Schlagwort: Transfeindlichkeit

  • Die Biofrau im Kühlregal

    „Es muss die Option bleiben, Zugänge nach optischen Gesichtspunkten zu ermöglichen“, sagte Marco Buschmann im Interview mit Zeit online sinngemäß. Es ging (wie meist bei diesem Thema) um den Zugang zur Frauensauna. Ein anderer Schwerpunkt sind Toiletten. Ein Begriff, der in diesem Kontext oft fällt, ist der der „Biofrau“, in Abgrenzung zur trans Frau bzw. Transfemininität.

    Im Text geht es um Transfeindlichkeit und transfeindliche Zuschreibungen. Es gibt dabei Beispiele von essentiellen Weiblichkeitsvorstellungen. Medizinische Maßnahmen und Transitionsschritte kommen ebenfalls vor.

    Biologisch abbaubar?

    Die Biofrau als natürlicher, organischer Zustand und die trans Frau als „künstliche“ Erschaffung daneben. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Jennifer Bilek mit dem Begriff des „Transhumanismus„. Hier wird eine ganze Industrie imaginiert, die hinter trans Personen stünde, namentlich Big Pharma, Big Bank und Big Tech. Sie würden die Idee des „falschen Geist im falschen Körper“ verbreiten und entsprechen behaupten, dass Männer Frauen seien.
    (Der Antisemitismus in diesen Aussagen ist einen eigenen Text wert.)

    Wir merken hierbei schon den ersten Fehler. Trans Frauen sind keine Männer, die sich als Frauen ausgeben. Sie sind Frauen. Bereits vor den Möglichkeiten einer hormonellen oder operativen Angleichung an den gewünschten Körper gab es trans Personen. (Und die ersten Operationen an trans Personen wurden Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland durchgeführt.) Trans Personen sind nichts neues. Sie sind nur geschichtlich unsichtbar geblieben. Diese Unsichtbarkeit liegt an veränderten Begriffen, aber auch an fehlenden Möglichkeiten. Wenn Menschen keine Worte für ihr Sein haben, schweigen sie.

    Weibliche Essenz(en)

    Die Unterscheidung in „Biofrauen“ und trans Frauen eröffnet eine Unterscheidung, die sich mit der essentiellen Frage von Weiblichkeit auseinandersetzt. Was macht eine Frau zu einer Frau? Gibt es überhaupt so etwas wie eine Weibliche Essenz, die allen Frauen gemeinsam ist? Eine fötale Entwicklung des Körpers? Eine gewisse Chromosomenausprägung? (Kennen Sie Ihre eigenen Chromosomen? So richtig, mit einem Karyogramm?) Die Fähigkeit zu gebären? Eine gewisse Körbchengröße? Haarlänge? Hormonwerte? Verhalten? Hobbys? Eine Art zu sprechen und zu gestikulieren?

    Die Antwort kann – je nachdem, aus welcher Perspektive geschaut wird – höchst unterschiedlich ausfallen. Wenn wir auf Steckerverbindungen schauen, dann ist eine weibliche Verbindung eine, in die etwas hineingesteckt wird. Die männliche Verbindung ist dagegen die, die hineinsteckt. Wenn wir auf Zeugungsfähigkeit blicken, dann sind weibliche Gonaden groß und unbeweglich. Und schauen wir auf das sozial ausgelebte Geschlecht, dann ist eine Frau eine erwachsene, weibliche Person, die sich selbst als Frau bezeichnet. Das, was Menschen im Alltag erleben, ist dabei vollkommen unabhängig von der Gonadengröße einer Person. Niemand fragt bei alltäglichen, sexistischen Situationen, ob ein Uterus vorhanden ist.

    Zumindest bei den Steckverbindungen und den Gonaden kann davon ausgegangen werden, dass zunächst ein Begriff für Weiblichkeit vorhanden war und dieser dann auf entsprechende Merkmale angewandt wurde.

    Körperliche Zirkelschlüsse

    Der Begriff „Biofrau“ schließt schlussendlich also nur diesen Zirkelschluss, dass aus der Zuordnung zu einem Geschlecht ein Körper entwickelt wurde, um diesen zur Zuordnung zu einem Geschlecht zu nutzen. Gleichzeitig wird damit Intergeschlechtlichkeit weiter unsichtbar gemacht (die Dunkelziffer einer XXY-Chromosomalität liegt bei ca. 70 %), als auch ein bestimmter Körper mit Weiblichkeit verknüpft.

    Diese Verknüpfung sorgt dafür, dass cis Frauen, die beispielsweise aufgrund von Brustkrebs sich einer Operation unterziehen mussten, oft das Gefühl haben „nicht mehr weiblich genug“ zu sein. Nicht gebärfähige cis Frauen berichten ebenfalls von diesen Gedanken. Das kann zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen führen. Auch trans Frauen leiden unter diesem Druck. Vor allem ihnen wird abgesprochen, jemals eine „echte“ Frau zu sein. Weiblichkeit wird auf biologische Merkmale reduziert, die die meisten Menschen bei sich selbst nicht einmal kennen. Wer bereits vergeblich versucht hat, schwanger zu werden, kann diese Erfahrung bestätigen.

    Darüber hinaus führt diese Unterscheidung in der Praxis zu obskuren Situationen. Sind die Hormone, die cis Frauen in der Menopause nehmen, natürlich? Sind sie unnatürlich, sobald trans Frauen sie nehmen? Ist eine genitalangleichende Operation einer cis Frau, um eine „schönere“ Vulva zu haben, natürlich? Aber die Operation einer trans Frau dann unnatürlich? Sind Brustvergrößerungen von cis Frauen natürlich? Ist die Anti-Baby-Pille natürlicher als ein Östrogenpräparat?

    Hormonersatztherapien wurden für cis Personen entwickelt. Die Beipackzettel erhalten keine Angaben zu trans Personen. Die größte Gruppe an Menschen, die Hormonpräparate nimmt, ist cis.

    Natürlichlichkeit – ein Konstrukt

    Natürlichkeit ist ein Konzept, das von einer ursprünglichen, korrekten Wahrheit ausgeht. Gleichzeitig sind sehr viele Krankheiten „natürlich“, in dem Sinne, dass sie in der Natur vorkommen und vom Menschen unbeeinflusst entwickeln. Krebs ist natürlich. Diabetes ist natürlich. Hashimoto (eine Schilddrüsenerkrankung) ist natürlich. Endometriose ist natürlich. Nichts davon sind Zustände, die unbehandelt bleiben sollten. Es sind aber gleichzeitig bei jeder Therapie medizinische Eingriffe in den Körper. Diabetes benötigt Behandlung durch Spritzen, sowohl zum Messen, als auch für Insulin. Eine Chemotherapie ist höchst giftig. Sie muss das sein, um zu wirken.

    Medizinischer Fortschritt rettet Leben.

    Manche Menschen haben körpereigenes Insulin. Manche Menschen benötigen dagegen körperfremdes Insulin.
    Einige Menschen haben körpereigenes Testosteron, das zu hoch ist. Da helfen Testosteronblocker.
    Andere Menschen haben kein körpereigenes Testosteron. Sie benutzen Gel oder Spritzen.

    In Bezug auf Geschlecht diese Grenze zwischen „natürlich“ und „künstlich“ zu eröffnen, ist absurd. Es zeigt, dass trans Personen nicht als sie selbst ernst genommen werden. Es ist eine künstliche Unterscheidung, die ausschließlich der Diskriminierung dient.

  • trans* Day of Remembrence – 2022 von Sternchen

    Die Content Notes für diesen Redebeitrag sind trans* feindlichkeit, Rassismus,
    Antisemitismus, Klassismus, Ableismus, Saneismus, Mord, Suizid, psychische, körperliche,
    emotionale und sexualisierte Gewalt und Sexworker*innenfeindlichkeit

    [30 sek]

    Hallo, mein Name ist Sternchen, meine Pronomen sind sie/ihr, oder keine, ich bin nicht binär und
    transfeminin, im aromantischen und asexuellem Spektrum, neurodivergent, chronisch
    psychisch krank, dadurch schwerbehindert und von Armut betroffen.
    Ich lebe von Hartz IV, Straßenmusik und Sexarbeit, ich male auch, verdiene damit aber kein Geld.

