Schlagwort: trans

  • trans* Day of Remembrence – 2022 von Sternchen

    Die Content Notes für diesen Redebeitrag sind trans* feindlichkeit, Rassismus,
    Antisemitismus, Klassismus, Ableismus, Saneismus, Mord, Suizid, psychische, körperliche,
    emotionale und sexualisierte Gewalt und Sexworker*innenfeindlichkeit

    [30 sek]

    Hallo, mein Name ist Sternchen, meine Pronomen sind sie/ihr, oder keine, ich bin nicht binär und
    transfeminin, im aromantischen und asexuellem Spektrum, neurodivergent, chronisch
    psychisch krank, dadurch schwerbehindert und von Armut betroffen.
    Ich lebe von Hartz IV, Straßenmusik und Sexarbeit, ich male auch, verdiene damit aber kein Geld.

    Anteilnahme

    Als erstes möchte ich meine Trauer, meine Ohnmacht, meine Frustration, meine Resignation
    und meine Wut, um alle ermordeten trans*Personen weltweit – in diesem und allen
    vergangenen Jahren – zum Ausdruck bringen. Genauso wie über jede trans* Person die sich
    selbst das Leben genommen hat und die weltweiten Zustände die dafür verantwortlich sind.
    Nichts kann euch wieder zurück bringen, der Schmerz über den Verlust von euch kann nie
    wieder gut gemacht werden.

    Meine Anteilnahme gilt auch ihren Familien,ihren Freund*innen, den Menschen die sie
    geliebt haben und die von Ihnen geliebt worden sind und ihnen nahe gestanden haben. Ich
    wünsche euch alle Kraft und dass ihr ein liebevolles Umfeld habt was euch unterstützt, euch
    Rückhalt bietet, zuhört und euch fragt ob euch etwas gutes getan werden kann und euch den
    Support geben den ihr braucht.

    Zahlen und Fakten

    Ich möchte an dieser Stelle nochmal die Website transrespect und die Ergebnisse des „TMM
    des Trans Murder Monitoring
    “ Projektes zitieren:

    „TMM 2022 data shows that:

    • 327 trans and gender-diverse people were reported murdered;

    • Cases from Estonia and Switzerland were reported for the first time – both victims were migrant Black trans women;

    • 95% of those murdered globally were trans women or trans feminine people;

    • Half of murdered trans people whose occupation is known were sex workers;

    • Of the cases with data on race and ethnicity, racialised trans people make up 65% of the reported murders;

    • 36% of the trans people reported murdered in Europe were migrants;

    • 68% of all the murders registered happened in Latin America and the Caribbean;

    29% of the total happening in Brazil;

    • 35% of the murders took place on the street and 27% in their own residence;

    • Most of the victims who were murdered were between 31 and 40 years old.

    The data continues to indicate a worrying global trend when it comes to the intersections of misogyny, racism, xenophobia, and whorephobia, with most victims being Black and migrant trans women of colour, and trans sex workers. The high number of murder reports from Latin America and the Caribbean can be considerably attributed to the existence of established monitoring systems, and must be understood in the specificsocial, political, economic, and historical contexts in which they occur.These numbers are just a small glimpse into the reality on the ground. The majority of the data came from countries with a strong network of trans and LGBTIQ organisations that conduct the monitoring. Most cases continue to go unreported and, when reported, receive very little attention.“

    Trans Murder Monitoring Project

    Solidarität mit allen trans* Personen

    Ich möchte kurz darauf hinweisen, dass die folgende Liste nicht hierarchisch sortiert ist und
    keiner bestimmten Reihenfolge einhält. Genausowenig erhebe ich einen Anspruch auf
    Vollständigkeit.

    Gewalt und ihre Formen

    Meine Solidarität teile ich mit allen betroffenen trans*Personen die täglich dem weltweit
    herrschendem und sich verschlimmerndem transfeindlichem Status Quo ausgesetzt sind,
    und der Gewalt der Nationalstaaten mit ihren unterdrückerischen, und großteils
    transfeindlichen Gesetzen.

    Mit allen trans* Personen die jeden Tag psychische, emotionale, sexualisierte und
    körperliche Gewalt erfahren, die mehrfach betroffen sind von Unterdrückungsmechanismen
    wie jeglicher Form des Rassismus, Misogynie, Antisemitismus, Ableismus, Sane-ismus,
    Klassismus, Hetero-, Cis-, Endo -, Allonormiativät oder Sexarbeiter*innenfeindlichkeit und
    damit zusätzlich zu dem was sie ohnehin aushalten müssen konfrontiert sind.

    Kolonialismus und Antisemitismus

    Denen durch den weißen, christlich-europäischen Kolonialismus und Antisemitismus, das
    binäre und heteronormative Geschlechtersystem mit Gewalt aufgezwungen wurde.
    Die sich verstecken müssen, die aufgrund mangelnder und fehlender Strukturen keinen
    ausreichenden Zugang zu Aufklärung, Beratung oder medizinischer Versorgung haben.

    Denen Aufgrund von Illegalität, Staatenlosigkeit, Asylstatus oder eines ungeklärten
    Aufenthaltstitels, der Zugang zu medizinischer Grundversorgung und
    Transistionsmöglichkeiten verwehrt wird.

    Die gemobbt werden. Die fliehen mussten oder sich derzeit auf der Flucht befinden, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität verfolgt werden, die vom deutschen und anderen Staaten in Gebiete abgeschoben werden, in denen ihnen einen sicheres, unversehrtes, sichtbares und respektvolles Leben nicht möglich ist.

    medizinisches System und Trauma

    Die aufgrund von Armut und mangelnder Kostenübernahme durch die Krankenversicherung, oder dem Fehlen einer solchen keinen Zugang zu Transistionsmaßnahmen nach ihren Wünschen und Bedürfnissen haben.

    Die ihre Familien und Freund*innenkreise verlieren oder verlassen müssen, weil sie sich
    geoutet haben. Die sich aus Angst vor Unverständnis,Verlustangst, Diskriminierung oder anderer Gewalt,
    nicht trauen sich zu outen. Die sich einsam fühlen. Die niemanden zum reden haben oder der sich mit ihnen freut. Die grenzüberschreitende Fragen gestellt bekommen. Die nicht in die klischeehaften Geschlechterrollenbilder anderen Menschen passen, darüber wie trans* Personen auszusehen oder zu sein haben.

