Schlagwort: Schminke

  • Komplimente und Abwertung – muss das sein?

    „Du kannst das ja tragen“, „Du siehst doch gar nicht schlecht aus!“, „Dafür hast du aber auch die richtige Figur!“ – Komplimente, die keine sind. Oder sein sollten. Jeder einzelne dieser Sätze läuft darauf hinaus, dass irgendeine andere Person etwas nicht tragen, schlechter aussehen oder die falsche Figur haben könnte. Vor allem das erste und das letzte „Kompliment“ zeichnen sich durch eine Kategorisierung in „richtig“ und „falsch“ aus. Wenn DU es tragen kannst, dann muss es die Möglichkeit geben, dass es untragbar wäre. Wenn DU die richtige Figur hast, braucht es das Gegenbild einer falschen Figur.

    Patriarchale Erwartungen

    Normschönheit ist vor allem ein Anspruch an Frauen. Aber auch nichtbinäre Personen und Männer erleben diese Erwartungshaltung. Gerade bei trans und gendernonconformen Personen kann sie zu körperlicher Dysphorie führen. Bereits im frühen Kindesalter wird darauf geachtet, wie Mädchen sind, sein sollen, sich zu kleiden und zu benehmen haben. Teilweise, was sie essen, dass sie auf keinen Fall zu viel essen dürfen, angemessen Sport treiben sollen – aber nur den, der sie nicht muskulös macht! Normschönheit, das bezeichnet weiße, dünne, cis Frauen. Lange Haare, symmetrisches Gesicht. Sportlich, aber nicht muskulös. Flacher Bauch, weder schwabbelige Arme, noch Oberschenkel. Glatte Haut. Enthaart.
    Die Anforderungen sind unmöglich zu schaffen. Ich persönlich bin noch keiner Frau begegnet, die ihr Leben lang ihren Körper akzeptiert hat.

    Diese Akzeptanz (nein, eins muss den eigenen Körper nicht lieben oder feiern oder ehren. Ihn nicht zu hassen ist völlig ausreichend) wurde entweder durch Resignation (ich kann ohnehin nichts ändern), feministischen Anspruch (ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich auszusehen habe) oder die Bewusstwerdung, im Spektrum der Normschönheit zu sein, erreicht.
    Teilweise natürlich mehrere Aspekte parallel.

    Gerade in linken Kontexten ist die grundsätzliche Ablehnung von Schönheitsidealen oberflächlich weit verbreitet. „Tragt doch, was ihr wollt!“ und „Alle Körper sind schön!“ sind zwar hübsche Parolen, aber inhaltsleer. Schönheit ist ein Konstrukt, welches grundsätzlich über Abwertung funktioniert – wenn ich schön bin, dann muss irgendetwas hässlich sein. Die Vorstellung der Schönheit braucht das Gegenteil, braucht das Hässliche. Anstatt dieses Prinzip also einfach auszuweiten und alle Menschen und Körperformen mit aufzunehmen, wäre eine grundsätzliche Dekonstruierung des Prinzips angebracht. Menschen sollen sich schön fühlen, aber sie müssen nicht schön sein.

    Komplimente hinterfragen

    Dazu gehört aber auch, die eigenen Komplimente zu überdenken. Schaffen wir es, Komplimente zu machen, ohne andere Menschen abzuwerten? Wie machen wir Komplimente?

    Es gibt grundsätzlich zwei Formen von Komplimenten: Die, die auf Dinge abzielen, die eine Person nicht oder nur schwer verändern kann (Figur, Augen, Lippen, Länge der Beine, Gewicht, Brüste, Stimme, Lachen…) und solche, die eine Person bewusst gewählt hat (Kleidung, Piercings, Tattoos, Nagellack, Make-Up, Schuhe…). Die erste Form ist nur schwer ohne Abwertung zu erreichen, weil es immer um eine Bewertung in Abhängigkeit von Dritten oder geltenden Schönheitsidealen geht. Eine schöne Figur ist meistens auch eine schlanke, oder zumindest nicht allzu kurvige Figur. Das ist das Ideal. Das ist uns allen internalisiert, weil wir hier aufgewachsen sind und uns die gesamte Gesellschaft von Anfang an suggeriert, dass das UND NUR DAS schön sein.

    Es ist ein weißes, cissiges, rassistisches Ideal. In Asien werden Cremes verkauft, welche die Haut heller bleichen. Damit soll dem westlichen, europäischen Schönheitsideal näher gekommen werden. Trans Frauen werden in vielen Kontexten nur dann akzeptiert, wenn sie „stealth“ leben, sich also (optisch) nicht von cis Frauen unterscheiden. Gleichzeitig wird ihnen vorgeworfen, sie würden „Klischees der Weiblichkeit“ zementieren. Doch über das Dilemma von transfemininen Personen im Patriarchat geht es in anderen Artikeln, hier beispielsweise.