    Anteilnahme

    Als erstes möchte ich meine Trauer, meine Ohnmacht, meine Frustration, meine Resignation
    und meine Wut, um alle ermordeten trans*Personen weltweit – in diesem und allen
    vergangenen Jahren – zum Ausdruck bringen. Genauso wie über jede trans* Person die sich
    selbst das Leben genommen hat und die weltweiten Zustände die dafür verantwortlich sind.
    Nichts kann euch wieder zurück bringen, der Schmerz über den Verlust von euch kann nie
    wieder gut gemacht werden.

    Meine Anteilnahme gilt auch ihren Familien,ihren Freund*innen, den Menschen die sie
    geliebt haben und die von Ihnen geliebt worden sind und ihnen nahe gestanden haben. Ich
    wünsche euch alle Kraft und dass ihr ein liebevolles Umfeld habt was euch unterstützt, euch
    Rückhalt bietet, zuhört und euch fragt ob euch etwas gutes getan werden kann und euch den
    Support geben den ihr braucht.

    Zahlen und Fakten

    Ich möchte an dieser Stelle nochmal die Website transrespect und die Ergebnisse des „TMM
    des Trans Murder Monitoring
    “ Projektes zitieren:

    „TMM 2022 data shows that:

    • 327 trans and gender-diverse people were reported murdered;

    • Cases from Estonia and Switzerland were reported for the first time – both victims were migrant Black trans women;

    • 95% of those murdered globally were trans women or trans feminine people;

    • Half of murdered trans people whose occupation is known were sex workers;

    • Of the cases with data on race and ethnicity, racialised trans people make up 65% of the reported murders;

    • 36% of the trans people reported murdered in Europe were migrants;

    • 68% of all the murders registered happened in Latin America and the Caribbean;

    29% of the total happening in Brazil;

    • 35% of the murders took place on the street and 27% in their own residence;

    • Most of the victims who were murdered were between 31 and 40 years old.

    The data continues to indicate a worrying global trend when it comes to the intersections of misogyny, racism, xenophobia, and whorephobia, with most victims being Black and migrant trans women of colour, and trans sex workers. The high number of murder reports from Latin America and the Caribbean can be considerably attributed to the existence of established monitoring systems, and must be understood in the specificsocial, political, economic, and historical contexts in which they occur.These numbers are just a small glimpse into the reality on the ground. The majority of the data came from countries with a strong network of trans and LGBTIQ organisations that conduct the monitoring. Most cases continue to go unreported and, when reported, receive very little attention.“

    Trans Murder Monitoring Project

    Solidarität mit allen trans* Personen

    Ich möchte kurz darauf hinweisen, dass die folgende Liste nicht hierarchisch sortiert ist und
    keiner bestimmten Reihenfolge einhält. Genausowenig erhebe ich einen Anspruch auf
    Vollständigkeit.

    Gewalt und ihre Formen

    Meine Solidarität teile ich mit allen betroffenen trans*Personen die täglich dem weltweit
    herrschendem und sich verschlimmerndem transfeindlichem Status Quo ausgesetzt sind,
    und der Gewalt der Nationalstaaten mit ihren unterdrückerischen, und großteils
    transfeindlichen Gesetzen.

    Mit allen trans* Personen die jeden Tag psychische, emotionale, sexualisierte und
    körperliche Gewalt erfahren, die mehrfach betroffen sind von Unterdrückungsmechanismen
    wie jeglicher Form des Rassismus, Misogynie, Antisemitismus, Ableismus, Sane-ismus,
    Klassismus, Hetero-, Cis-, Endo -, Allonormiativät oder Sexarbeiter*innenfeindlichkeit und
    damit zusätzlich zu dem was sie ohnehin aushalten müssen konfrontiert sind.

    Kolonialismus und Antisemitismus

    Denen durch den weißen, christlich-europäischen Kolonialismus und Antisemitismus, das
    binäre und heteronormative Geschlechtersystem mit Gewalt aufgezwungen wurde.
    Die sich verstecken müssen, die aufgrund mangelnder und fehlender Strukturen keinen
    ausreichenden Zugang zu Aufklärung, Beratung oder medizinischer Versorgung haben.

    Denen Aufgrund von Illegalität, Staatenlosigkeit, Asylstatus oder eines ungeklärten
    Aufenthaltstitels, der Zugang zu medizinischer Grundversorgung und
    Transistionsmöglichkeiten verwehrt wird.

    Die gemobbt werden. Die fliehen mussten oder sich derzeit auf der Flucht befinden, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität verfolgt werden, die vom deutschen und anderen Staaten in Gebiete abgeschoben werden, in denen ihnen einen sicheres, unversehrtes, sichtbares und respektvolles Leben nicht möglich ist.

    medizinisches System und Trauma

    Die aufgrund von Armut und mangelnder Kostenübernahme durch die Krankenversicherung, oder dem Fehlen einer solchen keinen Zugang zu Transistionsmaßnahmen nach ihren Wünschen und Bedürfnissen haben.

    Die ihre Familien und Freund*innenkreise verlieren oder verlassen müssen, weil sie sich
    geoutet haben. Die sich aus Angst vor Unverständnis,Verlustangst, Diskriminierung oder anderer Gewalt,
    nicht trauen sich zu outen. Die sich einsam fühlen. Die niemanden zum reden haben oder der sich mit ihnen freut. Die grenzüberschreitende Fragen gestellt bekommen. Die nicht in die klischeehaften Geschlechterrollenbilder anderen Menschen passen, darüber wie trans* Personen auszusehen oder zu sein haben.

    Mikroaggressionen und Unsichtbarmachung

    Die von der Gesellschaft unsichtbar oder klein gemacht werden, und denen ihre Daseinsberechtigung und ihr Geschlecht mit Gewalt aberkannt wird. Denen die richtige Anrede und die Benutzung der richtigen Pronomen
    verweigert wird. Die sich bezahlt, großteils aber unbezahlt für Aufklärung und gegen Diskriminierung einsetzen. Die sich aus Angst nicht trauen die Wohnung zu verlassen. Die trotz ihrer Geschlechtsidentität die Wehrpflicht erfüllen müssen. Die jeden Tag damit leben müssen, dass endo-cis Personen mehr Entscheidungsrecht über ihren Körper haben als sie selber. Deren Aufklärungsarbeit zensiert und als Kindeswohlgefährdung eingestuft wird.
    Die in bestehenden Safespaces keine sicheren Orte haben, weil sie mehrfach vonDiskriminierung betroffen sind.

    Status Quo: Trans*feindlichkeit

    Die Gewalt und Unterdrückung die trans* Personen täglich erfahren wird von gefühlt nur
    sehr wenigen Menschen, ernst oder wahrgenommen. Sie wird von vielen Menschen, wenn
    auch nicht unbedingt immer in böser Absicht, reproduziert, was ihre Folgen aber weder
    abschwächt noch weniger schmerzhaft macht. Nur weil ich mich gegen eine Form der
    Gewalt bekenne, heißt dass nicht, dass ich sie nicht selber reproduzieren kann.

    sichere Räume? Nicht für uns.

    Und auch innerhalb der linken, anarchistischen, antiautoritären und feministischen Szene ist
    Trans*feindlichkeit, genau wie andere Unterdrückungsmechanismen, ein Teil des Alltags
    betroffener Menschen und ein fester Bestandteil der Stukturen, den es zu bekämpfen gilt.
    Menschen die über Diskriminierung berichten, wird nicht geglaubt und ihnen wird ihr
    Schmerz aberkannt. Ihre Erfahrungen haben oft keinen Platz und werden teilweise als etwas
    individuelles dargestellt.

    Der Nebenwiderspruch.

    Die sozialen Kämpfe, die historisch gesehen von BIPOC Personen begonnen wurden, und von ihnen bis heute tragend mitgeführt werden, werden abwertend gemeint als Identitätspolitik oder als Nebenwiderspruch bezeichnet und dadurch diffamiert.

    Während gleichzeitig die Rechte von trans* Personen als etwas diskutierbares und etwas
    legitim verhandelbares dargestellt werden und somit trans*feindlichen Diskursen Raum gewährt.
    Dazu kommt eine oft fehlende Bereitschaft von nicht betroffenen Personen, sich mit dieser
    Form von patriarchaler Gewalt, ihrem historischen Ausmaß und ihrer Verknüpfung mit
    anderen Kämpfen auseinanderzusetzen. Sowie das eigene binäre Denken und die binären
    Vorstellungen von Geschlecht aktiv zu hinterfragen, zu reflektieren und zu verlernen.

