Die Content Notes für diesen Redebeitrag sind trans* feindlichkeit, Rassismus,
Antisemitismus, Klassismus, Ableismus, Saneismus, Mord, Suizid, psychische, körperliche,
emotionale und sexualisierte Gewalt und Sexworker*innenfeindlichkeit
[30 sek]
Hallo, mein Name ist Sternchen, meine Pronomen sind sie/ihr, oder keine, ich bin nicht binär und
transfeminin, im aromantischen und asexuellem Spektrum, neurodivergent, chronisch
psychisch krank, dadurch schwerbehindert und von Armut betroffen.
Ich lebe von Hartz IV, Straßenmusik und Sexarbeit, ich male auch, verdiene damit aber kein Geld.
Anteilnahme
Als erstes möchte ich meine Trauer, meine Ohnmacht, meine Frustration, meine Resignation
und meine Wut, um alle ermordeten trans*Personen weltweit – in diesem und allen
vergangenen Jahren – zum Ausdruck bringen. Genauso wie über jede trans* Person die sich
selbst das Leben genommen hat und die weltweiten Zustände die dafür verantwortlich sind.
Nichts kann euch wieder zurück bringen, der Schmerz über den Verlust von euch kann nie
wieder gut gemacht werden.
Meine Anteilnahme gilt auch ihren Familien,ihren Freund*innen, den Menschen die sie
geliebt haben und die von Ihnen geliebt worden sind und ihnen nahe gestanden haben. Ich
wünsche euch alle Kraft und dass ihr ein liebevolles Umfeld habt was euch unterstützt, euch
Rückhalt bietet, zuhört und euch fragt ob euch etwas gutes getan werden kann und euch den
Support geben den ihr braucht.
Zahlen und Fakten
Ich möchte an dieser Stelle nochmal die Website transrespect und die Ergebnisse des „TMM
des Trans Murder Monitoring“ Projektes zitieren:
„TMM 2022 data shows that:
• 327 trans and gender-diverse people were reported murdered;
• Cases from Estonia and Switzerland were reported for the first time – both victims were migrant Black trans women;
• 95% of those murdered globally were trans women or trans feminine people;
• Half of murdered trans people whose occupation is known were sex workers;
• Of the cases with data on race and ethnicity, racialised trans people make up 65% of the reported murders;
• 36% of the trans people reported murdered in Europe were migrants;
• 68% of all the murders registered happened in Latin America and the Caribbean;
29% of the total happening in Brazil;
• 35% of the murders took place on the street and 27% in their own residence;
• Most of the victims who were murdered were between 31 and 40 years old.
The data continues to indicate a worrying global trend when it comes to the intersections of misogyny, racism, xenophobia, and whorephobia, with most victims being Black and migrant trans women of colour, and trans sex workers. The high number of murder reports from Latin America and the Caribbean can be considerably attributed to the existence of established monitoring systems, and must be understood in the specificsocial, political, economic, and historical contexts in which they occur.These numbers are just a small glimpse into the reality on the ground. The majority of the data came from countries with a strong network of trans and LGBTIQ organisations that conduct the monitoring. Most cases continue to go unreported and, when reported, receive very little attention.“
Trans Murder Monitoring Project
Solidarität mit allen trans* Personen
Ich möchte kurz darauf hinweisen, dass die folgende Liste nicht hierarchisch sortiert ist und
keiner bestimmten Reihenfolge einhält. Genausowenig erhebe ich einen Anspruch auf
Vollständigkeit.
Gewalt und ihre Formen
Meine Solidarität teile ich mit allen betroffenen trans*Personen die täglich dem weltweit
herrschendem und sich verschlimmerndem transfeindlichem Status Quo ausgesetzt sind,
und der Gewalt der Nationalstaaten mit ihren unterdrückerischen, und großteils
transfeindlichen Gesetzen.