    Mikroaggressionen und Unsichtbarmachung

    Die von der Gesellschaft unsichtbar oder klein gemacht werden, und denen ihre Daseinsberechtigung und ihr Geschlecht mit Gewalt aberkannt wird. Denen die richtige Anrede und die Benutzung der richtigen Pronomen
    verweigert wird. Die sich bezahlt, großteils aber unbezahlt für Aufklärung und gegen Diskriminierung einsetzen. Die sich aus Angst nicht trauen die Wohnung zu verlassen. Die trotz ihrer Geschlechtsidentität die Wehrpflicht erfüllen müssen. Die jeden Tag damit leben müssen, dass endo-cis Personen mehr Entscheidungsrecht über ihren Körper haben als sie selber. Deren Aufklärungsarbeit zensiert und als Kindeswohlgefährdung eingestuft wird.
    Die in bestehenden Safespaces keine sicheren Orte haben, weil sie mehrfach vonDiskriminierung betroffen sind.

    Status Quo: Trans*feindlichkeit

    Die Gewalt und Unterdrückung die trans* Personen täglich erfahren wird von gefühlt nur
    sehr wenigen Menschen, ernst oder wahrgenommen. Sie wird von vielen Menschen, wenn
    auch nicht unbedingt immer in böser Absicht, reproduziert, was ihre Folgen aber weder
    abschwächt noch weniger schmerzhaft macht. Nur weil ich mich gegen eine Form der
    Gewalt bekenne, heißt dass nicht, dass ich sie nicht selber reproduzieren kann.

    sichere Räume? Nicht für uns.

    Und auch innerhalb der linken, anarchistischen, antiautoritären und feministischen Szene ist
    Trans*feindlichkeit, genau wie andere Unterdrückungsmechanismen, ein Teil des Alltags
    betroffener Menschen und ein fester Bestandteil der Stukturen, den es zu bekämpfen gilt.
    Menschen die über Diskriminierung berichten, wird nicht geglaubt und ihnen wird ihr
    Schmerz aberkannt. Ihre Erfahrungen haben oft keinen Platz und werden teilweise als etwas
    individuelles dargestellt.

    Der Nebenwiderspruch.

    Die sozialen Kämpfe, die historisch gesehen von BIPOC Personen begonnen wurden, und von ihnen bis heute tragend mitgeführt werden, werden abwertend gemeint als Identitätspolitik oder als Nebenwiderspruch bezeichnet und dadurch diffamiert.

    Während gleichzeitig die Rechte von trans* Personen als etwas diskutierbares und etwas
    legitim verhandelbares dargestellt werden und somit trans*feindlichen Diskursen Raum gewährt.
    Dazu kommt eine oft fehlende Bereitschaft von nicht betroffenen Personen, sich mit dieser
    Form von patriarchaler Gewalt, ihrem historischen Ausmaß und ihrer Verknüpfung mit
    anderen Kämpfen auseinanderzusetzen. Sowie das eigene binäre Denken und die binären
    Vorstellungen von Geschlecht aktiv zu hinterfragen, zu reflektieren und zu verlernen.

    Trans*feindlichkeit als patriarchales Werkzeug

    Trans*feindlichkeit muss als das gesehen werden was sie ist, nämlich ein wichtiges
    Standbein des Patriarchats, ein Eingriff in die Selbstbestimmung und Autonomie, eine bis zu
    weilen tödliche Form von Gewalt. Und etwas das jede Person, die als Ziel eine befreite
    Gesellschaft hat, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben fern von Angst und
    Bedrohung führen können, ernstgenommen und bekämpft werden sollte.
    Genauso selbstverständlich wie jegliche andere Form der gesellschaftlichen Unterdrückung
    und Herrschaft.

    Eine befreite Gesellschaft, ohne Patriarchat, ohne Rassismus, ohne Antisemitmus, ohne
    Ableismus und ohne Kapitalismus kann nur erreicht werden, wenn wir uns bedingungslos
    mit allen Menschen solidarisieren, die in der Welt Unterdrückung und strukturelle Gewalt
    erfahren, betroffenen Personen glauben und sie unterstützen, nicht in dem wir Kämpfe
    gegeneinander ausspielen, oder sie als weniger wichtig betrachten als andere.

    Wie soll das klappen mit dem Erreichen der Utopie, wenn die Kämpfe von eh schon
    unterdrückten Gruppen nicht nur als unwichtig sondern teilweise sogar als bedrohlich
    verstanden werden?

    Richtig, gar nicht.

    Solidarität und Intersektionalität!

    Denn sich gegen jede Form von Hierarchie und Herrschaft zu stellen bedeutet das
    bedingungslos zu tun. Und nicht da aufzuhören wo die eigenen verinnerlichten
    diskriminierenden Sichtweise reflektiert werden und Verhalten umgestellt werden muss.

    Es wird nicht gelingen eine Graswurzelbewegung aufzubauen, wenn Menschen innerhalbdieser Gewalt erfahren und dadurch gehindert werden sich an ihnen zu beteiligen.

    Solidarität mit allen von Trans*feindlichkeit betroffenen Menschen weltweit und allen
    anderen Menschen die struktureller Gewalt erfahren.
    Solidarität mit allen Menschen die im Alltag, online, in der Kneipe, in der eigenen
    Aktionsgruppe, bei der Arbeit, der Uni oder sonst wo gegen trans*feindlichkeit laut werden
    und sich für eine Welt einsetzen, in der ein selbstbestimmtes Leben für alle möglich ist.

    Ich bedanke mich fürs zuhören, fürs vorbeikommen, fürs weiterkämpfen und fürs
    unterstützen.

    Until all are free no one is free – terfs defend the patriarchy

  • TDOR – Trans day of remembrance

    CN Mord, Transfeindlichkeit, Suizid, Feminizid, TDOR

    Ein Jahr ist vorbei – ich lebe noch. Viele andere trans Personen nicht mehr.

    Es ist der 20. November, es ist trans day of remembrance (TDOR), der Tag, an dem wir um die getöteten trans Personen des vergangenen Jahres trauern und um jene, die diese transfeindliche Welt nicht mehr ertrugen.

    Es waren 375 Menschen, die aufgrund ihrer Transgeschlechtlichkeit ermordet wurden, der Großteil von ihnen waren Sexarbeiter_innen. Transfeminine Personen sind, wie jedes Jahr, deutlich öfter betroffen als transmaskuline Personen.

    Hier könnt ihr ihre Namen nachlesen – und ihre Geschichten, soweit bekannt und eine Veröffentlichung gewünscht wurde. Die Namensliste ist als pdf verfügbar. Sie wird jedes Jahr zum TDOR aktualisiert.