    Trans*feindlichkeit als patriarchales Werkzeug

    Trans*feindlichkeit muss als das gesehen werden was sie ist, nämlich ein wichtiges
    Standbein des Patriarchats, ein Eingriff in die Selbstbestimmung und Autonomie, eine bis zu
    weilen tödliche Form von Gewalt. Und etwas das jede Person, die als Ziel eine befreite
    Gesellschaft hat, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben fern von Angst und
    Bedrohung führen können, ernstgenommen und bekämpft werden sollte.
    Genauso selbstverständlich wie jegliche andere Form der gesellschaftlichen Unterdrückung
    und Herrschaft.

    Eine befreite Gesellschaft, ohne Patriarchat, ohne Rassismus, ohne Antisemitmus, ohne
    Ableismus und ohne Kapitalismus kann nur erreicht werden, wenn wir uns bedingungslos
    mit allen Menschen solidarisieren, die in der Welt Unterdrückung und strukturelle Gewalt
    erfahren, betroffenen Personen glauben und sie unterstützen, nicht in dem wir Kämpfe
    gegeneinander ausspielen, oder sie als weniger wichtig betrachten als andere.

    Wie soll das klappen mit dem Erreichen der Utopie, wenn die Kämpfe von eh schon
    unterdrückten Gruppen nicht nur als unwichtig sondern teilweise sogar als bedrohlich
    verstanden werden?

    Richtig, gar nicht.

    Solidarität und Intersektionalität!

    Denn sich gegen jede Form von Hierarchie und Herrschaft zu stellen bedeutet das
    bedingungslos zu tun. Und nicht da aufzuhören wo die eigenen verinnerlichten
    diskriminierenden Sichtweise reflektiert werden und Verhalten umgestellt werden muss.

    Es wird nicht gelingen eine Graswurzelbewegung aufzubauen, wenn Menschen innerhalbdieser Gewalt erfahren und dadurch gehindert werden sich an ihnen zu beteiligen.

    Solidarität mit allen von Trans*feindlichkeit betroffenen Menschen weltweit und allen
    anderen Menschen die struktureller Gewalt erfahren.
    Solidarität mit allen Menschen die im Alltag, online, in der Kneipe, in der eigenen
    Aktionsgruppe, bei der Arbeit, der Uni oder sonst wo gegen trans*feindlichkeit laut werden
    und sich für eine Welt einsetzen, in der ein selbstbestimmtes Leben für alle möglich ist.

    Ich bedanke mich fürs zuhören, fürs vorbeikommen, fürs weiterkämpfen und fürs
    unterstützen.

    Until all are free no one is free – terfs defend the patriarchy

  • Meinungsfreiheit – ein Gastbeitrag von Leon

    „Das darf ich sagen! Das ist von meiner Meinungsfreiheit gedeckt!“
    Wann ist es sinnvoll, mit dem Grundgesetz zu argumentieren? … und wann nicht? Ein juristischer Exkurs in Debattenkultur.

    Wie sagte mein Professor am Anfang der Grundrechtevorlesung so schön: „Alles, was nicht Staatsgewalt ist, ist auch nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden.“. Polemische Aussage? Nö!

    Art. 1 III GG stellt klar, dass alle Staatsgewalt unmittelbar an Grundrechte gebunden ist.

    Erlässt der Bundestag also (als Teil der Legislative und damit Staatsgewalt) ein Gesetz, darf dieses nicht gegen Grundrechte verstoßen. Ob es das tut, wird dann im Zweifel durch eine Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden.

    Nimmt ein*e Polizist*in (als Teil der Exekutive) eine Person fest, muss bei Zweifeln wieder ein Gericht entscheiden, ob die Grundrechte dabei unbegründet eingeschränkt wurden.

    Und so weiter…

    Grundrechtswirkung

    Das Ganze nennt sich unmittelbare Grundrechtswirkung und zeigt die Rolle der Grundrechte in der deutschen Verfassung: Sie sind dafür da die Rechte von Menschen in Deutschland vor Verletzungen durch den Staat zu schützen.

    Für den Staat heißt das, dass er durch die Grundrechte verpflichtet ist, etwas zu tun oder zu unterlassen. Für die Einzelperson, dass diese das Recht hat, vom Staat ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.

    Das ist nötig, da der Staat und die Menschen einander nicht gleichberechtigt gegenüberstehen. Es herrscht ein Machtgefälle, in dem (nur) der Staat das Recht und die Möglichkeit hat, Gewalt auszuüben. Die Grundrechte setzen dem Staat dabei Grenzen und schützen die Menschen vor dieser Gewalt.

    Anders sieht das Ganze in der Beziehung zwischen Privatpersonen aus. Diese stehen einander grundsätzlich gleichberechtigt gegenüber. Es gibt kein Machtgefälle und somit auch keine Partei, die besonders vor Eingriffen durch die andere Partei geschützt werden müsste. Zumindest ist das in der Theorie des Gesetzes so. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

    Im Hinblick auf die Meinungsfreiheit darf der Staat einer Einzelperson also nicht vorschreiben, was diese sagen oder nicht sagen darf.

    Meinungsfreiheit und Menschenwürde

    Es wird aber in einer privaten Diskussion schwierig, die eigenen Aussagen damit zu rechtfertigen, dass diese durch die Meinungsfreiheit geschützt sind…

    Kommen wir jetzt aber zu diskriminierenden Aussagen, hantieren Menschen in Argumentationen regelmäßig mit der Meinungsfreiheit und der Würde des Menschen.

    Es gibt Situationen, in denen das auch tatsächlich sinnvoll ist. Geht es z.B. um das TSG, ist der Rückschluss auf die Menschenwürde angebracht, da es sich hierbei um ein formelles Bundesgesetz handelt. Als formelles Bundesgesetz ist das TSG ein Ausdruck staatlichen Handelns und somit Staatsgewalt. Das TSG muss also die Grundrechte wahren und darf u.A. nicht gegen die Menschenwürde verstoßen. Dass große Teile des TSG eben das nicht tun, hat das BVerfG seit vielen Jahrzehnten immer wieder bestätigt.

    Onkel Oskar und der T-Slur

    Anders sieht das Ganze aus, wenn Onkel Oskar den T-Slur verwendet. Hier ist in keinster Weise Staatsgewalt am Werk, weshalb es sich also nicht um unmittelbar an Grundrechte gebundenes Verhalten handelt. Es ist also nicht nur weird, wenn Onkel Oskar sich mit seiner Meinungsfreiheit herausreden will, sondern auch nicht hilfreich als Gegenargument die Menschenwürde anzubringen. (Onkel Oskar würde sich im Zweifel sowieso nicht davon überzeugen lassen…)

    Grundrechte und Offenbarungsverbot

    Grundrechte werden aber z.B. beim dead-naming wieder relevant. Hat eine Person über das TSG deren Vornamen und Personenstand geändert, geht damit ein Offenbarungsverbot einher. Das heißt, dass es gem. § 5 TSG verboten ist, den Geburtsnamen zu erforschen oder offenbaren. Da dieses Offenbarungsverbot Teil eines Gesetzes und folglich ein Akt öffentlicher Gewalt ist, ist es auch rechtlich durchsetzbar und gültig. Wird dieses Verbot missachtet, gilt dies als Ordnungswidrigkeit und kann rechtlich verfolgt werden.

    Die Grundrechte sind insofern relevant, dass – vom Staat – durch die gesetzliche Regelung die Würde von Trans*Personen geschützt werden soll. Durch das Gesetz (again: Akt der öffentlichen Gewalt) wird das Verhalten von Privatpersonen sanktioniert, um eben diese Grundrechte zu wahren.

    Auch der Vorschlag für das Selbstbestimmungsgesetz greift dieses Offenbarungsverbot wieder auf.

    Trotz diesen rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Rolle der Grundrechte, sollten wir einander natürlich trotzdem zuhören, einander respektieren und lieb und freundlich miteinander bleiben.

    Das hat aber nichts mit der Menschenwürde oder Meinungsfreiheit des Grundgesetzes zu tun, sondern gesellschaftlichen und moralischen Wertvorstellungen.