Mit allen trans* Personen die jeden Tag psychische, emotionale, sexualisierte und
körperliche Gewalt erfahren, die mehrfach betroffen sind von Unterdrückungsmechanismen
wie jeglicher Form des Rassismus, Misogynie, Antisemitismus, Ableismus, Sane-ismus,
Klassismus, Hetero-, Cis-, Endo -, Allonormiativät oder Sexarbeiter*innenfeindlichkeit und
damit zusätzlich zu dem was sie ohnehin aushalten müssen konfrontiert sind.
Kolonialismus und Antisemitismus
Denen durch den weißen, christlich-europäischen Kolonialismus und Antisemitismus, das
binäre und heteronormative Geschlechtersystem mit Gewalt aufgezwungen wurde.
Die sich verstecken müssen, die aufgrund mangelnder und fehlender Strukturen keinen
ausreichenden Zugang zu Aufklärung, Beratung oder medizinischer Versorgung haben.
Denen Aufgrund von Illegalität, Staatenlosigkeit, Asylstatus oder eines ungeklärten
Aufenthaltstitels, der Zugang zu medizinischer Grundversorgung und
Transistionsmöglichkeiten verwehrt wird.
Die gemobbt werden. Die fliehen mussten oder sich derzeit auf der Flucht befinden, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität verfolgt werden, die vom deutschen und anderen Staaten in Gebiete abgeschoben werden, in denen ihnen einen sicheres, unversehrtes, sichtbares und respektvolles Leben nicht möglich ist.
medizinisches System und Trauma
Die aufgrund von Armut und mangelnder Kostenübernahme durch die Krankenversicherung, oder dem Fehlen einer solchen keinen Zugang zu Transistionsmaßnahmen nach ihren Wünschen und Bedürfnissen haben.
Die ihre Familien und Freund*innenkreise verlieren oder verlassen müssen, weil sie sich
geoutet haben. Die sich aus Angst vor Unverständnis,Verlustangst, Diskriminierung oder anderer Gewalt,
nicht trauen sich zu outen. Die sich einsam fühlen. Die niemanden zum reden haben oder der sich mit ihnen freut. Die grenzüberschreitende Fragen gestellt bekommen. Die nicht in die klischeehaften Geschlechterrollenbilder anderen Menschen passen, darüber wie trans* Personen auszusehen oder zu sein haben.
Mikroaggressionen und Unsichtbarmachung
Die von der Gesellschaft unsichtbar oder klein gemacht werden, und denen ihre Daseinsberechtigung und ihr Geschlecht mit Gewalt aberkannt wird. Denen die richtige Anrede und die Benutzung der richtigen Pronomen
verweigert wird. Die sich bezahlt, großteils aber unbezahlt für Aufklärung und gegen Diskriminierung einsetzen. Die sich aus Angst nicht trauen die Wohnung zu verlassen. Die trotz ihrer Geschlechtsidentität die Wehrpflicht erfüllen müssen. Die jeden Tag damit leben müssen, dass endo-cis Personen mehr Entscheidungsrecht über ihren Körper haben als sie selber. Deren Aufklärungsarbeit zensiert und als Kindeswohlgefährdung eingestuft wird.
Die in bestehenden Safespaces keine sicheren Orte haben, weil sie mehrfach vonDiskriminierung betroffen sind.
Status Quo: Trans*feindlichkeit
Die Gewalt und Unterdrückung die trans* Personen täglich erfahren wird von gefühlt nur
sehr wenigen Menschen, ernst oder wahrgenommen. Sie wird von vielen Menschen, wenn
auch nicht unbedingt immer in böser Absicht, reproduziert, was ihre Folgen aber weder
abschwächt noch weniger schmerzhaft macht. Nur weil ich mich gegen eine Form der
Gewalt bekenne, heißt dass nicht, dass ich sie nicht selber reproduzieren kann.
sichere Räume? Nicht für uns.