    Einsamkeit

    Ich wurde – wie jedes Jahr – zu Gedenkveranstaltungen eingeladen. Und habe – wie jedes Jahr – abgesagt. Ich kann nicht in Gesellschaft trauern – auch wenn unsere Trauer etwas politisches hat. Wir trauern, wir klagen an. Alle von uns trauern um Leben, die aus ideologischen, hasserfüllten Gründen beendet wurden. Wir trauern um jene Geschwister, die wir nur als Namensliste des Todes kennen. Wir trauern, weil wir wissen, wie es ihnen geht, wie es ist, mit Hass und Gewalt aufgrund der geschlechtlichen Existenz umgehen zu müssen.

    Ich sitze zu Hause, alleine. Lese die Namen, ich lese die Geschichten. Sitze in eine Decke gewickelt in meinem Zimmer und fühle mich leer. Ich möchte kämpfen, ich möchte schreien – aber ich der 20. November gehört der Stille und dem Schmerz.

    Familie

    Er gehört dem Nachdenken über eine Familienstruktur, die aus der Abweichung der geschlechtlichen Norm entsteht: trans Personen sind Geschwister. Ich zünde eine Kerze an. Dabei kenne ich keine der betroffenen Personen persönlich. Ich weiß nicht, ob wir uns verstanden hätten, uns sympathisch gewesen wären. Und trotzdem eint uns das trans Sein in dieser Welt, einer Welt, die noch immer nicht freundlich gegenüber Menschen wie uns eingestellt ist – weltweit. Der TDOR ist das Gegenstück zum trans day of visibility, wo ich mich sichtbar und stolz zeigen kann.

    Familien streiten sich, Familien können dysfunktional und toxisch sein. Alles davon trifft auch auf die trans Familie zu – und trotzdem sind es meine Leute. Und wenn sie ermordet werden, weil sie trans sind, dann ist jeder dieser Morde etwas, das den Rest der Familie daran erinnert, was uns passieren kann.

    Dieses Jahr ist die Erinnerung schmerzdurchsetzt, ich sehe, wie in Deutschland, Polen, Texas, Großbritannien (und das sind nur die ersten Länder, die mich durchzucken) unsere Rechte weiter beschnitten werden. Ich sehe, wie eine Welle transfeindlichen Hasses, ideologisch getränkt, durch Europa rollt. Sehe Menschen, die mir politische Standpunkte absprechen wollen, weil ich trans bin. Ich sehe die Angst in den Gesichtern meiner Geschwister, wenn es um politische Entwicklung geht. Sehe, wie transfeindliche Übergriffe und politische Aussagen zunehmen.

    CN Suizid

    Ich gedenke Ella, die sich am 14. September in Berlin das Leben nahm.

    Ich denke an Jugendliche, die ich begleitet habe und versucht, ihre Hoffnungslosigkeit zu mildern.
    Bei einigen weiß ich nicht, ob sie ihre Transition beginnen konnten, ob sie ihr Outing geschafft haben, ob sie (noch) leben oder ob ihre Depressionen zu stark wurden. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der trans Kinder wissen, was Suizid ist und sagen, dass sie lieber sterben würden, als noch weitere fünf Jahre durch eine Pubertät gehen zu müssen, die sie dysphorisch macht.

    Schmerz

    Dieser Text ist deutlich weniger durchdacht und analytisch als das, was ich normalerweise versuche zu schreiben. Gleichzeitig passt er zu den Gedankenfetzen, die in meinem Kopf umherschwirren und die alle ähnliche, hässliche Bilder zeigen.

    Ich blicke in die Kerzenflamme. Ich kann nicht weinen, aber ich kann trauern. Alleine, zu Hause, für mich. Und gleichzeitig habe ich diesen Text geschrieben, eine Anklage, eine Trauerrede, ein Bedürfnis – vor allem für cis Menschen, für diejenigen, die nicht ermordet werden, weil sie cis sind. Die ermordet werden, weil sie Frauen sind, durch Feminizide und die sich im Tod mit trans Personen gemeinsam treffen.

    Ich will nie wieder tote Frauen sehen, ob cis, ob trans. Ich will nie wieder tote trans Personen sehen, die ermordet wurden oder sich suizidiert haben, weil sie trans sind.

  • Redebeitrag „anders“.

    Ich gehöre nicht dazu. Ich bin „anders“.

    Ein Gedanke, der meine Kindheit und Jugend prägte. Ein Gedanke, nein, eine Gewissheit, die mir verbal und nonverbal von all meinen Umfeldern, ob Familie, Schule oder Sportvereinen, immer wieder vermittelt wurde. Bis ich irgendwann selbst daran glaubte und mich von mir aus zurückzog.

    Ich bin trans, nichtbinär und Autist_in. Für mein trans Sein hatte ich damals keine Worte, meine Neurodivergenz schloss mich – obwohl nicht ersichtlich und erst spät abschließend diagnostiziert – effektiv aus.

    Die Abneigung eines kleinen Dorfes gegen jene, die „anders“ sind, kennt keine Grenzen. Eine hübsche Ironie, in allen anderen Themenfeldern sind Grenzen überaus wichtig und sind gerne gesehen – und gezogen.

    Alle queeren Personen kennen das Gefühl, nicht dazuzugehören.
    Gerade meinen nichtbinären Geschwister wird auch das auch (teilweise) von der trans Communitiy vermittelt.
    Wir seien nicht trans genug. Wir würden „hier beliebige Vorstellung einfügen“ nicht ausreichend erfüllen.

    Kommunikation

    Als neurodivergente Person sind queere Räume oft zu bunt, zu laut, zu schrill und zu flashig. Und emotional aufgeladen.
    Die richtigen Worte zu wählen, nicht zu verletzen, nicht zu diskriminieren. Gar nicht so einfach, wenn das Gespür für Situationen, subtile Hinweise und gesellschaftliche Erwartungen fehlt. Trust me, wir machen das nicht absichtlich! Wir nehmen nur erst wahr, dass wir offensichtlich einen Fehler gemacht haben, wenn wir darauf deutlich – as in „das war diskriminierend!“ – hingewiesen werden. Subtile Hinweise (bevor es zum wütenden Ausbruch ob unserer „Ignoranz“ kommt), werden von den meisten neurodivergenten Menschen ohnehin schlecht bis gar nicht wahrgenommen – Nervosität, in neuen Räumen zu sein und die Angst, etwas „falsch“ zu machen, machen alles nur noch schlimmer.

    Gleichzeitig wird – sowohl innerhalb der (vor allem trans) Community, aber auch wissenschaftlich, nach Kausalität oder zumindest Korrelation von trans und Neurodiversität gefragt.

