Heute jähren sich die behindertenfeindlichen Morde im Oberlinhaus in Potsdam zum ersten Mal.
Gedacht wird den ermordeten mit der Enthüllung von Regenbogenstelen auf dem Gelände.
Direkt nach den Morden sind es weiße Rollstühle gewesen. Sie wurden zum Gedenken genutzt und danach in den Gartem des Geländes gestellt. Dort sollten sie durch Pflanzen überwuchert werden.
Aus weißen Hilfsmitteln werden bunte Regenbogenstelen.
Martina W.
Andreas K.
Christian S.
Lucille Heppner
Eine weitere Person, Elke T., überlebte schwer verletzt. Meine Gedanken sind bei Andreas, Christian, Lucille, Martina und Elke, bei ihren Angehörigen und Freund_innen.
Wir wissen nichts über die Ermordeten.
Während @ashducation sich vor allem auf die wenigen Informationen bezieht, die über die Ermordeten bekannt sind, möchte ich in diesem Beitrag auf etwas anderes aufmerksam machen: Auf die problematische Ästhetik des Gedenkens.
Wir wissen bis heute kaum etwas über die Ermordeten. Wir kennen ihre Vornamen. Wer in stationären Einrichtungen lebt, hat dort „den Lebensmittelpunkt, das ist die Familie“, wie Matthias Fichtmüller letztes Jahr sagte. Das heißt auch, dass es keinen aktivistischen Austausch gibt. Wer nicht vollstationär lebt, ist privilegiert. Wir sind die Stimmen, die sich äußern können.
Weiß bemalte/besprühte Fahrräder (sogenannte Geisterräder) stehen dort, wo Radfahrer_innen bei einem Verkehrsunfall gestorben sind. Sie stehen für Gedenken, aber sind gleichzeitig eine Mahnung. Dieser Verkehrspunkt ist gefährlich. Hier fehlt Schutz für Radfahrende. Unfälle passieren.
Es ist furchtbar, aber es ist nie auszuschließen.
Mord ist kein Unfall.
Die Ermordung von behinderten Menschen ist kein Unfall. Es ist eine bewusste und geplante Tat an Personen, die meistens wehrlos sind. Ausgeführt von einer Person, die Verantwortung für diese Menschen hat. Rollstühle sind ein Hilfsmittel zur selbstbestimmten Fortbewegung. Sie weiß anzumalen, in den Garten zu stellen und von Unkraut überwuchern zu lassen, nimmt das letzte bisschen Selbstbestimmung.
Es pervertiert die Bedeutung von Rollstühlen zu einem Symbol von Behinderung. Menschen sind mehr als ihre Hilfsmittel. Wir wissen bis heute nicht, ob wirklich alle ermordeten Personen einen Rollstuhl genutzt haben. Dann wären es passgenau angefertigte, persönliche Hilfsmittel.
Stattdessen stehen dort nun 0815, weiß angemalte Rollstühle.
Regenbogenstelen statt Trauer.
Und jetzt zusätzlich Regenbogenstelen. Bunt. Hoffnungsvoll. Ein Zeichen der queeren Community, der christlichen Hoffnung. Aus weiß wird bunt. Aus Trauer wird Hoffnung.
Das offizielle Trauerjahr ist vorbei, lasst uns einen frühlingshaften Neuanfang machen!
Lasst uns das eintönige, weiße, schwarze wegtun und bunt starten!
Eure Trauerzeit ist um. Ihr habt sie durch Regenbogenstelen ersetzt. Aber an den Problemen änderte sich nichts. Den Regenbogen als Symbol der Hoffnung nehmen, aber alles beibehalten?
Damit zeigt sich deutlich, es ist nur ein Symbol. Es ist Symbolpolitik.
Äußerlichkeiten sind dabei wichtiger als Änderungen.
Ich freue mich, das an die ermordeten Menschen im Oberlinhaus erinnert wird.
Erwartung.
Aber ich erwarte mehr als Regenbogenstelen. Ich erwarte eine fundamentale Veränderung im System. Ich will, dass es nie wieder zu Morden an behinderten Menschen kommt. Statt weißen Rollstühlen und Regenbogenstelen, müssen sich Strukturen verändern!