    Normschönheit und Präferenzen

    Individuelle Präferenzen können natürlich abweichen und ich möchte Menschen auch gerne glauben, dass sie das schön finden, was nicht normschön ist, aber grundsätzlich ist Schönheit an die Norm gekettet, weil unser aller Vorstellung von Schönheit sich an der Normschönheit und dem Ideal orientiert.

    Wenn Menschen aber Komplimente für Dinge bekommen, auf die sie selbst unmittelbaren Einfluss nehmen konnten (der nicht, wie im Fall von Gewicht und Figur, erst mehrere Monate Quälerei und Verzicht bedeutete), dann sind die Komplimente direkter und weniger an das Ideal gebunden – und die Person kann sich mehr freuen, weil ihre persönliche Entscheidung bemerkt worden ist.
    Dabei aber bitte dennoch darauf achten, dass ein „Das Kleid ist toll!“ immer noch etwas anderes ist als ein „Das Kleid kannst du aber tragen!“ – das erste ist erst einmal eine Beschreibung des Kleides, das zweite erst einmal eine Reduzierung der Person – und eine Abwertung aller Menschen, die das Kleid nicht tragen könnten. (Also all jener, die drin – nach herrschender Norm – scheiße aussehen würden)

    Wir können alle Kleider tragen. Über den Kopf ziehen und gut ist. Wenn dir also das Kleid an einer Person gefällt, kannst du sie darauf ansprechen, dass das Muster toll ist oder der Schnitt. Nicht alle Muster und Schnitte sehen an allen Menschen gut aus. Das ist okay. Es muss auch nicht alles gefallen, was ein Mensch trägt – das ist auch okay.

    Aber wenn dir etwas gefällt, dann überlege dir bitte, wie du es der Person mitteilen möchtest. Und ob deine Aussagen gerade andere Leute unter den Bus werfen. Achtsamkeit und so.

  • Schminke und Adorno.

    Es gibt kein Richtiges im Falschen – oder warum die Kücheneinrichtung der fünfziger Jahre auch für den Feminismus gilt. Und was Schminke eigentlich mit Adorno zu tun hat.

    Ich könnte damit beginnen, dass bereits meine Überschrift irreführend ist, denn DEN Feminismus gibt es gar nicht. Es gibt unterschiedliche Strömungen und Menschen interpretieren Feminismus unterschiedlich.

    Für mich bedeutet Feminismus, dass ich gegen jede Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts bin. Geschlecht ist hierbei das, was Individuen als selbiges bezeichnen. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass wir in einer patriarchalen, transfeindlichen, dyacissexistischen Gesellschaft leben. Somit müssen zunächst die nicht-privilegierten Personen supportet werden. Eine scheinbare Ungleichbehandlung ist nötig, um Gleichstellung zu erreichen.

    Sexistische Erwartungen

    Frauen wird in dieser, unserer Gesellschaft eine Menge an Ansprüchen mitgegeben: Sie sollen gut aussehen (also dünn, weiß, sportlich, zierlich, symmetrisch, modisch, angemessen geschminkt, etc. pp.), intelligent, aber auch emotional und familiär sein. Sie sollen gleichzeitig für die Familie sorgen (und eine haben wollen), einer Arbeit nachgehen (die höchstwahrscheinlich schlechter bezahlt ist als die von Männern) und dabei auch noch jung und schön (was sich je nach Schönheitsideal durchaus ändern kann) bleiben. Weiblichkeit wird als „schwach“ wahrgenommen und Frauen signifikant häufiger Opfer von sexueller und/oder häuslicher Gewalt (und dann im Zweifelsfall nicht ernst genommen, weil „Frauen sind ja so emotional und denken sich das nur aus“.)

    Wer gegen dieses Anspruchsdenken ist, wird meistens Feminist_in. Dabei gibt es verschiedene Strömungen (und einige davon hält die schreibende Person für wirklich schrecklich). Eine Vertreterin einer davon hat vor kurzem einen Text veröffentlicht. Zusammengefasst ist der Inhalt, dass Frauen sich weder schminken noch hohe Schuhe tragen sollten, noch Strumpfhosen oder „hübsche“ Outfits, denn von Männern würde dies ja auch nicht erwartet. Es ist völlig irrelevant, wer das war, die Debatte ist über fünfzig Jahre alt und kommt immer wieder.