    Nun, wir sind zwei sehr kleine Gruppen, gleichzeitig in höchstem Maß pathologisiert. Die besten Voraussetzungen, um als Testhäschen oder Versuchskaninchen für wissenschaftliche Forschung zu dienen. Wir sind „anders“, immer.

    Ich persönlich – so spannend wie gefährlich ich wissenschaftliche Grundlagenforschung auch finde – würde anders fragen: Brauchen wir wirklich weitere, pathologisierende Forschung und Erkenntnisse, um unsere Räume inklusiver zu gestalten?

    Barrieren

    „Smash the binary“ ist heute, am non-binary Awarenessday, unser Motto.
    Auch zwischen den „sogenannten Normalen“ und allen Neurodivergenten wird diese Binarität, eine Binarität, die uns zu „den anderen“ degradiert, derzeit gelebt. Eine Binarität, die zwischen „normaler“ und „anderer, irgendwie schlechterer“ Kommunikation, Bedürfnissen, Reizverarbeitung unterscheidet.

    Die dafür sorgt, dass für queere, neurodiverse Menschen weniger bis kein Platz in unseren Räumen ist – oder wir uns viel, viel mehr anstrengen müssen, um bleiben zu dürfen.
    Fehler, die aus „nicht können/nicht erkennen“ resultieren, werden als „nicht wollen“ interpretiert.

    Übergriffige, dya-cis Männer werden als Grund benannt, um trans Frauen den Zugang zu Frauentoiletten zu verweigern. Ignorante, neurotypische Menschen sind der Grund, warum wenig bis keine Fehlertoleranz für unsere Kommunikation gibt. Die Geduld mit „gespielter Ahnungslosigkeit“, um ignorant sein zu können, ist aufgebraucht.

    Ich verstehe das.

    Verantwortung

    Doch genausowenig, wie trans Frauen für privilegierte, übergriffige, dya-cis Männer verantwortlich sind, so wenig sind es neurodiverse Menschen für übergriffige, ignorante, neurotypische Personen.
    Bitte bedenkt das, wenn Menschen auf subtile Hinweise ignorant wirken – vielleicht bemerken sie diese wirklich nicht.

    Heute hier zu stehen und reden zu dürfen, ist eine Situation, für die ich sehr dankbar bin. Gleichzeitig musste ich mich heute gegen das fancy, coole, sexy Outfit in nonbinary-Farben entscheiden – die Reize auf der Haut waren zu viel.
    Ich konnte mich umentscheiden und trotzdem hier stehen (und morgen dafür den Preis zahlen, hallo Löffel auf Kredit), aber auch das ist nicht für alle von uns eine Option.
    Ihr merkt, mein „uns“ wechselt wie mein Geschlecht – immer passend zur Situation.

    Demos, CSD, Kundgebungen sind mit vielen Geräuschen, Gerüchen, Reizen und oft auch mit Polizeigewalt verbunden. Gruppen und Organisationen oft nicht inklusiv.
    Vielen neurodiversen, queeren Menschen bleibt somit „nur“ der Online-Aktivismus, oft belächelt und nicht ernst genommen, um ihre politische (Bildungs-) Arbeit und Sichtbarkeit zu ermöglichen.

    Geschwister

    Für euch stehe ich heute hier, für meine queeren, meine nichtbinären, meine neurodiversen Geschwister. Ich möchte euch Sichtbarkeit geben und eine Stimme. Ich möchte meine Stimme erheben, meine Erfahrungen, die oft auch eure sind, teilen – ohne für euch zu sprechen. Jede neurodiverse Person ist einzigartig, unsere Erfahrungen mit Ableismus sind es leider nicht.
    Ich weiß, dass im Publikum mehrere Menschen sind, die mit ihrer eigenen Neurodiversität kämpfen. Weil diese bei queeren Personen noch seltener diagnostiziert wird, als im patriarchalen System bei cis Frauen.

    Ich sehe euch, ich höre euch, ich stehe heute hier, um unsere Perspektiven zu zeigen.
    Ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein.

    SMASH THE BINARY, auf das wir inklusiv und gemeinsam gegen Patriarchat und ableistische Machtstrukturen in der Gesellschaft und unseren Räumen kämpfen!

  • Ich und mein Penis – cissiger Genitalienfetisch.

    Sag mal, hast du deinen Penis noch oder hattest du deine GaOP schon?

    Typ auf ner Party. (Es gibt jedes Mal mindestens einmal pro Abend so einen Typ.)

    Ich drehe mich um. Hinter mir eine Runde von Menschen, einen davon kenne ich näher. „M., da wollen schon wieder Leute über meinen Penis reden!“ Ich spreche laut. Ich lege ein bisschen Spott in meine Stimme. Die Runde guckt irritierend, manche fangen an zu grinsen, M. lacht. Der Typ hinter mir fängt verlegen an zu stammeln. Die Frage nach meinem Penis ist vom Tisch, die Situation nicht mehr für mich unangenehm.

    Kleidung macht Geschlecht – oder so.

    Ich bin offen trans, bin offen mit meiner Existenz. Beantworte auch gerne Fragen, wenn sie respektvoll sind (und meine Genitalien in Ruhe lassen). Ich trug ein Netzshirt, einen Sport-BH, Hotpants und Socken zu klobigen Plateau-Sneakern. Full-Face-Make-Up. Ich MUSS also eine trans Frau sein, so die geniale Kombinationsgabe von cis Personen.

    Ich sags nicht gerne (naja, doch), aber weder künstliche Wimpern, noch Gelnägel machen mich zur Frau – letztere sorgen höchstens dafür, dass ich tippen komplett neu lernen muss (dieser Text ist eine gute Übung diesbezüglich). „Weiblich“ konnotierte Kleidung war noch nie mein Problem, machte keine Dysphorie. Seitdem ich Testosteron nehme, hab ich den nichtbinären Körper, ein Hormonlevel und eine Stimme, die mich euphorisch machen (und wenn ich mich ganz doll anstrenge, auch männliches Passing, also cis assumed privilege), aber das brauche ich im Alltag nicht.

    Ich bin euch keine Androgynität schuldig. Bin euch kein „männliches Auftreten“ schuldig. Ich mag meine Brüste, die tiefe Stimme, den beginnenden Bart auf der Oberlippe und am Kinn.
    Um den Herzmenschen zu zitieren:

    Kleidung macht Charakter!

    Fluff ist ein tuntiges Twink mit Brüsten.

    Herzmensch.

