – cissiger Genitalienfetisch.

    Sag mal, hast du deinen Penis noch oder hattest du deine GaOP schon?

    Typ auf ner Party. (Es gibt jedes Mal mindestens einmal pro Abend so einen Typ.)

    Ich drehe mich um. Hinter mir eine Runde von Menschen, einen davon kenne ich näher. „M., da wollen schon wieder Leute über meinen Penis reden!“ Ich spreche laut. Ich lege ein bisschen Spott in meine Stimme. Die Runde guckt irritierend, manche fangen an zu grinsen, M. lacht. Der Typ hinter mir fängt verlegen an zu stammeln. Die Frage nach meinem Penis ist vom Tisch, die Situation nicht mehr für mich unangenehm.

    Kleidung macht Geschlecht – oder so.

    Ich bin offen trans, bin offen mit meiner Existenz. Beantworte auch gerne Fragen, wenn sie respektvoll sind (und meine Genitalien in Ruhe lassen). Ich trug ein Netzshirt, einen Sport-BH, Hotpants und Socken zu klobigen Plateau-Sneakern. Full-Face-Make-Up. Ich MUSS also eine trans Frau sein, so die geniale Kombinationsgabe von cis Personen.

    Ich sags nicht gerne (naja, doch), aber weder künstliche Wimpern, noch Gelnägel machen mich zur Frau – letztere sorgen höchstens dafür, dass ich tippen komplett neu lernen muss (dieser Text ist eine gute Übung diesbezüglich). „Weiblich“ konnotierte Kleidung war noch nie mein Problem, machte keine Dysphorie. Seitdem ich Testosteron nehme, hab ich den nichtbinären Körper, ein Hormonlevel und eine Stimme, die mich euphorisch machen (und wenn ich mich ganz doll anstrenge, auch männliches Passing, also cis assumed privilege), aber das brauche ich im Alltag nicht.

    Ich bin euch keine Androgynität schuldig. Bin euch kein „männliches Auftreten“ schuldig. Ich mag meine Brüste, die tiefe Stimme, den beginnenden Bart auf der Oberlippe und am Kinn.
    Um den Herzmenschen zu zitieren:

    Kleidung macht Charakter!

    Fluff ist ein tuntiges Twink mit Brüsten.

    Herzmensch.

    Kleidung hat kein Geschlecht – warum sollten mich Minirock und Highheels zur Frau machen? Weil „erwartet“ wird, dass ich das trage? Weil der „Mann im Kleid“ für euch seltsam bis unvorstellbar ist? Meine Brüste so ästhetisch sind, dass sie nicht „natürlich“ sein können (nope, die sind nur groß, nicht besonders). Weil nichtbinäre Menschen am besten androgyn-männlich, ätherisch, non-sexuell zu sein haben? Woher kommen diese Zuschreibungen? Woher die Abwertung von Femininität?
    (Spoiler: Patriarchat.)

    Liebe cis Personen: Ihr dürft meine Femininität nicht mögen, gut leiden oder feiern. Ihr dürft mich meinetwegen auch sexualisieren, solange ihr das bei euch behaltet. Ich bin high femme, ich bin bitchy as fuck – aber ich werde dadurch nicht zur Frau (weder cis, noch trans). Und mein Penis ist meine Sache.
    HRT hat mir die Akzeptanz bis Liebe meines Körpers ermöglicht, das werde ich (Stand heute) nie wieder aufgeben. Es hat mich nicht dazu gebracht, meine Kleider, Hotpants und Overknees wegzuschmeißen.
    Das haben auch all jene nicht geschafft, die mir (auf die eine oder andere Art) vermittelten, ich wäre unzureichend oder „nicht richtig trans“ (das geht vor allem an den AntiD Fuckboy, der meinte, ich wäre nicht „richtig trans, ich würde keine Genitalverstümmelung anstreben wie die echten trans Personen“, mich aber trotzdem vögeln wollte).

    Küsschen und Stößchen – deal with me.

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