    Tldr; Grundrechte regeln die Beziehung der Menschen zum Staat und nicht zwischenmenschliche Beziehungen. Eigene Aussagen in privaten Debatten auf die Meinungsfreiheit zu stützen ist also eher schwach.

  • Es ist entmenschlichend!

    Meine Pronomen im Deutschen sind „es“ und „nims„, wobei nims nicht weiter dekliniert wird. Aber bis zu dem Punkt, das zu erklären, komme ich meistens gar nicht. Denn sofort schreit irgendwer auf, meine Pronomen seien „entmenschlichend“, die Person könne einen anderen Menschen nicht mit „es“ ansprechen (sollst du auch nicht, „du“ ist ausreichend für die direkte Ansprache) und ich solle mir doch etwas besseres überlegen.

    Ich bin jedes Mal wieder fasziniert.

    Fremde Menschen haben die Erwartung, dass es bei meinen Pronomen über sie geht. Das ich mich nach ihnen richten würde. Das es relevant ist, was sie über mein Pronomen denken.

    Und dann erzählen sie auch noch Unsinn. Gerade Leute, die normalerweise echt viel zu Grammatik und Geschlecht zu sagen haben, sind bei dem Thema ganz streng geschlechtlich. Dabei gibt es durchaus Unterschiede im grammatischen und im sozialen Geschlecht. (Das wir trotzdem das generische Maskulinum mit Männlichkeit gleichsetzen, ist dann unseren Hirnen geschuldet. Deshalb ist das generische Maskulinum nicht geschlechtsneutral.)

    „Das Mädchen, es geht zum Einkaufen.“ und „Das Kind, es isst Schokolade.“ sind zwei vollständige Sätze im Deutschen. Beide benutzen „es“ in Bezug auf einen Menschen (nämlich ein Mädchen oder ein Kind). Obwohl es durchaus Menschen gibt, die Kindern ihre volle Persönlichkeit erst mit der Vollendung der Volljährigkeit zugestehen (und dann trans Kindern eine falsche Pubertät zumuten wollen). Aber um die geht es gar nicht.

    „Der Hund, er geht spazieren.“ und „Die Katze, sie springt auf den Baum.“ sind dagegen zwei Sätze, die vergeschlechtlich sind, aber sowohl Hund als auch Katze sind menschliche Geschlechter ziemlich egal.
    Dem Tisch und dem Stuhl übrigens auch.

    Wenn ihr ein Problem damit habt, wie ihr „es“ wahrnehmt, dann liegt das an euch. Wenn es „entmenschlichend“ ist, korrekt über Leute zu sprechen, aber nicht, ihre Wünsche zu respektieren…

    …dann denke ich, gibt es durchaus Priorisierungsunterschiede darin, was Menschen als „entmenschlichend“ wahrnehmen.

    Ich bin nicht männlich. Und auch nicht weiblich. Ich denke, wenn euch bei der Verwendung meines Pronomens wahlweise ein gruseliger Clown oder Sarah McGonagalls Version davon in den Sinn kommt, dann ist mein Geschlecht eigentlich ganz gut beschrieben.

    Und Luftballons mag ich auch.

  • Wir alle kennen Betroffene – Redebeitrag Halle 14.4.22

    In diesem Text wird sexualisierte Gewalt, Übergriffigkeit, Transfeindlichkeit und Ableismus thematisiert. Betroffene verdienen mehr als das hier. Der Beitrag begann mit einer Minute für Jess, um ihr alles Gute und schnelle Genesung zu wünschen.

    Prioritäten

    Wir alle kennen Betroffene, aber niemand kennt Täter.

    Willkommen in der Stadt, in der über trans Personen und Toiletten diskutiert wird, als gäbe es keine wichtigeren Themen.
    Ich habe keine Angst vor einer trans Frau in einer Toilette.

    Nein, ich habe Angst vor einer Szene, in der Menschen vergewaltigt werden können und es niemanden interessiert.

    Ich war hier, als 2014 auf einer linken Veranstaltung eine Person sexualisierte Gewalt erfuhr.
    Und ich war hier, als in den folgenden Jahren im VL Sprüche fielen wie „so, wie die herumgelaufen ist, wollte die das doch“.

    Ich war hier, als die betroffene Person in der Reile um Hilfe bat und stattdessen mit dem Problem allein gelassen wurde.

    Irgendwann war ich nicht mehr hier.

    Stattdessen bin ich weggezogen, weg aus einer Stadt, in der über trans Personen und Toiletten diskutiert wird, während die sexualisierte Gewalt in den eigenen Strukturen geflissentlich übersehen wurde.

    Heute bin ich wieder hier.

    Ich bin hier, weil es Menschen gibt, die sich diesen Normalzustand nicht mehr gefallen lassen wollen. Weil sich Strukturen entwickelt haben, die es möglicherweise vor acht Jahren gebraucht hätte.

    Ich bin hier, damit es eine Stimme gibt, die diese Strukturen kennt und die sagt, dass ihr genügend Schmutz unter eurem Teppich habt.

    Transfeindlichkeit

    Es wird ein Feindbild konstruiert, während mir Menschen freundlich ins Gesicht lächelnd sagen, dass sie mit mir ficken wollen, solange ich mich nicht verstümmele, wie die „echten trans Personen“. Aber das sei in Ordnung, immerhin sei es nur eine Einzelperson und zwar übergriffig, aber kein Grund, etwas an Strukturen zu ändern. Und ich solle mir doch überlegen, ob die Person nicht doch Recht hätte, so ne Operation sei immerhin schon eine einschneidende Erfahrung und ob ich mal über Reue nachgedacht hätte?

    Wir alle kennen Betroffene, aber niemand kennt Täter.

    In dieser Stadt werden Täterinnnen konstruiert, die nur durch ihre bloße Existenz bereits als Bedrohung für Frauen dargestellt werden, während cis Männer ungestraft sexualisierte Gewalt ausüben dürfen. Wer den Mund aufmacht, wird als Nestbeschmutzer_in wahrgenommen und der Konflikt vermieden. Immerhin sei ja niemand selbst dabeigewesen, ne? Und es gäbe ja immer zwei Perspektiven, außerdem ist er doch so ein cooler Typ und die Partys in der WG seien immer gut. Wäre doch ärgerlich, wenn das nicht mehr ginge.

    Ab leismus und Antifeminismus

    Transfeindliche Strukturen zeichnen sich immer auch dadurch aus, dass sie in letzter Konsequenz antifeministisch sind. Transfeindlichkeit für sich sollte ausreichen, aber machen wir uns nichts vor. Schlussendlich ist Transfeindlichkeit erst dann schlimm, wenn sie auch cis Frauen trifft. Oder Menschen, die sich noch nicht geoutet haben.

    Transgeschlechtlichkeit wird als psychische Erkrankung geframed und wir alle wissen: Psychische Erkrankungen sorgen für böse Menschen, für Monster. Auch so ist eine Pathologisierung, verbunden mit der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen, nichts anderes als eine Dämonisierung von trans Personen. Verrückte wissen nicht, was sie tun und sind eine Gefahr für die „normale“, „cissige“ Gesellschaft.

    Die härtesten Auswirkungen dieses Framings spüren vor allem trans Personen in Großbritannien und den USA. Nachdem ensprechende Gesetze in u.A. Texas gekippt wurden, beschloss letzte Woche Alabama, dass in Schulen nicht mehr über queere Themen gesprochen werden darf und Eltern sich im Zweifelsfall strafbar machen, wenn sie ihr trans Kind unterstützen. Ebenso wurde jede medizinische Unterstüzung für trans Kinder verboten.

    Nichts davon ist wirklich weit weg. In Berlin müssen trans Personen bei der Charité üblicherweise einen Pädophilietest im Rahmen ihrer Zwangstherapie zur Transition machen. Leipzig verlangt drei Gutachten, was den Preis einer Transition noch einmal um durchschnittlich ein Drittel in die Höhe treibt. Und in Halle gründen sich Gruppen, die trans Frauen explizit aus ihrer Definition von „Frau“ ausschließen.

    Feministische Intervention gegen Täterschutz

    Wir alle kennen Betroffene, aber niemand kennt Täter.

