Schlagwort: Sexismus

  • BDSM und Feminismus

    Let’s talk about Sex! Also, Sex, Kink und BDSM.

    Vor ein paar Tagen sah ich einen „feministischen“ Film, in dem es um Gewalt an (cis) Frauen ging.
    Dabei fiel unter Anderem der Satz „Sie schlagen uns.“. Unterlegt mit dem Bild einer an die Wand gepressten, weiblich gelesenen Person. Sie streckt ihren Po nach hinten und sah im Großen und Ganzen nicht unzufrieden mit der Situation aus. Es wirkte eher wie eine erotische BDSM Darstellung als Gewalt.

    Ich war verärgert. Gewalt – ausgeübt von cis Männern, am meisten betroffen sind Frauen – ist ein gewaltiges Problem, strukturell bedingt durch das Patriarchat. Wir müssen darüber sprechen und Strukturen aufbrechen. Cis männliche Vorherrschaft abschaffen. Müssen wir nicht diskutieren. Was es nicht braucht: Das Bild devoter, sexuell selbstbestimmter Frauen, welches mit Gewalt gleichgesetzt wird.

    Am gleichen Tag las ich dann auch noch, dass BDSM nichts anderes wäre, als unter Erwachsenen Kindesmissbrauch nachzuspielen und dann war ich endgültig bedient.

    Hier also ein Artikel über Sex, BDSM, Feminismus und Selbstbestimmung.

    BDSM = antifeministisch?

    Also, kommen wir zu dem, was gerne als „antifeministisch“ verschrien wird: „weibliche“ Unterwerfung.
    (Ich übernehme diesen Begriff, obwohl ich ihn problematisch finde. Er rückt vor allem cis Frauen in die Perspektive. Nicht cis Frauen bleiben unbeachtet.) Es geht der Kritik an BDSM aber um alle afab Personen, ungeachtet ihres Geschlechts.

    So werden cis Frauen gemacht – und trans Personen diskriminiert.

    Der Feminismus der zweiten Welle (Alice Schwarzer und KonsortInnen) war und ist der Meinung, dass Männlichkeit und männliche Dominanz in allen Lebensbereichen herrscht (stimmt, soweit) und deshalb auch das Sexleben von Feministinnen radikal feministisch sein müsste (maybe) und sogenannte „weibliche Unterwerfung“ nur das Patriarchat stützen würde (stimmt definitiv nicht). (Und „weibliche Dominanz“ stützt das Patriarchat auch, weil es ja Safewords gibt. Kinky Frauen und afab nichtbinäre Personen können nur verlieren. Yay.) Ich hab mich mal ein bisschen durch diese Variante des Feminismus gewühlt und folgende Texte gefunden.

    Kritk an Blowjob und Valentinstag [EMMA]

    1. Der Koitus verdammt die Frau zur Passivität und ist so für Männer die unkomplizierteste und bequemste Sexualpraktik. Beine breit machen genügt.

    2. Die psychologische Bedeutung dieses in sich gewaltsamen Aktes des Eindringens ist für Männer (und Frauen) sicherlich von Bedeutung. Bumsen – wie es so traurig treffend heißt als höchste Demonstration männlicher Herrschaft und weiblicher Unterordnung.

    3. Nur der Mythos von der zentralen Bedeutung des Koitus sichert Männern das Sexmonopol über Frauen, macht sie unentbehrlich denn penetrieren können nur sie. Das ist der kleine Unterschied. Der „vaginale Orgasmus“ ist eine Erfindung der Männergesellschaft. EMMA,1977

    Sexualität hatte über Jahrhunderte, ja Jahrtausende nichts mit Lust zu tun, sondern mit Macht. Macht von Männern über Frauen. Und es gab entweder die käuflichen Sünderinnen, zuständig für die Lust; oder die abhängigen Heiligen, zuständig für die Arbeit im Haus. Emanzipation der Frauen implizierte also zwangsläufig auch die Emanzipation der weiblichen Sexualität.