Und auch innerhalb der linken, anarchistischen, antiautoritären und feministischen Szene ist
Trans*feindlichkeit, genau wie andere Unterdrückungsmechanismen, ein Teil des Alltags
betroffener Menschen und ein fester Bestandteil der Stukturen, den es zu bekämpfen gilt.
Menschen die über Diskriminierung berichten, wird nicht geglaubt und ihnen wird ihr
Schmerz aberkannt. Ihre Erfahrungen haben oft keinen Platz und werden teilweise als etwas
individuelles dargestellt.
Der Nebenwiderspruch.
Die sozialen Kämpfe, die historisch gesehen von BIPOC Personen begonnen wurden, und von ihnen bis heute tragend mitgeführt werden, werden abwertend gemeint als Identitätspolitik oder als Nebenwiderspruch bezeichnet und dadurch diffamiert.
Während gleichzeitig die Rechte von trans* Personen als etwas diskutierbares und etwas
legitim verhandelbares dargestellt werden und somit trans*feindlichen Diskursen Raum gewährt.
Dazu kommt eine oft fehlende Bereitschaft von nicht betroffenen Personen, sich mit dieser
Form von patriarchaler Gewalt, ihrem historischen Ausmaß und ihrer Verknüpfung mit
anderen Kämpfen auseinanderzusetzen. Sowie das eigene binäre Denken und die binären
Vorstellungen von Geschlecht aktiv zu hinterfragen, zu reflektieren und zu verlernen.
Trans*feindlichkeit als patriarchales Werkzeug
Trans*feindlichkeit muss als das gesehen werden was sie ist, nämlich ein wichtiges
Standbein des Patriarchats, ein Eingriff in die Selbstbestimmung und Autonomie, eine bis zu
weilen tödliche Form von Gewalt. Und etwas das jede Person, die als Ziel eine befreite
Gesellschaft hat, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben fern von Angst und
Bedrohung führen können, ernstgenommen und bekämpft werden sollte.
Genauso selbstverständlich wie jegliche andere Form der gesellschaftlichen Unterdrückung
und Herrschaft.
Eine befreite Gesellschaft, ohne Patriarchat, ohne Rassismus, ohne Antisemitmus, ohne
Ableismus und ohne Kapitalismus kann nur erreicht werden, wenn wir uns bedingungslos
mit allen Menschen solidarisieren, die in der Welt Unterdrückung und strukturelle Gewalt
erfahren, betroffenen Personen glauben und sie unterstützen, nicht in dem wir Kämpfe
gegeneinander ausspielen, oder sie als weniger wichtig betrachten als andere.
Wie soll das klappen mit dem Erreichen der Utopie, wenn die Kämpfe von eh schon
unterdrückten Gruppen nicht nur als unwichtig sondern teilweise sogar als bedrohlich
verstanden werden?
Richtig, gar nicht.
Solidarität und Intersektionalität!
Denn sich gegen jede Form von Hierarchie und Herrschaft zu stellen bedeutet das
bedingungslos zu tun. Und nicht da aufzuhören wo die eigenen verinnerlichten
diskriminierenden Sichtweise reflektiert werden und Verhalten umgestellt werden muss.
Es wird nicht gelingen eine Graswurzelbewegung aufzubauen, wenn Menschen innerhalbdieser Gewalt erfahren und dadurch gehindert werden sich an ihnen zu beteiligen.
Solidarität mit allen von Trans*feindlichkeit betroffenen Menschen weltweit und allen
anderen Menschen die struktureller Gewalt erfahren.
Solidarität mit allen Menschen die im Alltag, online, in der Kneipe, in der eigenen
Aktionsgruppe, bei der Arbeit, der Uni oder sonst wo gegen trans*feindlichkeit laut werden
und sich für eine Welt einsetzen, in der ein selbstbestimmtes Leben für alle möglich ist.
Ich bedanke mich fürs zuhören, fürs vorbeikommen, fürs weiterkämpfen und fürs
unterstützen.
Until all are free no one is free – terfs defend the patriarchy