    Das muss sich ändern. Der gefährlichste Ort für eine trans Person ist eine Beziehung mit einem cis Mann. Der gefährlichste Ort für eine cis Frau auch. Das Problem sind patriarchale Strukturen und die Erwartungshaltung, über den Körper anderer Personen bestimmen zu können. Der Großteil sexualisierter Gewalt passiert in Nahbeziehungen, der Großteil der Femizide geht von cis Männern aus, die ihren Anspruch auf den Körper ihrer Ex-Partnerinnen nicht aufgeben wollen.

    Anstatt trans Personen und vor allem trans Frauen als einen Feind darzustellen, brauchen wir einen Feminismus, der Betroffene schützt. Wir kennen alle Betroffene.

    Lasst uns Täter sichtbar machen und sie Konsequenzen spüren!

  • TDOV – 2022

    Ich bin zu autistisch, um mich in trans Räumen wohlzufühlen und zu trans für autistische Räume. Das macht den TDOV (trans day of visibility) jedes Jahr zu einem sehr… speziellen Event.

    Am wohlsten fühle ich mich, wenn ich Veranstaltungen leite, während ich bei sozialen Situationen regelmäßig vollständig versage. Das ist in Räumen, die vor allem queer geprägt sind, durchaus ein Problem. Schließlich sind dies einerseits die Räume, die mir eigentlich offen stehen sollten und andererseits – ganz pragmatisch – auch die Räume, die meine Bildungsarbeit in den meisten Fällen zur Multiplikation nutzen.

    Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit

    Das sorgt dafür, dass ich beim TDOV gleichzeitig sehr sichtbar und sehr unsichtbar bin. Ich bin sehr sichtbar, weil ich über trans und autistische Themen schreibe. Weil mich mittlerweile ein paar Leute kennen. Das sorgt dafür, dass angenommen wird, ich wäre in sozialen Situationen ähnlich kompetent wie in meinen Veranstaltungen. Ein Fehlschluss, der regelmäßig zu zwischenmenschlichen Katastrophen führt.

    (Disclaimer: Ich gebe mir sehr viel Mühe, zu maskieren. Sollte im Kontakt mit Lesenden dieses Textes das mal nicht geklappt haben und ihr von „die Situation ist eskaliert“ betroffen gewesen sein: Es tut mir leid. Ich mache das nicht absichtlich und gebe mir Mühe.)

    Drüber zu reden heißt nicht, dass mich Menschen verstehen

    Ich rede oft und viel über die Schwierigkeiten, die autistische Kommunikation macht. Gleichzeitig sind Menschen trotzdem erstaunt, dass soziale Situationen und ich zu einer explosiven Mischung führen.
    Vielleicht bin ich trotz aller (vor allem queeren) Sichtbarkeit doch nicht sichtbar genug?

    Ich will den diesjährigen TDOV auch dazu nutzen, auf neurodivergente trans Geschwister aufmerksam zu machen. Wir sind oft nicht in queeren Räumen, weil die soziale Struktur in queeren Räumen eine ganz eigene ist. Das sorgt dafür, dass queere Räume sehr oft eine emotional geprägte Kommunikation bevorzugen, die ich beispielsweise nicht leisten kann. Und damit sind neurodivergente trans Personen schlussendlich wieder unsichtbar.

    Bei den meisten Diskriminierungsformen findet Diskriminierung vor allem auch im Bereich der Kommunikation statt. Über wen wird geredet, mit wem wird geredet, welche Stereotypen werden reproduziert, welche Worte verwendet? Das ist sinnvoll. Dort anzusetzen, kann Dinge ändern.

    Gestörte Kommunikation

    Aber gerade bei Autismus ist die Kommunikation ein Problem. Es besteht ein fundamentales Missverständnis zwischen Erwartungen. Ich funktioniere anders als neurotypische Menschen.
    Intuitive Kommunikation wird als „normal“ vorausgesetzt.

    Und nein, ich weiß nicht, wie ich das ändern kann. Ich fühle mich nur gleichzeitig sehr sichtbar und sehr unsichtbar. Weil ich nicht vorgesehen bin. Weil ich immer wieder das Gefühl habe, „falsch“ zu sein.

    Und weil meine derzeitige Lösung ist, einfach keine private, soziale Situation zu haben. In meiner Rolle als Referent_in und Schreibendes bin ich ja gut. Klingt aber einsam.

  • Liebe wen Du willst – Chronologie

    „Liebe wen Du willst“ e.V. ist ein gemeinnütziger, eingetragener Verein aus Berlin, der sich Bekämpfung von Diskriminierung, Homophobie, Mobbing und Gewalt auf die Fahne geschrieben hat. Seit 19.01.2022 gibt es mehrere Berichte auf social media, die an diesen Zielen zweifeln lassen.
    Ich berichte chronologisch. Gleichzeitig, und vorweg: Ich kann aufgrund meiner Behinderung keine Videos sehen, bin also auf Transkripte angewiesen. Sollte es da zu Fehlern gekommen sein, weist mich bitte darauf hin! Gelöschte Videos liegen als gespeicherte Dateien vor bzw. sind über eingebettete Videos Dritter nachzuvollziehen.

    Zeitangaben der Chronologie sind nach MEZ (Berlin). Mindestens eine beteiligte Person befindet sich gerade in den USA, somit kann es zu Überschneidungen bezüglich der Zeitangaben kommen.

    Ergänzungen werden fett markiert.

    13.01.2022

    der TikToker diemxoo macht ein Video über Xier/Xiem Pronomen. 

    16.01.2022

    Liebe wen Du Willst greift das Video auf, macht den „Witz“ „Xier, Xiem, Xylophon, hä?!“ und bezeichnet im laufenden Video Neopronomen als „Bullshit“ und „schädlich“. (Video gelöscht.) Es kommen neben Steven, dem 37-jährigen Gründer von „Liebe wen Du willst“ auch zwei (junge) trans maskuline Personen zu Wort. Beide bekräftigen, dass sie „Xier/Xiem“-Pronomen nicht verstehen würden bzw. unsinnig fänden.

    17.01.2022

    die TikTokerin frauloewenherz.de berichtet über den Verein „Liebe wen Du willst“ und das (missglückte) Pronomenvideo. Zusätzlich macht sie darauf aufmerksam, dass der 37-jährige Steve und der 18-jährige Jaron ein Paar seien (beide sind im Vorstand des Vereins).
    Jaron ist ebenfalls im Pronomenvideo zu sehen. Jaron wurde im Dezember 2021 volljährig. Die ersten Beziehungsfotos der beiden sind aus Sommer/Herbst 2021
    – ca. drei Monate vor Jarons 18. Geburtstag. 

    frauloewenherz.de kritisiert das fehlende, pädagogische Konzept und den nicht vorhandenen, akademischen Hintergrund bei „Liebe wen Du willst“. Die Notfall-Intervention würde von einem 17-jährigen geleitet. Die WhatsApp Gruppen (bei denen Name, Foto, Geburtsdatum, Wohnort und geschlechtliche/sexuelle Orientierung angegeben werden müssen) wären – rein hypothetisch – eine perfekte Grooming-Plattform. Sensible, persönliche Daten von vulnerablen Jugendlichen würden ungesichert in unbekannte Hände gegeben werden.

    Auch fehlende Intersektionalität wird angesprochen und das Team als „größtenteils weiß“ bezeichnet. Die Tatsache, dass das Team seit 2019 immer weiter schrumpft, wird als besorgniserregend kommuniziert.

    Lars Tönsfeuerborn kritisiert das Pronomenvideo von „Liebe wen Du willst“ auf Instagram und sieht ein größeres Problem: Kritkunfähigkeit, Diskriminierung, Gefährdung von Jugendlichen.

    18.01.2022

    Der TikToker MarcioTheSinger meldet sich zu Wort. Er versucht seit Oktober 2021, ein Video von sich auf dem YouTube Kanal von „Liebe wen Du willst“ entfernen zu lassen. Der Verein weigert sich jedoch.

    Auf Twitter ensteht ein Thread von @Ap_Saegge, der in den nächsten Tagen regelmäßig ergänzt wird.

    19.01.2022

    Das Vorstandsmitglied Vivien S. (auf TikTok @mrs.burnout) lädt ein zweiteiliges Video hoch, das mit „Rufmord“ übertitelt ist. Darin wird das fehlende, pädagogische Konzept und die nicht vorhandene akademische Ausbildung bestätigt. Gleichzeitig wird sich mit „Erfahrung“ und „logischem Denken“ verteidigt. Beides wäre viel wichtiger als eine entsprechende Ausbildung.