    Kleidung hat kein Geschlecht – warum sollten mich Minirock und Highheels zur Frau machen? Weil „erwartet“ wird, dass ich das trage? Weil der „Mann im Kleid“ für euch seltsam bis unvorstellbar ist? Meine Brüste so ästhetisch sind, dass sie nicht „natürlich“ sein können (nope, die sind nur groß, nicht besonders). Weil nichtbinäre Menschen am besten androgyn-männlich, ätherisch, non-sexuell zu sein haben? Woher kommen diese Zuschreibungen? Woher die Abwertung von Femininität?
    (Spoiler: Patriarchat.)

    Liebe cis Personen: Ihr dürft meine Femininität nicht mögen, gut leiden oder feiern. Ihr dürft mich meinetwegen auch sexualisieren, solange ihr das bei euch behaltet. Ich bin high femme, ich bin bitchy as fuck – aber ich werde dadurch nicht zur Frau (weder cis, noch trans). Und mein Penis ist meine Sache.
    HRT hat mir die Akzeptanz bis Liebe meines Körpers ermöglicht, das werde ich (Stand heute) nie wieder aufgeben. Es hat mich nicht dazu gebracht, meine Kleider, Hotpants und Overknees wegzuschmeißen.
    Das haben auch all jene nicht geschafft, die mir (auf die eine oder andere Art) vermittelten, ich wäre unzureichend oder „nicht richtig trans“ (das geht vor allem an den AntiD Fuckboy, der meinte, ich wäre nicht „richtig trans, ich würde keine Genitalverstümmelung anstreben wie die echten trans Personen“, mich aber trotzdem vögeln wollte).

    Küsschen und Stößchen – deal with me.

  • Geschlechterneutrale Sprache und Autismus.

    Das Missy-Magazin hat ein neues Layout. Sie präsentieren stolz einen „eigenen“ Asterisk (umgangssprachlich „Genderstern“ genannt) und ein „missy-exklusives m“. Der Asterisk wird für geschlechterneutrale Sprache verwendet. Das „m“ hat einen kleinen Schnörkel nach unten. Es wird von jetzt an in jeder Überschrift, die ein „m“ enthält, sein.
    Schwerpunkt des Heftes ist – unter Anderem – feministisches Design. Für ein Heft, das sich „intersektionalen Feminismus“ auf die Fahne geschrieben hat, ein etwas kläglicher Schwerpunkt. Denn an Autismus, Neurodivergenz und Leseschwächen wurde nicht gedacht.

    Intersektionalität ist die Verschränkung unterschiedlicher Diskriminierungsformen. Die Bezeichnung geht auf die Arbeit Schwarzer Feminist_innen zurück. Sie sahen sich weder von weißem Feminismus, noch der Schwarzen, männlich dominierten Bürgerrechtsbewegung in ihren Kämpfen repräsentiert.
    Das Einstellen ausschließlich weißer Frauen und Schwarzer Männer (wenn Unternehmen verpflichtet sind, Minderheiten einzustellen) ist legal. Selbst wenn Schwarze Frauen dadurch spezifisch diskriminiert werden.

    Kurzer Exkurs, zurück zur heutigen Problematik der Intersektionalität. Auch die Verflechtungen von Ableismus, Sexismus, Trans- und Queerfeindlichkeit fallen darunter.
    Und da kommen wir zum Problem: Design und geschlechterneutrale Sprache. Autismus und Neurodivergenzen.

    Geschlechterneutrale Sprache

    Sprache schafft Realität – und bildet Realitäten ab. Unterschiedliche Studien haben bewiesen, dass das generische Maskulinum dazu führt, dass Lesende/Hörende ein männliches Bild im Kopf haben. Das verunsichtbart alle Personen, die nicht männlich sind. Es sorgt langfristig dafür, dass unsere Realität weiterhin eine männlich geprägte, männlich dominierte ist. (Und dafür, dass beispielsweise Mädchen eher Berufe als Wunschberuf angeben, die mit „Weiblichkeit“ assoziiert sind.)

    Eine Lösung dafür können Passivkonstruktionen (Lesende, Lernende, Hörende, etc.) sein. Unterschiedliche Varianten des Entgeschlechtlichens – also beispielsweise Sonderzeichen oder Binnen-I. (Lehrer_innen, Lehrer*innen, LehrerInnen). Sonderzeichen wurden vor allem aus der trans Community heraus entwickelt und gefordert. Es geht um Sichtbarkeit von nichtbinären Personen (und die Einbeziehung dieser). Das Binnen-I kommt vor allem aus einer cis-feministischen Perspektive und war dazu gedacht, Frauen sichtbarer zu machen. Geschlechterneutrale Sprache hat also unterschiedliche Möglichkeiten.

    Klingt gut? Klingt gut. Bisschen ungewohnt, aber da gewöhnen sich Menschen nach und nach dran.
    Aber.

    Probleme

    Ich kann die Missy in Zukunft nur noch mit Pausen lesen. Die Variante des * (in der Mitte des Wortes statt hochgestellt) und des „m“ kann ich nicht flüssig lesen. Ich bin Autist_in. Autimus ist eine Neurodivergenz. Unser Gehirn arbeitet ein wenig anders als die Norm.

    Viele Autisten, Autistinnen und Autist_innen haben das Problem, dass wir Sprache anders wahrnehmen. Uns fehlt ein Filter, der Reize sortiert und in „wichtig“ und „unwichtig“ einordnet. Wenn in einem Text (sehr viele) Sonderzeichen auftauchen, wird dieser Text für neurodiverse schlecht bis un-lesbar. Das betrifft auch blinde und sehbehinderte Menschen. Screenreader sind Programme, die Schriftsprache in Lautsprache übersetzen. Gerade Screenreader können oft Sonderzeichen nicht adäquat (als Glottal Stop) übersetzen. Dadurch klingt ein Text dann so: Lehrer_innen wird zu LehrerUnterstrichInnen. Klingt anstrengend? Ist es auch.

    Screenreader sind eine technische Problematik. Technik ist lösbar. Die Gehirne jener neurodiversen Menschen mit dieser Problematik, sind nicht durch ein IT-Update behandelbar.

    Bedürfnisse

    Wir haben also zwei unterschiedliche Bedürfnisse, die sich konträr gegenüberstehen. Einerseits Sichtbarkeit (die zur Normalisierung führt), andererseits Lesbarkeit und Erfassbarkeit von Informationen.