    Doch so schnell waren die Söhne nicht bereit, die Macht aufzugeben. Denn nun kamen wir. Die Feministinnen. Wir stellten die Machtfrage. Im Leben und in der Liebe. […] Und wir entdeckten unsere Körper und unsere Lust. Das war nicht nur ein harter Kampf, es war auch ein wahres Fest. Wir tanzten von Erkenntnis zu Erkenntnis, von Abenteuer zu Abenteuer. Die Gender-Studentinnen von heute würden zart erröten, ahnten sie nur, was wir alles so angestellt und erlebt haben. […}

    Nie zuvor und nie danach ist so offen über den weiblichen Körper und die Lust der Frauen geredet und geschrieben worden wie in den 1970er Jahren, diesen Jahren des Aufbruchs der Frauen. Doch keiner Frau wäre es damals auch nur im Traum eingefallen, die Trennung von Sexualität und Gefühl oder den Konsum entseelter Pornografie für sonderlich emanzipiert zu halten; von der Prostitution, als Objekt oder Subjekt, ganz zu schweigen. […] Gleichzeitig aber steigt die Pornografisierung unserer Gesellschaft, diese Verknüpfung der sexuellen Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt. […] Und auch der weibliche Masochismus – diese unbewusste Bewältigung von Schmerz und Erniedrigung durch ihre Umwandlung in Lust – steckt noch tief in den Knochen der Frauen.

    Oh Hilfe, hier wird behauptet, die Vagina hätte quasi null Nerven. Der Text ist von 2016! (Okay, sie behauptet das durchgehend seit 1977). Und alle Personen mit Vagina sind automatisch Frauen. Naja. Das ist genug Material für einen anderen Artikel.

    Menschen haben Vorlieben, Kinks, Fetische. Gerade „weibliche“ Fetische wurden sehr lange pathologisiert, verunsichtbart und unterdrückt. Sie durften nicht ausgelebt werden, zumindest nicht in einem konsensuellen, selbstbestimmten Rahmen. (Frauen und afab nichtbinäre Personen durch sexualisierte Gewalt zu unterwerfen, das ging jedoch voll klar. Weil Patriarchat.)

    Fazit

    Zwischen der Unterdrückung von Frauen und afab nichtbinären Personen und konsensuellem Sex liegt ungefähr so viel Raum wie zwischen mir und dem Boden des Marianengrabens. Das liegt daran, dass konsensueller Sex eigentlich die – für das Patriarchat – gefährlichste Art ist, Sex zu haben. Beide Personen sprechen auf Augenhöhe miteinander, über ihre Bedürfnisse und Wünsche und Fantasien. Bei Sessions wird noch ein Safeword (oder etwas ähnliches) vereinbart, es werden „harte“ und „weiche“ Limits festgelegt – die harten Limits werden niemals angetastet, die weichen Limits dürfen gemeinsam erprobt werden. Augenhöhe zerstört aber das Machtgefälle, welches das Patriarchat aufgebaut hat – Augenhöhe ist eben keine „Unterdrückung durch Sex“, sondern ein bewusstes Auseinandersetzen mit den eigenen Wünschen, Bedürfnissen, Kinks, Fetischen und dem eigenen Körper.

    Dabei ist – solange es selbstbestimmt geschieht und keine Dritten davon unkonsensuell beeinflusst werden – völlig irrelevant, auf welchen Kink sich bezogen wird. Oder ob es überhaupt um BDSM geht.

    Wie genau Neigungen und Kinks entstehen, wurde noch nicht ausreichend erforscht. Es steht jedoch fest, dass es weder eine Krankheit, noch ein charakterlicher Mangel ist, bestimmte Praktiken zu bevorzugen, masochistisch, sadistisch oder devot zu sein.

    Gleichzeitig drängt die Behauptung, „weibliche“ Dominanz sei „Patriarchat über Bande“, dominante, feminine Personen in Rollen. Rollen, die sie gar nicht haben wollen. Zuerst Anerkennung, dass es sich um eine einvernehmliche Vereinbarung handelt, dann Waffe gegen sie. Denn dominante Weiblichkeiten würden dies ja nur tun, um dem (devoten) Patriarchat zu gefallen. Das bedeutet, es kann in dieser Lesart des Feminismus keine selbstbestimmten Kinks geben.

    Das halte ich für zutiefst misogyn.

  • white knights – Der Drache ist die bessere Alternative

    Kennen wir doch alle, das Märchen. Die Jungfrau, die vom Drachen entführt wurde und der weiße Ritter, der auszieht, sie zu retten. Wahlweise auch das „Ollowain“ Prinzip, nach dem weißen Ritter der Königin in den „Elfen“-Büchern von Bernhard Hennen.
    Aufopfernd treu für seine Königin, moralisch allen Feinden überlegen und stets der Held in glänzender Rüstung. White knights eben.