     Der 17-jährige Leiter der Krisen-Intervention, Tom, wird als „reif wie ein 30-jähriger“ bezeichnet. Als Beweis wird angeführt, dass er, selbst als er wegen Krebs und Chemotherapie „in Lebensgefahr“ geschwebt hätte, noch Privatnachrichten Hilfesuchender beantwortet hatte. 

    Außerdem sagt sie, Jaron hätte Steve die Liebe gestanden, somit sei es kein Grooming. Darüber hinaus wären die beiden mittlerweile zusammengezogen. Missbrauch ist ausgeschlossen. 
    Vivien S. teilt mit, Liebe wen Du willst hätte frauloewenherz.de wegen Rufmord angezeigt. (Video gelöscht.)

    Die Kritik am weißen Team wird mit „Was soll das? Rassismus gegen Weiße? Haben wir etwa zu Dingen keine Ahnung, weil wir weiß sind?!“ abgetan.

    „Liebe wen Du willst“ teilt ein Statement zum Pronomenvideo und entschuldigt sich, kündigt aber direkt an, eine Pro-Contra-Diskussion über Pronomen und Neopronomen durchführen zu wollen. (Video gelöscht.)

    Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung, warnt auf Twitter vor dem Verein „Liebe wen Du willst“ und rät Menschen in akuten Krisensituationen und Ratsuchenden, andere, offizielle Stellen aufzusuchen. 

    Minzgespinst beginnt mit der Recherche, redaktionell durch IT unterstützt. Die IT merkt an, dass da Dinge fishy sind und startet sie mit der Analyse der Datenschutzerklärung (Unterstützung durch weitere Organisation in dem Bereich angefragt).

    Unmut Özdemir äußert sich und sagt, er hätte bereits 2020 die vorhandenen Strukturen scharf kritisiert und wäre daraufhin geblockt und aus den Gruppen ausgeschlossen worden.

    20.01.2022

    Die Berliner Polizei teilt mir auf Nachfrage mit, es hätte seit 2020 keine Zusammenarbeit mit Liebe wen Du willst gegeben und niemals eine Kooperation im Sinne einer Kooperationsvereinbarung bestanden. LSVD Deutschland distanziert sich und negiert die Existenz einer Kooperation. 

    Eine Presseanfrage an den Berliner Senat wird gestellt, inwiefern die Nummern auf der Seite von Liebe wen Du willst offizielle Notrufnummern seien und somit die Drohung eines Strafverfahrens nach § 145 StGB bei Missbrauch der Nummer berechtigt. Zitat:

    Hinweise:
    Unser Engagement richtet sich an Betroffene von Hasskriminalität, Opfer von Sexualstraftaten, suizidgefährdeten Personen. Der Missbrauch unserer Arbeit ist gemäß § 145 StGB strafbar und wird ohne Ausnahme strafrechtlich verfolgt.“

    Liebe wen Du willst – Kontakt

    Presseanfrage zur Kooperation / Kooperationsangebot an TikTok geht raus, um zu hinterfragen, wieso eine offizielle Kooperation mit TikTok bestand.

    Livestream von „Liebe wen Du willst“, in dem u.A. der Satz fällt „theoretisch (würde ich natürlich nie tun, wäre ja krank), aber theoretisch könnte ich auch mit einem neunjährigen Mädchen in einer Beziehung sein. Ich dürfte sie nur niemals anfassen.“ Bezogen ist der Satz darauf, dass zwischen Beziehungen und sexuellen Handlungen unterschieden werden müsse. Nur sexuelle Handlungen seien strafbar. „Und diese ganzen Klugscheißer wollen mir jetzt mitteilen, dass sie neben mir im Bett lagen, wo ich mit Jaron was hatte?!“

    21.01.2022

    Ich suche auf archive.org nach bisherigen Kooperationen von „Liebe wen Du willst“ und frage nach, inwiefern diese Kooperation tatsächlich bestanden hätte und ob sie fortgesetzt werden würden. Einige der genannten Kooperationen sind bezüglich Jugendschutz besorgniserregend (z.B. eine Erotikmesse oder eine Datingseite für Erwachsene). 

    „Liebe wen Du willst“ veröffentlicht ein Statement, indem sie mitteilen, dass sie frauloewenherz.de, QueerBILD, Sven Lehmann und Mental.Health.Mariam angezeigt hätten. Darüber hinaus wird auf die Kooperation mit der Polizei Berlin eingegangen: „Die Zustimmung für die Wort- und Bildmarke der Polizei Berlin wurde im August 2020 schriftlich erteilt!“ „So hat der Leiter des LKA535 unsere Arbeit und die Zusammenarbeit noch im Mai 2020 schriftlich gelobt, eine Aufhebung der Zusammenarbeit hat bis zum Shitstorm zu keinem Zeitpunkt stattgefunden!“

    Das Statement sagt, dass alle Unterstützenden und Kooperationen ausdrücklich zugestimmt hätten und der Verein nichts ohne Erlaubnis veröffentlichen würde. (Dem widerspricht das Statement vom 18.01.2022)
    Die Wort-Bild-Marke der Polizei Berlin wurde unvollständig von der Seite entfernt. Die Wort-Bild-Marken anderer Unterstützender und Kooperationen wurden vollständig entfernt.

    TikTok bietet Minzgespinst Telefonat an (vrstl. Mo/Di) B. übernimmt Gespräch. 

    22.01.2022

    Ich warte auf Antwort über die Kooperationen. Ein interviewter Sozialarbeiter (Name ist der Redaktion bekannt) bezeichnet die Beziehung zwischen Steve und Jaron als „mindestens unprofessionell“. Eine solche Konstellation sei in der Arbeit mit Jugendlichen zwingend zu vermeiden. Auch die Zusammenarbeit mit der Polizei in Krisensituationen sei problematisch. „Die Polizei ist leider in den meisten Fällen nicht für suizidale, queere Jugendliche ausgebildet. Hier sollte der Rettungsdienst die erste Wahl sein.“. 

    Fotos von der Gründungsadresse und der Impressumsanschrift mit Klingelschildern zeigen weder Vereinsnamen noch den Nachnamen des Vorsitzenden.

    Statement von Jaron bei @mrs.burnout auf TikTok. Er sagt, er ist glücklich und niemand hat das Recht, seine Beziehung zu beurteilen.

    23.01.2022

    fraulowenherz.de veröffentlicht ein Video mit einem Zusammenschnitt von Vivien S. und sich, in einem reaction-Format. (Zusammenschnitte, die dann einen Dialog ergeben.) Implizit wird der Umgang von Vivien S. und „Liebe wen Du willst“ mit Kritik kritisiert. In dem Video geht es ausschließlich um den Umgang mit Neopronomen.

    Auf Twitter veröffentlicht CaptainLala_ eine Zusammenfassung und Einordnung des neuesten Videos von „Liebe wen Du willst“. Der Verein hat das Video eines 15-jährigen Fans mit Körperbehinderung veröffentlicht. In diesem verteidigt sie den Verein und bittet um Nachsicht. CaptainLala_ kritisiert, dass „Liebe wen Du willst“ Kinder ihre Kämpfe führen lässt. Dieser Fan sei dadurch dem Hate ausgesetzt.

    Der Verein verändert mehrmals am Tag Aussagen auf seiner Website. Zuerst sind es vier Gruppen auf WhatsApp, dann drei. Auch die Aussagen über „Beratung“ schwanken. Unter „Vorfall melden“ könnte es das Angebot einer Rechtsberatung geben.

    Livestream von official.404 und sonix187 auf Instagram. „Liebe wen Du willst“ werden zugeschaltet.

    Liebe wen Du willst veröffentlich auf Instagram ein weiteres Statement.

    24.01.2022

    Ich erhalte die ersten Antworten auf die Presseanfragen. Liste der Anworten folgt ganz unten.

    Ein polizeiliches Führungszeugnis wird gepostet. Der Account official.404 erhebt in seiner Story schwere Vorwürfe. Gleicher Account fiel in der Vergangenheit durch eher antifeministische Aussagen auf.

    25.01.2022

    Steve ist seit 21.04.2021 bzw. 31.08.2021 laut Facebook-Profil verlobt. Unklar, mit wem.