    Ist eines dieser Bedürfnisse (ich las kürzlich von Exkludierung 1. und 2. Ordnung) dadurch wichtiger als das andere? Ich denke nicht. Studien haben die Problematik des generischen Maskulinums belegt (nämlich, dass es Assoziationen zu Männern herstellt und eben nicht neutral wirkt). Es ist eine komplexe und nicht individuelle Situation. Die Lösung muss eine gesellschaftliche sein. Unsichtbarkeit von nicht-männlichen Personen in der Sprache hat Konsequenzen auf das Leben dieser. Ausschließende Texte aufgrund von Unlesbarkeit haben Konsequenzen für Personen, die diese Texte nicht lesen können.

    Das wiederum gilt auch für beispielsweise Hashtags wie #noAfD oder #TSGabschaffen. Sie werden synonym zum kritisierten Gegenstand verwendet. Es geht darum, z.B. der AfD keine Reichweite zu geben. Der #AfD würde ihr Reichweite geben. Wird statt „AfD“ in einem Tweet #noAfD verwendet, brauche ich deutlich länger, um den Inhalt zu verstehen. Statt flüssigem Lesen ist es eine bewusst-kognitive Handlung – und die kostet deutlich mehr Energie.

    Eine einheitliche, neutrale Form ist wünschenswert. Sowohl für Personen, die unter geschlechtlicher Diskriminierung leiden, als auch für alle, die unter Ableismus leiden. Und noch viel mehr für alle Personen, die von beidem betroffen sind.

    Fazit

    Sonderzeichen waren ein weiterer Schritt auf einem langen Weg. Aber sie sind nicht das Ende der Debatte – auch nicht die Diskussion um ein „korrektes“ Sonderzeichen.
    Gleichzeitig schmerzt es mich, dass ich mich zerrissen fühle zwischen den Bedürfnissen als trans Person und als Autist_in. Hier habe ich schon darüber geschrieben. Als ob es nur eine Möglichkeit gäbe, anstatt gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
    (Ich persönlich verwende den Unterstrich. Er bietet mir die bestmögliche Variante, meine eigenen Texte zu schreiben, zu lesen und zu verstehen.)

  • Trauer, Müdigkeit und Schmerz – you know, it’s 8. März

    Wenn du dir den Text über den Frauenkampftag lieber anhören möchtest, anstatt ihn zu lesen, klicke auf PLAY.

    Beim Frauenkampftag geht es nun mal ausschließlich um Frauen und die Diskriminierung, die sie als Frauen erleben. Ich gehe doch auch nicht mit einem All-Lives-Matter-Schild auf eine Black-Lives-Matter-Demo!

    Twitter. (Nein, ich verlinke den Account nicht.)

    Guten Morgen. Vorweg: Ich persönlich gehe nirgendwo mit einem All-Lives-Matter-Schild hin. Nicht auf eine Black-Lives-Matter Demo, nirgendwohin. Das liegt daran, dass dieser Slogan aus einer alt-right Richtung entstanden ist. Um die Kämpfe von Schwarzen Menschen gegen Diskriminierung und Rassismus zu schwächen und abzuwerten. Mit „All Lives Matter“ wird aus herrschender Position heraus der Kampf marginalisierter Gruppen unterdrückt und Diskriminierung verunsichtbart. Beim Frauenkampftag genauso?

    Alle Jahre wieder…

    Ich bekam diesen Vorwurf, als die – alljährliche – Diskussion darüber entbrannte, ob die Umbenennung von „FrauenKampftag“ in „feministischer Kampftag“ nicht Frauenkämpfe der Historie verunsichtbaren würde. Das es vor allem darum geht, dass Frauen auf spezifische Weise unter dem Patriarchat leiden. Nun.
    Ich persönlich vertrete die Meinung, dass nichtbinäre Personen und trans Männer schon immer – wenn auch nicht unbedingt mit diesen Worten – Teil der Frauen- (und später Lesben- und FrauenLesben-)kämpfe waren. Es geht also nicht darum, Geschichte umzuschreiben, sondern sichtbar zu machen, was schon immer da war. Trans Frauen sind Frauen, deshalb benenne ich sie nicht spezifisch. Ein Frauenkampftag nur für cis Frauen wäre absurd.

    Es geht auch nicht spezifisch um das Leid, das Frauen erfahren, weil sie Frauen sind. (Dafür gibt es beispielsweise den 25. November, den „Internationalen Tag der Gewalt gegen Frauen“.) Es geht um Arbeitskämpfe, um (unsichtbare) Emo- und Care Work, es geht um Gender Pay Gap. Darum, dass „weiblich“ konnotierte Berufe schlechter bezahlt sind. Kurz: Es geht um all die Dinge, die tatsächlich Frauen, nichtbinäre Personen, trans Männer und inter Personen einen. Kämpfe, die sich durch die Position im Patriarchat ergeben und nicht durch das tatsächliche Geschlecht.

    (Wenn ich schlechter bezahlt werde, weil mich Leute für eine Frau halten, dann hilft nicht einmal der geänderte Personenstand. Für euch getestet.)

    …kommt das Cistus-Kind

    Andererseits… Ich kann verstehen, woher diese Argumentation kommt. Ich habe mich acht Jahre lang feministisch engagiert, bis ich mich geoutet habe und aus den Gruppen herauskomplimentiert wurde bzw. mich bereits im Vorfeld zurückgezogen hatte. Die Debatte um den Frauenkampftag erinnert mich jedes Jahr erneut daran.

    Ich kann verstehen, dass cis Frauen das Gefühl haben, ihnen würde etwas weggenommen werden, das ihnen aus der Historie und ihres Platzes im Patriarchat wegen zusteht. Das es sie frustet, wenn sie dabei zusehen müssen, wie etwas, worauf sie sich das ganze Jahr freuen, in einen Kampf um Begriffe, Ein- und Ausschlüsse ausartet. (Und das tut es, alle Jahre wieder kommt das Cistuskind auf die Netze nihieder, wo wir Menschen sind…)

    Wer nicht über den eigenen Tellerrand, die eigenen Erfahrungen hinwegblicken kann oder will, wird die Erfahrungen von trans Personen als nicht so wichtig wahrnehmen wie die eigenen – falls selbige überhaupt anerkannt werden. Ich habe auch mal so argumentiert, hatte das gesamte Klischee von „weiblicher“ und „männlicher“ Sozialisation internalisiert und well, ich habe mich selten auf so brutale Art und Weise einer Realität stellen müssen.

    Manchmal ist es tatsächlich Dysphorie.

    Ich habe meine Essstörung, meine Dysphorie, meinen Unwillen gegenüber dem Wort „Frau“ mit Femininismus, mit weiblicher Sozialisation, mit Patriarchat begründet. Habe mich mit aller Kraft und Macht der Wahrheit entgegengestellt – acht Jahre lang. Bis zu meinem Outing, bis ich meinen Namen, meinen Personenstand änderte und anfing, mir Testosteron auf die Haut zu schmieren.

