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  • Der Plot – Interview

    Der Plot – Interview

    Vor ein paar Wochen zeigte mir ein sehr guter Freund einen Song. Genauergesagt zwei Songs, einmal „Triggerwarnung“ und einmal „Casey Affleck“ von Der Plot. Er hatte Sorge, dass mich vor allem „Casey Affleck“ triggern könnte. Stattdessen fand ich den Song heftig, aber ermutigend. Beides erschienen auf „Biedermann & Brandstifter“, 2020.

    Gleichzeitig ließ es mich nicht los. Musik zu hören ist das eine, aber ich habe schon in der Schule Gedichtinterpretationen gehasst. „Was hat sich die_r Autor_in beim Schreiben gedacht?“ Weiß ich doch nicht, fragt ihn! (Ja, das ist ein Sally-Ann-Problem. Ja, ich bin Autist_in.)

    Der Vorteil gegenüber Gedichtinterpretationen ist, dass ich heute Menschen fragen kann. Ich wollte wissen, was sich Der Plot bei dem Album gedacht hatte. Wollte wissen, was sie bewegt hat, einen Song aus Täterperspektive zu schreiben. Ich wollte wissen, ob sie sich mit eigener Täterschaft auseinandergesetzt haben. (Und natürlich habe ich mir auch die alten Alben angehört und wollte wissen, ob die politische Entwicklung performativ sei.)

    Minzgespinst:

    Wie kam der Song „Casey Affleck“ zustande? Was hat euch bewogen, den Song aus der Sicht des Täters zu schreiben? Casey Affleck und Weinstein sind große Namen, der Beginn klingt dagegen wie jeder Täter auch aus linken Kontexten. Wie geht ihr damit um, dass das ihr oder eure Kumpels sein könnten?

    Der Plot:

    Elmäx: Conny hat mir die Skizze von seinem Vers geschickt. Die lag lange rum bis ich einen Weg gefunden habe, einen eigenen Ansatz zu finden. Ich fühlte mich dem Thema nicht gewachsen und hatte das Gefühl, Conny ist da ein paar Schritte weiter als ich. Gleichzeitig habe ich aber direkt gespürt, dass dieses Thema unbedingt auf dem Album stattfinden muss. Ich habe unter Anderem das Buch „Vergewaltigung“ von Mithu Sanyal gelesen aber fühlte mich danach noch unsicherer das Thema anzugehen. Wie soll ich denn einen wichtigen Beitrag zu diesem Thema geben?

    Je mehr man sich einliest, desto wichtiger werden die Stimmen der Geschädigten, die tagtäglich damit umgehen müssen. Schlussendlich habe ich mich entschlossen eine Art Schauspieler Modus einzunehmen und wollte mich an der Täter-Opfer-Umkehr abarbeiten. Diese 16 Zeilen sind ekelhaft, mir wurde schlecht als ich das geschrieben habe. Das bin nicht ich, der das sagt, aber ich habe gemerkt da steckt wohl ein Teil von mir mit drin. Es geht gar nicht so sehr darum was gesagt wird, sondern das Wie bereitet mir Unbehagen.

    CONNY: Ich denke die Wucht von Max‘ Part besteht vor allem darin, dass nicht genau erkennbar ist, wer hier spricht. Es könnte sehr gut jemand aus einem linken Umfeld sein – aber auch eben auch eine Person aus einem anderen Milieu. Gerade dadurch wird es so bedrohlich, denn oft passiert sexualisierte Gewalt in vermeintlichen Safespaces. Umso mehr ein Anlass für uns, uns mit der Struktur von Männlichkeit und unserer persönlichen Verortung darin auseinanderzusetzen.

    Minzgespinst

    Viel auf „Biedermann und Brandstifter“ packt ernste Themen in Satire und Überspitzung (z.B. frische Avocados, Mama Porzellan). Dazwischen immer wieder ernste Themen wie Casey Affleck und Leuchten. Wie lässt sich dieser Widerspruch aushalten?

    Der Plot:

    Elmäx: Der Mensch an sich ist doch der größte Widerspruch überhaupt. Ich habe heute morgen erst Avocados gegessen, ohne darüber nachzudenken, ich steige in den nächsten Flieger, um Urlaub in der Sonne zu machen und wenn es regnet, geh ich nicht auf die Demo. Es ist wichtig zu checken, dass niemand perfekt ist und wir falsche Dinge aus richtigen Absichten machen oder andersherum. Für mich ist das auf dem Album kein Widerspruch, sondern wieder ein Perspektivwechsel. Nicht alles ist schwarz oder weiß, Brandstifter oder Biedermann; sondern wir sind viele Graustufen dazwischen.

    Minzgespinst:

    Das Album beginnt mit einer Triggerwarnung – gleichzeitig wird nicht spezifiziert, vor was gewarnt werden soll. Innerhalb der Trauma-Community gibt es zwiespältige Meinungen bezüglich Triggerwarnungen. Was wollt ihr mit dem Song aussagen? Soll er wirklich als Triggerwarnung verstanden werden oder als Metapher?

    Der Plot:

    Elmäx: Für uns war es wichtig, dass Hörer*innen für die Inhalte vom Album sensibilisiert werden und das Album als Gesamtwerk verstehen; Songs oder Textzeilen immer im Kontext bewerten und nicht losgelöst. Nach dem Lesen des Artikels muss ich zugeben, ich war mir der Tragweite, welche Bedeutung eine Triggerwarnung für Geschädigte haben kann, nicht bewusst. Vielleicht würden wir den Song heute anders machen und konkreter auf die einzelnen Trigger eingehen oder gar den Gebrauch von Triggerwarnungen thematisieren. Eine Triggerwarnung wie zB. vor unserem Video bei „Casey Affleck“ halte ich für sehr wichtig, dort wird eben auch direkt angesprochen, worum es inhaltlich in dem Video geht.

    CONNY: Der Song ist definitiv als Metapher zu verstehen. Wir setzen uns auf einem Deutschrap-Album kritisch mit Männlichkeit, Fussball und Konsumismus auseinander – das sind aber drei wichtige Säulen von Deutschrap (wie oft werden die Namen von Fussballern auf Songs gedropt?). Auf eine sarkastische Art und Weise wollten wir damit also den Deutschrap-Fans zu verstehen geben: Achtung, hier geht es (unter anderem) deinem Lieblingsgenre an den Kragen. Darüber hinaus gibt es aber durchaus auch Stellen auf dem Album (ich denke da zB an meinen Verse auf „Niemand hat die Absicht“), die – zumindest ohne Kontext – durchaus missverstanden werden könnten, und wir wollten unsere Position einfach sehr deutlich machen. Ich möchte nicht, dass so ein Song möglicherweise von Rechten instrumentalisiert wird.

    Fazit:

    Im Deutschrap bewegt sich etwas! Die älteren Alben von Der Plot würde ich nicht vorbehaltlos empfehlen, aber mit „Biedermann & Brandstifter“ bekamen die beiden mich! Meistens setze ich mich mit Männern und Musik auseinander, wenn ich sie kritisiere. Hier kann ich mich zurücklehnen und genießen – selbst wenn die Themen unter die Haut gehen. (Bitte bedenkt trotzdem, es sind triggernde Themen. Nur, weil ich sie gut finde, muss das bei euch nicht der Fall sein. Hört das Album nicht, wenn euch sexualisierte Gewalt triggert.)
    Ich bedanke mich auch bei Conny und Elmäx für die Beantwortung meiner Fragen und den tollen Kontakt.

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