    Dieses Phänomen gibt es nicht nur im Märchen, sondern auch in ganz alltäglichen Situationen. Vor allem, wenn es gegen andere Männer geht, sind die white knights meist ganz vorne dabei, mich (oder Frauen) retten zu wollen.

    white knights

    Ich erzähle von einer sexistischen Situation und habe gleich fünf männliche Wesen an mir, die mir versichern, dass mit ihnen an meiner Seite, mir das niemals passiert wäre. Denn sie hätten da sofort eingegriffen und dem Sexisten die Leviten gelesen. Oder ihn geboxt. Oder sonst irgendetwas getan.

    Sie haben nicht nach meiner Einschätzung der Situation gefragt oder wie ich die Sache geregelt habe. Es wird sich instant schützend vor mich geworfen – sinnfreierweise, da die Situation ja dann bereits vorbei war.

    Aber auch in den betreffenden Situationen handeln white knights, ohne meine Rückmeldung einzuholen, ohne mir Handlungsspielraum zu lassen. Ihre Devise ist, die schutzlose Jungfrau (haha) vor allem Übel zu bewahren, völlig ungeachtet der Meinung der betreffenden Person.

    Solidarität

    Der Unterschied zwischen Solidarität, die ich mir wünschen würde, und den weißen Rittern? Solidarität kommt von sich aus, verlangt keine Belohnung und existiert unabhängig von der betroffenen Person, alleine um der Vermeidung der Reproduktion von Diskriminierung willen.

    Weiße Ritter wollen aber Lob für ihr Verhalten, wollen damit etwas (sei es Zuneigung oder politische Stabilität) beweisen und erwarten im Gegenzug etwas (meist Zuneigung, Bewunderung oder eine „Freikarte“ für sexistisches Verhalten in der Zukunft).

    Solidarische Menschen sind solidarisch (ohne Hintergedanken) und das, indem sie einfach konkret in der Situation etwas tun. Weiße Ritter zeichnen sich meistens dadurch aus, dass sie hinterher mit ganz vielen Ideen kommen, wie sie die Situation geregelt hätten. Solidarität kann auch sein, sich hinterher mit mir solidarisch zu zeigen, zu sagen, dass Aktion X so nicht okay war oder der Person mitzuteilen, dass sie gerade Scheiße gebaut hat. Dabei wird auf meine Wünsche (oder die jeder anderen betroffenen Person) Rücksicht genommen. Solidarität läuft in meinem Rücken ab, mich unterstützend.

    politische Objektifizierung

    Weiße Ritter werfen sich schützend VOR die betroffene Person, fällen ihre eigenen Entscheidungen und erwarten hinterher Lob für ihr Eingreifen. Dabei ignorieren sie im extremsten Fall den Willen der betroffenen Person und handeln konträr dazu. Voll Selbstgerechtigkeit, ob ihrer eigenen, selbstlosen Handlung. Weiße Ritter agieren vor der Person. Selbstgerecht, eitel und voll als Hilfsbereitschaft getarntem Egoismus. Das Verhalten unserer Ritter ist schlussendlich auch nur die Reproduktion von Sexismus. Die betroffene Person wird weder ernst genommen, noch wird ihr zugetraut, dass sie mit der Situation alleine zurecht gekommen wäre.

    Die Prinzessin ist niemals Subjekt ihrer Rettung, sondern stets (Prestige)objekt des Retters. Es geht um die Rettung, die Gerettete ist dabei unerheblich. Sie dient maximal noch als Anreiz der Rettung. Sie ist „Beute“ oder „Gewinn“, den die erfolgreiche Rettung mit sich bringt.

    Wie aber hält eins solidarische Personen und weiße Ritter auseinander? Indem eins die betroffene Person vor einer Handlung erstmal fragt. Und dann auf die betroffene Person gehört wird. Es kann auch solidarisch sein, die betroffene Person vor der Auseinandersetzung mit Täter_innen zu schützen und somit vor der Person zu agieren. Das muss aber abgesprochen sein und auf den Wunsch der betroffenen Person geschehen. Nicht ungefragt und nicht mit einer Erwartungshaltung.

    Ihr seid keine coolen Dudes, wenn ihr ungefragt meine Kämpfe kämpft. Es ist nur eine andere Form davon, mich klassischerweise an den Herd zu fesseln.

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