    Minzgespinst bekommt Antwort auf die Anfrage bei der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport. Wir dürfen die Sprecherin Sylvia Schwab zitieren: „Notrufverbindungen im Sinne der Notrufverordnung (NotrufV) sich Verbindungen, die entweder durch die Wahl der europaeinheitlichen Notrufnummer 112 oder der zusätzlichen nationalen Notrufnummer 110 eingeleitet werden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 Telekommunikationsgesetz – TKG). Die Entgegennahme von Notrufen erfolgt danach ausschließlich von der zuständigen Notrufabfragestelle (2 Nummer 2 NotrufV). Zuständig in Berlin sind die Berliner Feuerwehr bzw. die Polizei Berlin. Die Verwaltung der Notrufanschlüsse obliegt der Bundesnetzagentur.

    Davon zu unterscheiden ist die Frage einer etwaigen Strafbarkeit nach § 145 Strafgesetzbuch (StGB). Danach macht sich strafbar, wer absichtlich oder wissentlich Notrufe oder Notzeichen missbraucht. Diese Voraussetzungen sind bei der missbräuchlichen Verwendung von 110 und 112 erfüllt.

    Als „Notrufe“ im strafrechtliche Sinne kann aber jede akustische oder optisch wahrnehmbare Bekundung in Betracht kommen, die auf das Vorhandensein einer (vermeintlichen) Not- oder Gefahrenlage und die Notwendigkeit fremder Hilfe aufmerksam macht (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, StGB § 145 Rn. 4). Es bedarf also nicht zwangsläufig eines Anrufs bei den Notrufnummern 110/112. Ob die Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, prüft – ggfs. nach entsprechender Anzeige – die zuständige Strafverfolgungsbehörde.“

    Es ist nicht ersichtlich, ob die „Notrufnummern“ von „Liebe wen Du willst“ tatsächlich Notrufnummern sind, da sie auch als Kontakt-Nummer für Presseanfragen, in der Satzung und im Impressum angegeben werden. (Screenshots liegen vor.)

    26.01.2022

    Die Website von „Liebe wen Du willst“ ist offline. Später postet „Liebe wen Du wilst“ Stories über einen „Hacker-Angriff“.

    Auf Twitter entstehen die ersten Gerüchte. Es wird vermutet, official.404 könnte hinter dem Hack stecken. 404 bestätigt diese Gerüchte bis jetzt nicht.

    „Liebe wen Du willst“ (genauer: mrs.burnout aka Vivien S.) kündigt ein Statement an.

    Ap_Saegge macht auf negative Reviews bezüglich der Arbeitsbedingungen aufmerksam. Sie stammen aus der Zeit vor der massiven Kritik – im Gegensatz zu den google reviews, die eher auf Shitstorm-Bombing zurückzuführen sind.

    Es wird der Verdacht geäußert, Follower könnten gekauft worden sein. Auffällig viele kyrillische Namen für eine rein deutschsprachige Organisation.

    Ältere Beiträge (September 2021) von „Liebe wen Du willst“ werden kritisiert. Steve bezeichnet u.A. geschlechterneutrale Sprache als „schädlich“. Im gleichen Livestream ist wohl ein (minderjähriger?) Junge allein in Steves Wohnung. Gegen Ende bezeichnet Steve“divers“ als „Geschlecht“ für Menschen „die noch nicht wissen, in welche Richtung es für sie geht“. (Anmerkung der Redaktion: Das ist falsch. „Divers“ ist ein Geschlechtseintrag, einer von vier rechtlichen Einträgen in Deutschland. Es ist eine juristische Kategorie. Geschlecht ist vielfältig, hierfür bitte zum queer-lexikon gehen.)

    27.01.2022

    Beiträge und Videos von „Liebe wen Du willst“ auf Instagram werden gelöscht.

    Der Freitag berichtet über den Fall „Liebe wen Du willst“. Leider wird @frauloewenherz.de nicht erwähnt.

    28.01.2022

    Der Beitrag zu geschlechterneutraler Sprache ist gelöscht. Hier eine Sicherung. Auch das Statement vom 23.01.2022 ist gelöscht. Hier eine Sicherung.

    29.01.2022

    Der Instagram-Account von „Liebe wen Du willst“ wurde (angeblich durch 404) gehackt und Material, das Steve der sexuellen Handlungen mit Minderjährigen beschuldigt, hochgeladen. Innerhalb von Sekunden sind jedoch entsprechende Beiträge gelöscht.

    Das Transkript eines erschütternden Videos taucht auf, in dem Steve immer wieder einen Jugendlichen angreift und sich hinterher als „Opfer“ des Jugendlichen darstellt. CN Gewalt, Gaslighting, Ableismus

    „Liebe wen Du willst“ postet eine ableistische Story und benutzt das Stigma über Borderline gegen Betroffene.

    Das Hacking der Seite geht weiter. mrs.burnout/Vivien S. verurteilt die Angriffe.

    30.01.2022

    404 „kritisiert“ Minzgespinst auf Instagram, wir haben die entsprechenden Passagen angepasst. Uns wird gedroht, wir würden „aus dem Weg geräumt werden, wie alle anderen“ (wenn wir unseren Job nicht so machen würden, wie 404 das erwartet. Andererseits seien wir keine Journalist_innen, sondern nur Wannabe-Journalist_innen). 404 misgendert uns.

    CaptainLala_ kündigt einen Exkurs bezüglich eines Chat-Protokolls von „Liebe wen Du willst“ und Steve an.

    31.01.2022

    Auf „Volksverpetzer“ erscheint ein Beitrag zu „Liebe wen Du willst“.

    Wir werden in Privatnachrichten von Einelpersonen für unsere Berichterstattung scharf kritisiert.

    01.02.2022

    Frau Loewenherz und Lars Tönsfeuerborn veröffentlichen ein gemeinsames Statement und kündigen
    eine intensive, saubere Recherche an.

    04.02.2022

    Drama Detective“ auf YouTube hat ein Update zu „Liebe wen Du willst“.

    14.02.2022

    Von „Liebe wen Du willst“ und „Mrs._Burnout“ gab es in den letzten Wochen mehrere Statements, die innerhalb kürzester Zeit wieder gelöscht waren. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, diese nicht mehr mit aufzunehmen, bis ein finales Statement zustandekommt.

    Organisationen und Firmen:

    gay.parship

    Sie stimmten 2019 einmalig zu, als Unterstützende auf der Website aufgeführt zu werden. Sie sahen das Anliegen der Organisation als grundsätzlich sinnvoll. „Mit Blick auf die aktuellen Äußerungen fehlt dafür aber jegliche Basis. Parship steht für einen diskriminierungsfreien und weltoffenen Umgang, unabhängig von sexueller Identität und Orientierung. Daher haben wir den Verein bereits darum gebeten, unsere Logos zu entfernen.“ Es gab und gibt keine Zusammenarbeit zwischen parship und „Liebe wen Du willst“.

    100% Mensch:

    Hatte vor mehreren Jahren mal eine kurze Kooperation mit LWDW. Hat diese schnell wieder beendet. Logo blieb dennoch. Veröffentlichte jedoch ein Statement.

    Spreadshirt:

    Hatte 2019 ein Produkt-Sponsoring für den Verein. „Dabei wurde Teamwear in Form von T-Shirts und Turnbeuteln zur Verfügung gestellt. Desweiteren betreibt der Verein über Spreadshop einen Online-Shop. Ob dieser gegen unsere Community-Standards verstößt, ist gerade in der Prüfung.“

    LSVD Berlin-Brandenburg:

    distanziert sich vom Verein LWDW. Bekräftigt die Unterstützung von nichtbinären Personen. Korrekte Ansprache gehöre dazu. „Wir wurden auf der Webseite von „Liebe wen Du willst“ als Partner genannt. Nachdem wir die Veröffentlichungen von „Liebe wen Du willst“ geprüft haben, haben wir umgehend die Entfernung unseres Logos von der Webseite des Vereins veranlasst. Gegenüber dem Vorstand von „Liebe wen Du Willst“ haben wir unser Missfallen zum Ausdruck gebracht und deutlich gemacht, dass wir nicht mehr für eine Zusammenarbeit zur Verfügung stehen.“

    innocent:

    „Im Jahr 2019 wurden wir vom Verein diverse Male gebeten, unsere Reichweite für Projekte des Vereins zur Verfügung zu stellen und Aktionen des Vereins finanziell zu unterstützen.“ Innocent lehnte ab. Sie machen grundsätzlich kein finanzielles Sponsoring. „Nach den Hinweisen der User:innen haben wir den Verein gebeten, uns von der Liste der offiziellen Partner zu nehmen, da es ja keinerlei substanzielle Zusammenarbeit oder Unterstützung in den letzten Jahren gegeben hat. Und nur wegen eines kleine Getränke-Sponsorings gleich dauerhaft als offizieller Partner genannt zu werden, dafür sind wir viel zu schüchtern und bescheiden. Dieser Bitte wurde von Seiten des Vereins auch prompt Folge geleistet.“

    Venus Berlin:

    Bestätigt eine Instagram-Kommunikation im Jahr 2019. Kann keinerlei Absprachen oder Kooperationen nachvollziehen. Möchte nicht hundertprozentig ausschließen, dass es Absprachen gab, hat aber keine Dokumente/Unterlagen darüber.