    Es wird nicht geschehen, dass alle cis Frauen plötzlich feststellen, dass sie trans sind, wie es mir passiert ist (und wofür ich im Nachhinein unfassbar dankbar bin. Mein Leben ist trotz Transfeindlichkeit deutlich besser).

    Ob Frauenkampftag oder nicht – unsere Kämpfe bleiben verbunden.

    Aber ihr könntet zuhören. Unsere Kämpfe lassen sich nicht direkt voneinander trennen, weder in der Theorie, noch in der Realität. Gerade in der Realität sind (un)geoutete trans Männer und nichtbinäre Personen Teil von feministischen Gruppen. Und gerade diese Realität hat dazu geführt, dass aus FrauenRäumen Frauen*Räume wurden. Mit dem Sternchen, um die Personen, die sich in ihrer feministischen Entwicklung outeten, einzubeziehen.

    Es ist nämlich deutlich schwieriger, den Freund, der mal Freundin genannt worden ist oder die Liebhaberin, di_er sich als Liebhaber_in geoutet hat, aus Gruppen zu entfernen, als sich als geschlossene Gruppe gegen Männer, die als ein „außen“ imaginiert werden, darzustellen. So kamen auch die historischen Ausschlüsse von trans Frauen zustande, die eben nicht bereits vor ihrem Outing willkommen waren. Und es auch nach ihrem Outing besonders schwer haben. Leider reichen diese Ausschlüsse in ihren Wurzeln bis heute weiter – daran müssen wir arbeiten!

    Und müssen gemeinsam gekämpft werden.

    Heute sind wir eigentlich weiter. Wir haben mit FLINTA (Frauen, Lesben, inter, nichtbinär, trans, ageschlechtlich) ein Akronym dafür, dass die Räume der damaligen Zeit nicht hatten. Aber streng genommen meinen wir das gleiche.

    Ich würde meinen Geschwistern gerne den Schmerz und die Müdigkeit ersparen, die ich seit meinem Outing vor, während und nach dem 8. März erfahre. Es war mal ein empowernder Tag für mich. Lasst es das wieder werden. Bis dahin… bestreike ich den Streik und schone meine Ressourcen. Feministischer Kampftag statt Frauenkampftag.

  • Autigender: Identitäten und Einhörner.

    Autigender ist nicht real! Die können sich dann einfach als regenbogenbunte, glitzerpupsende Einhörner definieren und wissen gar nicht, was wirklich eine Behinderung ist! Das schadet uns!

    Zusammenfassung einer Twitter-Debatte.
    Ein lila Strich als optischer Blickfang

    Irgendwie hat „meine“ Autismus-Bubble auf Twitter (also die Menschen, denen ich folge und deren Ansichten und Meinungen ich bezüglich Autismus teile, natürlich habe ich da einen Bias) ein Problem mit trans Personen. Wobei „Problem“ trifft den Kern der Sache nicht so richtig, ich habe aber auch noch nicht ganz gegriffen bekommen, was jetzt die eigentliche Problematik ist. Es entzündet sich allerdings häufig am Begriff „Autigender“.

    Als ich verschiedene Menschen darauf ansprach, wurde mir gesagt, dass es wohl SelfDx (also Menschen ohne offizielle Autismus-Diagnose, die sich aber als Autist_innen bezeichnen) gibt, die gleichzeitig irgendwie in der trans Communitiy unterwegs sind und das „AutiGender“ als queere Identität verwenden, um zwischen „männlich“ und „weiblich“ noch „autistisch“ zu etablieren.

    Ich persönlich, seit Jahren in der deutschsprachigen trans/queer Communitiy unterwegs (und auf Twitter), habe davon noch nichts gehört. Deshalb habe ich mich auf die Suche danach gemacht – was ist „AutiGender“? Außerdem geht es in diesem Beitrag darum, dass queere Identitäten ebenfalls nichts sind, das sich Menschen „aussuchen“. Auch, wenn es von außen vielleicht so wirkt.

    Step 1 meiner Recherche:

    Das queer-lexikon, dessen Glossar die größte, deutschsprachige Rechercheplattform für queere Labels und Mikrolabels sein dürfte. Bei „AutiGender“ in der Suche ist selbige schnell erledigt: Keine Treffer. „Autismus“ gibt ein paar Treffer, diese beziehen sich jedoch alle auf den Kummerkasten. Das queer-lexikon kennt dieses Label also offensichtlich nicht.

    Step 2: Google.

    Hier gibt es sehr viele Treffer, die Autismus und trans und Autismus und Frauen behandeln. Spezifisch „AutiGender“ finde ich erstmal nicht, deshalb gehe ich auf die Quellen zu „Autismus und trans“ näher ein. Vielleicht geben die mir etwas mehr Input.

    • Autismus-Kultur benennt eine nicht näher definierte Studie, die davon ausgeht, dass ca. 5% der Autist*innen gendervariant seien. Letzte Änderung der Seite war am 16.03.2020. In diesem Beitrag geht es darum, wie die Kombination aus LGBTIQ und Autismus zu vermehrten Diskriminierungen und Ausschlüssen aus eigentlich zugehörigen Räumen führt/führen kann. Ähnliches habe ich hier ebenfalls beschrieben.
    • Eine Frage dazu beantwortete 2017 das AutismusFAQ. Sie definieren es ähnlich wie die oben genannte Twitter Menschen. „Mittlerweile wird er leider häufig synonym für das Gefühl verwendet, dass man auch ohne Diagnose manchmal Autistin ist. Oder sich eben weder als Mann noch Frau, sondern als Autistin fühlt (häufig, ohne diagnostiziert zu sein).“ Gleichzeitig geht die Seite aber auch auf den Ursprung des Begriffes ein. „Ein Gender, das nur als Autist*in verstanden werden kann.„.
    • Ähnlich greift es das AutisticAlien auf, das AutiGender als „Beziehung zum eigenen Geschlecht in Abhängigkeit vom Autismus“ definiert. (Orig: autigender isn’t a gender or gender identity, but rather, how one’s view of gender is affected by autism.) Auch hier betont die Quelle, dass „AutiGender“ als eigene, geschlechtliche Kategorie (also als eigenes Label für Geschlecht) abgelehnt wird.
    • Das gleiche beschreibt WIKIA, in einem eigenen Beitrag über „AutiGender“.
    • Dann gibt es noch diese Seite, (CN TRANSFEINDLICHKEIT), die aussagt, dass verschiedene Faktoren zu Dysphorie führen können. Nicht alle davon müssen mit Transgeschlechtlichkeit in Verbindung stehen. Und dann fährt sie mit Horror-Geschichten über Transition und Detransition fort. (Horror-Geschichten, weil es die realen Gegebenheiten, wie auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine Transition hier völlig missachtet. Grausige Einzelbeispiele, die beim Lesenden Emotionen auslösen sollen, sind keine guten Quellen. Das ist eine Fake-News-Seite.)
    • Hier wird mal eben sowohl Autismus, als auch Transgeschlechtlichkeit als Modediagnose bezeichnet – ne, damit halte ich mich gar nicht erst auf, sorry not sorry.