    Das geht meiner Meinung nach auf vielen Ebenen in die falsche Richtung.

    Erstens erleben Männer andere Erwartungen, was das äußerliche Erscheinungsbild angeht und mit Sicherheit sind diese nicht so streng wie bei Frauen, aber sie sind vorhanden. Außerdem macht diese Erwartungshaltung die von struktureller Diskriminierung Betroffenen zu Täter_innen, da sie ja „selbst schuld“ seien, wenn sie sich „freiwillig“ dem Druck des Patriarchats unterwerfen würden.

    Strukturelle Diskriminierung

    Dabei übersieht diese Analyse, dass strukturelle Diskriminierung, ja, nun mal strukturell ist. Das bedeutet, dass es in diesem System immanent ist, Frauen zu unterdrücken. Ob diese dabei geschminkt sind oder nicht, ist dem System egal. Gesellschaftlich angepasst geschminkte Frauen haben jedoch innerhalb dieses Systems Vorteile, weil sie nach den Regeln spielen. Oder schlicht Spaß daran haben, sich zu schminken. Die Intention ist hier erstmal irrelevant.

    Wichtig ist, dass es einfach nichts bringt, Menschen, die in diesem System überleben wollen, für ihren Überlebenswillen zu kritisieren.

    Wenn Menschen alt genug sind, dass sie sich übers Schminken Gedanken machen, erlebten sie bereits ihr Leben lang gesellschaftliche Sozialisierung. Herauszufinden, was bei Individuen charakterlich (Spaß am Schminken) und was gesellschaftlich indoktriniert (Frauen schminken sich nunmal gerne) ist, ist unmöglich. Deshalb sollte es auch nicht Ziel einer gesamtgesellschaftlichen Kritik sein. Ich schätze feministische Psychoanalsyse sehr, dennoch ist sie die Grundlage, nicht der Lösungsweg.

    Das Problem im Patriarchat sind weder Frauen, die sich schminken, noch Frauen, die das Schminken verweigern. (Die gleiche Diskussion gilt übrigens auch für die Themen Enthaarung, High Heels, kurze Röcke/Kleider, Hotpants und lange Haare). Das Problem ist einerseits, dass Schminken als weiblich konnotiert ist und damit Männer, die sich schminken, abgewertet werden (weil als weiblich konnotierte Dinge grundsätzlich dazu verwendet werden, Männer abzuwerten). Andererseits die Erwartungshaltung, dass Frauen sich schminken MÜSSEN, um im patriarchalen Spiel um Normschönheit mitspielen zu dürfen.

    Normschönheit wird belohnt. Aber es kann durchaus ein empowernder, emanzipatorischer Akt sein, sich aus diesem Spiel bewusst herauszunehmen und gegen die gesellschaftlichen Erwartungen zu verstoßen. Inwieweit das möglich ist, ist eine andere Diskussion.

    Problematiken

    Kein emanzipatorischer Akt dagegen ist es, Frauen vorzuwerfen, dass sie Mittel und Wege wählen, die nicht die eigenen sind. Auch nicht, sie als „Opfer des Systems“ abzuwerten.

    Anstatt von Frauen zu erwarten, dass sie sich den Männern anpassen, wäre eine grundsätzliche Analyse von Männlichkeit und Weiblichkeit notwendig. Dazu gehören natürlich auch Erwartungshaltungen und Sozialisation. Alternativ ein Aufbrechen von weiblich konnotierten Handlungen/Verhaltensweisen durch Männer, damit die Abwertung aufgrund von zugeschriebener Weiblichkeit nicht mehr funktioniert. Lackierte Nägel und Lippenstift für alle!

    Schminke und Adorno

    Womit wir übrigens bei den Küchenmöbeln der Fünfziger angekommen sind, denn Adornos berühmt-berüchtiger Ausspruch „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ bezieht sich auf ebenjene Inneneinrichtung. Ein Leben innerhalb dieser sei nicht möglich. Natürlich ist das eine Metapher, aber auch „Schminke und Adorno“ ist eine. Der Satz „es gibt nichts richtiges im falschen“ wurde so oft in beliebigen Kontexten verwendet, dass er selbt beliebig wurde.

    Allerdings lässt sich dieser Satz wunderbar in weitere Kontexte einfügen. Somit gibt es für Frauen tatsächlich in dieser Gesellschaft keine Möglichkeit, frei von patriarchalen Strukturen zu leben. Bleibt als einzige Möglichkeit eine Veränderung der Gesellschaft, frei von patriarchalen Zwängen und Sexismus.

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