    Fairtrade Deutschland

    Fairtrade Deutschland ist der Verein „Liebe wen Du willst“ nicht bekannt.

    Einzelpersonen:

    Electra Pain:

    „Es bestand tatsächlich eine offizielle Kooperation mit „Liebe wen du willst“ und die Nutzungserlaubnis meiner Wort-Bild-Marke. Die Kooperation bestand lediglich darin, dass ich ab und zu etwas von LWDW in meiner Story geteilt habe. Außerdem war ich mal über deren Kanal live und habe über LGBT-Themen geredet. Das ist alles aber schon etwas her. Ich habe die Zusammenarbeit sofort beendet nachdem ich gesehen hatte, dass sie sich in einem Video über Pronomen für non-binary Personen lustig gemacht haben. Das hat mich sehr geschockt und enttäuscht. Ich habe außerdem verlangt, dass alle Fotos von mir von deren Seiten genommen werden.“

    Jurassica Parka:

    Sie distanziert sich ausdrücklich von der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins und sieht sich nicht als Unterstützerin.

    Hape Kerkeling:

    Unterstützt diese Organisation nicht mehr.

  • Binäres System und Nichtbinarität – @coding_void


    CN für den gesamten Text
    Transfeindlichkeit, Misgendern, Dysphorie, binäres System

    Ein Gastbeitrag von @coding_void.
    Vor einigen Jahren habe ich mein Geschlecht noch ausschließlich als Nicht-Binär bezeichnet.
    Ich verwendete nur das Pronomen „es“, liebte meinen Buzzcut und wartete darauf, endlich mit Hormonen anfangen zu können. Nicht um einen „weiblicheren“ Körper zu haben, sondern einen, der weniger „männlich“ ist. Dennoch war da oft die unterschwellige Gewissheit, vor allem doch als Mann behandelt und wahrgenommen zu werden. Egal, wie sehr ich dies hasste. Das ich, egal was ich machen würde, zwangsläufig in der Fremdzuschreibung „Mann“ gefangen blieb. Es war dabei selten offenes Misgendern oder direktes Absprechen meines Geschlechtes, auch wenn ich das durchaus erlebt habe. Das Problem saß tiefer, in der grundlegenden Art und Weise, wie soziale Räume und Interaktionen um mich herum gestaltet waren. Wie ich mich (nicht) in sie integrieren konnte. Wie sich ein binäres System unterbewusst darstellt.

    Dies kann mensch aus verschiedenen Perspektiven betrachten.

    Fremdzuschreibung und Dysphorie

    Zum Beispiel aus der von Dysphorie und psychischer Gesundheit. Mit mir selber war ich zwar halbwegs glücklich. Aber das Wissen um die Art und Weise, wie ich von anderen Menschen wahrgenommen wurde, ließ mich verzweifeln. Dies wird in der Regel als soziale Dysphorie bezeichnet und ist etwas, worunter viele trans Personen leiden.

    Eine andere Interpretation würde sich auf die männlichen Privilegien konzentrieren, die ich durch diese Fremdzuschreibung angeblich hatte. Es stimmt sicher, dass z.B. meine Meinung ernster genommen wurde, als die von Menschen, die weiblich „gelesen“ wurden. Da gibt es viele weitere Beispiele.

    Die Ebene, dass diese Fremdzuschreibung gewaltvoll ist, wird dabei aber außen vor gelassen. Bei binären trans Personen wird meist noch anerkannt, dass die fortgesetzte Assoziation mit ihrem AGAB ein Ausdruck von Transfeindlichkeit ist. Diese löst bei vielen trans Personen signifikanten Leidensdruck aus. Bei nicht-binären trans Personen fällt diese Anerkennung eher weg. So wird strukturelle Gewalt gegen eine Person, wiederum als Teilhabe an struktureller Gewalt bewertet. Bei AMAB nicht-binären Menschen wird so häufig ihre Unterdrückung verunsichtbart und Teile davon sogar als Privileg geframed.

    Zwar halte ich es nicht für falsch, spezifische(!) Privilegien zu benennen, auch wenn sie im scheinbaren Widerspruch zum realen Leiden ihrer Träger*innen stehen. Aber wenn es um Umstände geht, bei denen Ursache der Privilegien gleichzeitig Ursache des Leidensdruckes ist, ist fragwürdig, ob es Privilegien sind.

    CN Suizid

    An dieser Stelle ist es mir wichtig, dass dies nicht als „verletzte Gefühle“ gegenüber materiellen Bedingungen dargestellt werden kann. Statistisch haben mehr als ein Drittel aller trans Personen einen Suizidversuch überlebt. Nur um einmal klar zu machen, worauf dieser abstrakte Leidensdruck, den ich hier beschreibe, nicht selten hinausläuft.

    Zugang zu Räumen

    Eine weiterer Aspekt, neben den direkten psychischen Auswirkungen, ist zum Beispiel der Zugang zu Schutzräumen. Ich hätte damals Schutzräume benötigt, aber praktisch standen mir keine offen. Selbst ernannte FLINTA*-Räume, vom Namen her also trans und nicht-binäre Menschen explizit einschließend, zogen keine praktischen Konsequenzen daraus. Das ist vielleicht gut gemeint, aber wertlos. Ein Raum, bei dem ich damit rechnen muss, mich Transfeindlichkeit auszusetzen, wenn ich ihn betrete, ist kein Schutzraum für mich.

    Unser binäres System von Geschlecht, das uns Geschlecht von Geburt an und jeden Tag aufs Neue, von außen zuschreibt, gab mir nur eine Möglichkeit der Annerkennung als „nicht-männlich“: Weiblichkeit.

    Meine Konsequenz war, stärker auf den transweiblichen Aspekten meiner Identität aufzubauen, um eine „Nicht-Männlichkeit“ erreichen zu können. Transfeminine Personen erleben natürlich auch Misgendering, Ausschluss aus Schutzräumen und im speziellen Transmisogynie und daraus folgende Gewalt.
    Für mich bot Transfeminität die einzige Chance, der geschlechtlichen Fremdzuschreibung als „Mann“ zu entkommen, der ich auch als offen nicht-binäre Person durchgehend ausgesetzt war.

    Heute kann ich mich z.B. leichter in FLINTA*-Räumen aufhalten als damals. Zumindest solange ich genug sichtbaren Aufwand betreibe, Weiblichkeit zu performen.
    Der Übergang zu einem primär transweiblichem Auftreten hat mir die Lebensqualität und Verbesserung meiner psychischen Gesundheit gegeben, die ich mir aus Outing und Transition erhofft hatte.
    Nicht dadurch, dass ich glücklicher mit meinem Körper wurde, sondern, dass ich endlich weniger als „Mann“ wahrgenommen werde.

    Auch wenn ich meine Weiblichkeit mag, musste ich erkennen, dass sie mir zum Teil aufgezwungen wurde und wird.
    Ich würde gerne wieder einen Buzzcut tragen und mich allgemein gender non-conforming präsentieren. Aber der Effekt darauf, wie (nicht-)männlich ich von anderen Menschen wahrgenommen werde, hindert mich daran.

    Die Ironie, dass ich, als nicht-binäre Person, dadurch nicht nur Zweigeschlechtlichkeit, sondern auch stereotype Weiblichkeit reproduziere, ist mir bewusst.

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