    Zwischenstep: Identitäten.

    Wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, lehne ich die Bezeichnung „definiert sich als“ ab. Ich bin trans, ich bin Autist*in, ich bin kurzhaarig, gepierct, tätowiert. Meine Identität, definiert als: als „Selbst“ erlebte innere Einheit, setzt sich aus diesen einzelnen Faktoren zusammen.

    Ich habe mir nicht ausgesucht, trans zu sein. Ich habe mir nicht ausgesucht, Autist*in zu sein. Beides war halt da, das eine (der Autismus) bedingt, wie ich die Welt sehe, das andere (trans) bedingte eine Bruchstelle zwischen „wie ich mich sehe“ und „wie mich die Welt sieht“. Während ich letzteres durch eine medikamentöse HRT, eine Personenstands- und eine Vornamensänderung mildere (sich also diese Bruchstelle langsam schließt), wird mein Autismus unverändert bleiben.

    Deshalb lehne ich auch „person first“ language (z.B. Mensch mit Autismus) ab – mein Autismus ist untrennbar mit mir verbunden.

    Queerfeindliche bzw. transfeindliche Gruppierungen haben sich die Vielzahl der Label, die es in der queeren Communitiy gibt, (und über die auch innerhalb der Community gestritten wird) zu nutze gemacht, um sich über Queers lustig zu machen. Ein beliebter Spruch ist „Ich identifiziere mich als Apache Helicopter (ein Kampfhubschrauber)“ oder „meine Pronomen sind ‚Arschloch/Leck mich’“. Hintergrund dessen ist, die selbstgewählten (Micro)Label von queeren Personen ins Absurde zu treiben – und damit die Absurdität der Label selbst aufzuzeigen.

    Anstatt bei „männlich“ und „weiblich“ zu bleiben, wie es die Norm vorsieht, wagen es queere Menschen, sich Bezeichnungen zu geben, die auf den ersten Blick seltsam oder absurd erscheinen – und die auch (wenn es nach ebenjenen konservativen Elementen geht) auch in dieser Ecke bleiben sollen. Cupioromantisch, a_romantisch, genderfluid, nichtbinär, trans – einige Beispiele. (Durch die Links kommt ihr zur jeweiligen Definition. Alle diese Label nutze ich für mich, wenn auch in unterschiedlichen Zusammenhängen.)

    Step 3: Zusammenführung der verschiedenen Begriffe zu Autigender

    Zu SelfDx habe ich keine spezifische Meinung, ich empfinde dieses Thema als zu komplex, um mich auf „die eine“ oder „die andere“ Seite zu stellen. Eine Diagnostik ist zeit- kraft- und geldraubend – und nicht immer von Erfolg gekrönt (selbst wenn die Person möglicherweise autistisch ist).

    Gleichzeitig habe ich ein Problem mit den Begriffen „autistische Züge“ und „sind wir nicht alle ein bisschen autistisch“ – nein, sind wir nicht. Autismus ist ein Spektrum, aber die Einladung ist exklusiv für Autist_innen. Das Spektrum beginnt nicht bei „neurotypisch“ und endet bei „Autismus“. Das Spektrum beginnt bei „Autismus“. Natürlich gibt es auch neurotypische Menschen, die an sich Wesenszüge bemerken, die sie als autistisch wahrnehmen – allerdings ist das nicht verwunderlich, schließlich sind auch Autist_innen Menschen und keine unter einem Stein hervorgekrochenen Aliens von einem anderen Stern. (Redewendung/Sarkasmus).

    Über den Autismus von niemals diagnostizierten Autist_innen kann 1 nur spekulieren, das liegt in der Natur der Sache. Ebenso darüber, inwieweit Autismus eine Be_Hinderung in einer idealen Welt sein wird, in der Inklusion real ist und Autismus keine Nachteile mehr mit sich bringt.
    Ich mag diese Spekulationen, halte sie aber für die heutige Debatte für nicht zielführend.

    „AutiGender“ halte ich – zumindest in der Form „wie Autist_innen ihr eigenes Geschlecht wahrnehmen“ für valide, wenn auch nicht unbedingt nützlich. Nicht nützlich, weil mein Autismus Auswirkungen darauf hat, wie ich alles wahrnehme, nicht nur mein Geschlecht. (Und ich möchte keine AutiBeziehungen, AutiEssen oder AutiArbeit haben, ich möchte einfach nur autistisch sein.)

    In der Definition „sich ein bisschen autistisch fühlen“ – nope. Geht weg damit. Geht genauso weg damit, wie mit „ein Tag im Rollstuhl“-Veranstaltungen, Trips durch die Stadt mit Augenbinde oder dem Tragen von Leuten, die damit „fühlen“ sollen, wie es ist, behindert zu sein. Mein Autismus ist kein Spielplatz, auf dem ihr euch austoben könnt – und meine Transidentität auch nicht.

    Autigender – ein Fazit

    Kritik an den oben genannten Personen dann aber mit „sich eine Identität nach Lust und Laune überstülpen“ zu äußern, wie es AutismusFAQ (und ebenso einige Menschen auf Twitter) taten, empfinde ich ebenfalls als unpassend. In Anbetracht der queeren Communitiy, der dieser Vorwurf regelmäßig gemacht und deren Sein als „lächerliches Identitätsding“ abgestraft wird.

    Wir suchen uns unsere (queere) Identität nicht aus, wir definieren sie nur. Dafür werden Worte genutzt, die auf den ersten Blick ungewohnt und seltsam erscheinen. Das liegt daran, dass es kaum bis keine Worte gibt, um ein Sein zu definieren, das außerhalb der Norm liegt.
    Schlussendlich ende ich – wie so oft – mit der Bitte, dass sich trans und Autismus verbinden lassen können sollen müssen. Der Spagat zwischen den Stühlen (Metapher) schmerzt.

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